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Heiraten hinauszuschieben und die heiratswilligen Gesellen<br />
zu disziplinieren. 13<br />
Die Sozialverfassung des mitteleuropäischen Handwerks, die<br />
in der immer wieder, auch von Bade, zitierten „sittlichen<br />
Ökonomie des Alten Handwerks“ ihren Ausdruck findet, wird<br />
im folgenden von Ehmer noch einmal unter der Frage, inwie-<br />
weit sie die Persistenz des Ledigenstandes unter den Gesel-<br />
len förderte, in ihrem inneren Zusammenhang dargestellt. Er<br />
beschreibt die Vor- und Nachteile der Beschäftigung von<br />
verheirateten Gesellen aus der Sicht der Meister sowie die<br />
widersprüchliche Einschätzung ihres eigenen Familienstandes<br />
durch die Gesellen. Eindeutig überwog dabei das Interesse<br />
an der Aufrechterhaltung der Tradition der Ehelosigkeit. In<br />
der kleinen Gewerbeproduktion spielte die spezifische Ge-<br />
sellenkultur, die auf Familienlosigkeit zugeschnitten war,<br />
einen transitorischen Charakter hatte und als Basis für ei-<br />
ne starke Gruppenloyalität diente, die wiederum die Fähig-<br />
keit zur kollektiven Aktion verstärkte, eine wichtige Rol-<br />
le. Hinzu trat die Furcht des Einzelnen vor dem Verlust des<br />
Standes und darausfolgender sozialer Friktionen<br />
(Ausscheiden aus dem sozialen Netz und dem Statussystem der<br />
Zunft, mangelnde oder in ihren Augen minderwertige oder<br />
konfliktträchtige Beschäftigungsalternativen als Bönhasen).<br />
Die Gesellen kontrollierten daher die Einhaltung der Ehelo-<br />
sigkeit und diskriminierten jene Kollegen, die sich ihr<br />
jahre sichtbar zu machen. (vgl. Bade, K.-J., Altes Handwerk<br />
... , S.6ff).<br />
13 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Obrigkeiten<br />
aus Furcht vor Überbevölkerung und Belastung der<br />
Armenkassen daran interessiert, die Heirat von Angehörigen<br />
der Unterschicht zu erschweren und sie nur unter bestimmten<br />
Bedingungen zuzulassen. Ehmer spricht in diesem Zusammenhang<br />
vom Aufbau eines Systems rechtlicher Ehebeschränkungen,<br />
dem „politischen Ehekonsens“. In diesen Rahmen stellt<br />
er auch die Heiratsverbote für Gesellen, die oftmals in den<br />
Gewerbeordnungen vorkamen. Die vielfältigen Bedingungen,<br />
die ein Geselle erfüllen mußte, um gemäß der Ausnahmeregelung<br />
einen Heiratskonsens zu erlangen, dienten als Mittel<br />
der Disziplinierung. Darüberhinaus wurde das Streben nach<br />
hausrechtlicher Einbindung und Kontrolle aus Angst vor revolutionärer<br />
Betätigung der Gesellen neu belebt (vgl. Ehmer,<br />
J., „Weiberknechte“ ..., S.42ff).