2017-15
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
4 Dorfspiegel Dietlikon<br />
Kurier Nr. <strong>15</strong> 14.4.<strong>2017</strong><br />
Musikalisch-kabarettistisches Highlight beim Kulturtreff Dietlikon: Uta Köbernick<br />
Facettenreiches Kabarett von poetisch bis bitterbös<br />
Nochmals für ein Highlight sorgte<br />
zum Abschluss der Live-Saison<br />
beim Dietliker Kulturtreff Uta Köbernick<br />
mit ihrem mal poetischen,<br />
mal angriffigen Programm «Grund<br />
für Liebe».<br />
Mit Uta Köbernick stand am vergangenen<br />
Freitag und Samstag eine<br />
weitere Gewinnerin des prestigeträchtigen<br />
Kabarettpreises «Salzburger<br />
Stier» auf der Bühne des<br />
Kleintheaters im Alexander Bertea-<br />
Dorftreff. Sie stammt zwar aus<br />
Berlin, hat den Preis jedoch für die<br />
Schweiz gewonnen, lebt sie doch<br />
seit vielen Jahren in Zürich. Ihre<br />
Bühnenkarriere hat mit Violinunterricht<br />
im Alter von sechs Jahren<br />
begonnen. Zwei Jahre später wurde<br />
sie Mitglied des DDR-Rundfunkkinderchors.<br />
Mit <strong>15</strong> Jahren schrieb<br />
sie ihre ersten Lieder, später begann<br />
sie eine Gesangsausbildung,<br />
die sie jedoch nach dem Vordiplom<br />
abbrach. Von 2000 bis 2004 absolvierte<br />
sie die Schauspielausbildung<br />
an der heutigen Zürcher Hochschule<br />
der Künste und war anschliessend<br />
an verschiedenen Bühnen in<br />
Deutschland und in der Schweiz<br />
tätig. Seit 2007 ist sie im deutschsprachigen<br />
Raum sehr erfolgreich<br />
als Musikkabarettistin und Liedermacherin<br />
unterwegs.<br />
Eine Liedermacherin, die sich auf der Geige begleitet, hat Seltenheitswert: Uta Köbernick auf der Bühne des<br />
Kleintheaters im Alexander Bertea-Dorftreff. (Fotos rm)<br />
Hinter diesem Lachen von Uta Köbernick<br />
verbergen sich Poesie und<br />
Boshaftigkeit gleichermassen.<br />
Poetisch und boshaft<br />
Ganz in rot, mit grauen Stiefeln betrat<br />
Uta Köbernick die Bühne, um<br />
loszulegen mit Überlegungen und<br />
Gedankengängen über die Grenze<br />
und den Abgrund zwischen ihr auf<br />
der Bühne und dem Publikum im<br />
Saal. Auch mit Grenzen haben Zäune<br />
zu tun, denen sie ihr erstes, leider<br />
topaktuelles Lied «Lass uns<br />
Zäune bauen» widmete. Bald war<br />
klar, dass es kein Abend zum Zurücklehnen<br />
wird. Köbernick spielt<br />
mit Worten wie ein Jongleur und<br />
setzt Pointen, oder lässt sie weg.<br />
Denkt man noch über eine Pointe<br />
nach, hat man schon zwei weitere<br />
verpasst. «Der Protestsong», hält<br />
sie fest, «ist kein Protestsong gewesen,<br />
sondern ein Widerständchen.»<br />
Im Programm «Grund für Liebe»<br />
wechseln Gedichte, Texte und Lieder<br />
sich ab. Einzelne sind schon zu<br />
Ende, kaum haben sie angefangen.<br />
Dazwischen Weisheiten und alltägliche,<br />
meist ironische Feststellungen<br />
aus einem grossen Buch. Uta<br />
Köbernick stellt nicht nur hohe Ansprüche<br />
an ihr Publikum mit dem,<br />
was sie sagt und singt, sondern vor<br />
allem auch mit dem, was sie weglässt.<br />
Sie finde es toll, dass wir<br />
Schweizer über so viele Dinge abstimmen<br />
dürften, vor allem – auf<br />
ihre Nationalität anspielend – immer<br />
wieder über sie.<br />
Köbernicks virtuos formulierte<br />
Texte, ob gesprochen oder gesungen,<br />
sind ein Mix von Poesie, Satire<br />
und Protest. Hart geht sie ins Gericht<br />
mit den Lebensmittelmultis<br />
und der Verkommerzialisierung des<br />
Wassers, um sich gleich darauf von<br />
ihrer Geige in einem einseitigen Dialog<br />
die Leviten lesen zu lassen, ist<br />
diese doch nicht damit einverstanden,<br />
als Handy-Klingelzeichen<br />
missbraucht zu werden. Sie zerpflückt<br />
das inzwischen gescheiterte<br />
transatlantische Handelsabkommen<br />
und vergleicht den Lottoschein mit<br />
dem Stimmzettel. Bei beiden gehe<br />
es darum, das Kreuz am richtigen<br />
Ort zu machen. Sie wagt sich sogar,<br />
und das mit grossem Erfolg, an ein<br />
eigenes berndeutsches Lied. Dazu<br />
besingt sie die Taxifahrer, erklärt,<br />
was alles auf der Welt wackelt und<br />
beschäftigt sich musikalisch mit einem<br />
Knoten. Uta Köbernick ist<br />
nicht nur eine gute Sängerin, sondern<br />
begleitet sich auch gekonnt<br />
mit Gitarre und Violine.<br />
Sind die Dietliker kulturmüde?<br />
Eine Frage drängte sich angesichts<br />
der freien Plätze an beiden Abenden<br />
auf: Sind die Dietliker kulturmüde<br />
oder sparen sie ihren Hunger<br />
nach Kultur für die erste Dietliker<br />
Kulturnacht am 24. Juni auf? Uta<br />
Köbernick und mit ihr das Team<br />
vom Kulturtreff hätten zweimal<br />
eine volles Haus verdient. Es ist<br />
nicht selbstverständlich, dass sich<br />
eine Künstlerin dieses Renommees<br />
– vor dem «Salzburger Stier» hat<br />
sie bereits den Deutschen Kleinkunstpreis<br />
und den Preis der deutsche<br />
Schallplattenkritik gewonnnen<br />
– für zwei Abende in ein Theater<br />
mit nur gerade 40 Plätzen<br />
Uta Köbernick im Dialog mit ihrer<br />
Geige, die sich darüber beschwert,<br />
als Handy-Klingelzeichen missbraucht<br />
zu werden.<br />
verpflichten lässt. Diejenigen Dietlikerinnen<br />
und Dietliker, die nicht<br />
bis Ende Juni auf Kultur warten<br />
wollten, haben ihren Entscheid sicher<br />
nicht bereut und dies auch mit<br />
herzlichem Applaus kundgetan.<br />
Mit einem ihrer letzten Lieder ist<br />
Köbernick dann doch noch auf den<br />
Titel ihres Programms eingegangen,<br />
um jedoch festzustellen, dass<br />
es für Liebe gar keinen Grund<br />
braucht.<br />
Ruedi Muffler