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Cruiser im September 2013

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Interview CRUISER Edition <strong>September</strong> <strong>2013</strong><br />

Die nackte<br />

Wahrheit<br />

Interview mit Kjell M. Droz<br />

über Nacktheit und Toleranz<br />

Von Daniel Diriwächter<br />

30<br />

Viele in der Zürcher Szene kennen<br />

Kjell Marc Droz besonders<br />

aus den glorreichen Labyrinth-Zeiten,<br />

als er meist unbekleidet<br />

die Tanzfläche beherrschte.<br />

Auch sein Blog auf<br />

GaYmeBoys.com findet rege<br />

Beachtung. Kjell scheut sich<br />

nicht, das auszusprechen,<br />

was viele denken. Im August<br />

sorgte er für Schlagzeilen, als<br />

er nackt wie Gott ihn schuf bei<br />

der Streetparade mittanzte.<br />

Zeit für das CR-Magazin, dem<br />

Szene-Kenner einige Fragen<br />

zu stellen.<br />

CR-Magazin: Kjell, du bist in Zürich eine Art<br />

«Szene-Grösse», die gerne auch polarisiert,<br />

wie stehst du selber dazu?<br />

KJELL M. DROZ: Wenn die Welt um mich herum <strong>im</strong>mer<br />

bünzliger wird, und ich einfach bleibe wie<br />

ich bin, dann bin ich wohl relativ polarisierend.<br />

Viele kennen dich auch als denjenigen, der<br />

gerne ab und an mal «die Hosen runterlässt»,<br />

woher kommt dieser Drang zur Nacktheit?<br />

Ich bin nackt geboren worden. Das muss mich<br />

irgendwie geprägt haben (lacht). Nacktsein ist<br />

ein wunderschönes Gefühl der Freiheit, eben<br />

einfach so zu sein, wie man ist, ohne sich gesellschaftlichen<br />

Zwängen zu unterwerfen oder<br />

sich verstellen zu müssen. Und ich dachte, ich<br />

fang mal damit an, bevor ich 75 bin und alle<br />

«buh» rufen.<br />

© by: Kjell M. Droz<br />

Würdest du dich als Nudist oder Exhibitionist<br />

bezeichnen?<br />

Wohl eher als Nudist oder einfach als etwas weniger<br />

verklemmter Mensch. Ich mache keine<br />

Religion daraus und trage auch Kleider, wenn’s<br />

nackt zu kalt ist.<br />

Spielt für dich die Sexualität be<strong>im</strong> Nacktsein<br />

eine Rolle?<br />

Nudismus ist eine Lebensart. Exhibitionismus<br />

eine Straftat. Es geht mir nicht darum, jemandem<br />

meine Sexualität aufzuzwingen, und es<br />

macht mich auch nicht an, Leute zu schockieren.<br />

Aber es kann durchaus geil sein, einem<br />

verklemmten Schwulen nackt gegenüber zu<br />

stehen und zuzusehen, wie er gedanklich mit<br />

Engelchen und Teufelchen kämpft und gleichzeitig<br />

eine Latte kriegt…<br />

Hattest du durch dein Nacktsein schon Probleme<br />

<strong>im</strong> privaten oder beruflichen Umfeld?<br />

Nein, Nacktsein ist dort kein Thema. Aber wenn<br />

mich jemand fragt, mache ich auch kein Gehe<strong>im</strong>nis<br />

draus.<br />

An der vergangen Streetparade hast du nackt<br />

mitgetanzt, wie lautet dein Fazit?<br />

Das Motto hiess «Dance for Freedom» – und was<br />

symbolisiert Freiheit mehr als nackte Haut?<br />

Nackt sein ist in der Schweiz legal! Tatsächlich<br />

bewies mein Exper<strong>im</strong>ent, dass die grosse Mehrheit<br />

der Zürcher Street Parade-Teilnehmer supercoole,<br />

tolerante Menschen sind, die absolut<br />

kein Problem mit nackten Schwänzen haben.<br />

Aber die abschliessende, blutige Attacke von einer<br />

Gruppe Schwulenhasser zeigte leider auch,<br />

dass eine kleine intolerante Minderheit ausreicht,<br />

um unsere Ideale von Frieden und Freiheit<br />

zu vernichten.<br />

Hat sich für dich die schwule Szene in jüngster<br />

Zeit verändert?<br />

Als ich vor bald 20 Jahren in die Szene kam, war<br />

das Outing noch ein sehr bewusster Schritt.<br />

Um in einen Schwulenclub zu gehen, musste<br />

man mit der Gesellschaft brechen. Man liess<br />

alle Konventionen hinter sich und betrat eine<br />

neue, freie Welt, in der alles möglich war. Die<br />

heutigen Gays müssen sich nicht mehr outen.<br />

Gaypartys sind Bestandteil der normalen Gesellschaft<br />

geworden und deshalb auch in ihren<br />

Konventionen gefangen. Unsere Partys knisterten<br />

vor Erotik – heute geht’s fast nur noch<br />

um Kommerz und Alkohol, statt an Schwänzen<br />

fummeln alle am iPhone, und überall patrouillieren<br />

Aufpasser, die uns Schwule davon abhalten,<br />

Schwules zu tun.<br />

Trotz der Fortschritte wurde die Toleranz<br />

also kleiner?<br />

Wir haben für gleiche Rechte gekämpft, aber<br />

hauptsächlich das Recht erhalten, <br />

<br />

(Fortsetzung rechts)

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