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rik Juni 2017

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INTERNET<br />

FOTO: MARIANA BELLOT-FLORES<br />

INTERVIEW<br />

IAN JACOB<br />

„... diese Stärke, einfach weiterzumachen ...“<br />

Beim Surfen im Internet entdeckten<br />

wir diesen Künstler, der<br />

nicht nur mit seiner Kunst gute Laune<br />

macht. Seine Geschichte ist aber<br />

durchaus ernst.<br />

Du machst echt gerne Selfies, oder?<br />

Ich stehe auf Selfies. Als ich aufgewachsen<br />

bin, wollte ich unbedingt Model werden und<br />

mein einziger Einblick in die Modewelt war<br />

die Sendung „America’s Next Top Model“.<br />

Tyra Banks betonte immer, wie wichtig<br />

Übung ist, also habe ich geübt. Vorm<br />

Spiegel, mit einer Kamera und der Timerfunktion.<br />

Und ich habe viel geübt! Jetzt, wo<br />

ich älter bin, empfinde ich Selfies als einen<br />

großen Teil der Jugendkultur und eine Methode,<br />

bei Menschen auf der ganzen Welt<br />

riesiges Interesse zu erzeugen, das sich<br />

dann hoffentlich zu tieferen Verbindungen<br />

oder gar Freundschaften entwickelt.<br />

Den ersten Eindruck hat man von unseren<br />

Gesichtern. Das ist zwar einfach und oberflächlich,<br />

aber eine Tatsache. Wir erzeugen<br />

den ersten Eindruck mit unserer Energie<br />

und unserem Aussehen.<br />

Was ist deine liebste Kunstform?<br />

Als Jugendlicher mochte ich am liebsten<br />

alles, was Dreck macht. Vornehmlich Bildhauerei.<br />

Ich belegte ein Jahr lang bildende<br />

Kunst auf der Universität und war dafür<br />

bekannt, eine riesige Sauerei zu veranstalten<br />

und zu tun, was ich wollte. Zum<br />

Glück haben meine Profs das respektiert.<br />

Inzwischen arbeite ich eher digital. Das ist<br />

einfacher, wenn man keinen Platz hat, mit<br />

Gips um sich zu werfen!<br />

Was inspiriert dich am meisten?<br />

In den vergangenen paar Jahren war Sex<br />

meine größte Inspiration, ganz besonders<br />

schwuler Sex. Ich finde es faszinierend, dass<br />

schwuler Sex automatisch fetischisiert wird,<br />

und zwar nicht nur vom heterosexuellen<br />

Mainstream, sondern sogar innerhalb unserer<br />

eigenen Community. All diese Konzepte<br />

– Daddys, Size Queens, die Verwischung von<br />

Geschlechtergrenzen und -standards – faszinieren<br />

mich. Da gibt es auch diese dunklere<br />

Seite, die ich gerne weiter erforschen<br />

möchte, was ich aber noch nicht so wirklich<br />

geschafft habe. Ich bin recht klein, was die<br />

Körperlänge angeht, und einige Erfahrungen,<br />

die ich in Klubs und Bars gemacht<br />

habe, waren schon beängstigend. Einvernehmlicher<br />

Sex scheint heutzutage für<br />

viele Männer optional zu sein, und ich bin<br />

froh sagen zu können, dass ich hier bisher<br />

nicht zum Opfer geworden bin. Es fasziniert<br />

mich, dass viele Männer so drauf sind, aber<br />

es macht mir auch Sorgen. Ich arbeite an<br />

einigen Werken, die das widerspiegeln. Das<br />

ist allerdings ziemlich kompliziert.<br />

Vor ein paar Jahren ging es dir einmal<br />

nicht so gut und du hast deine Gedanken<br />

auf Facebook geteilt. Erzähl<br />

doch mal davon.<br />

Seit meinem 12. Lebensjahr kämpfe ich mit<br />

Depressionen und Selbstmordgedanken. Ich<br />

erinnere mich daran, dass ich in diesem Alter<br />

zum ersten Mal darüber nachgedacht habe,<br />

wie es wohl wäre zu sterben – und mich tatsächlich<br />

danach zu sehnen. Ich entwickelte<br />

eine Essstörung und kämpfte mit diesen<br />

beiden Problemen mehr oder weniger durchgehend<br />

bis ich ungefähr 19 war. Ich hätte<br />

mich fast umgebracht. Ich habe versucht,<br />

eine Überdosis Tabletten zu nehmen und<br />

mich zu ertränken. Ich wachte am nächsten<br />

Morgen auf und entschied, dass ich mich nie<br />

wieder so fühlen wollte. Dass ich überhaupt<br />

am nächsten Morgen aufgewacht bin und<br />

am Leben war, ist das Wichtigste daran. Deswegen<br />

habe ich das Datum dieses Tages auf<br />

meinen Schenkel tätowiert. Das war einer<br />

meiner stärksten Tage und ich versuche,<br />

mir diese Urkraft zu bewahren, diese Stärke,<br />

einfach weiterzumachen. Das letzte Jahr hat<br />

mich sehr auf die Probe gestellt: Ich hatte<br />

mich verliebt und schon geplant, ihn zu<br />

heiraten – und dann brach er mir das Herz.<br />

Ich bin abgestürzt und fühlte mich ziemlich<br />

dreckig. Aber jetzt habe ich das hinter mir<br />

gelassen und ich fühle mich wieder stark. Ich<br />

bin nun überzeugt davon, dass ich mich aus<br />

jedem Tief wieder befreien kann.<br />

*Interview: Michael Rädel & Andreas Müller<br />

www.ianjacobportfolio.com<br />

www.iamianjacob.com

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