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454<br />
klärten der Versammlung bei Witwe Rosenbohm, daß jeder, der<br />
nicht gleich aus der Arbeit treten und abreisen könne, zu<br />
seinem Meister zurückkehren und die 14-tägige Kündigungs-<br />
frist abwarten müsse, wenn er mit dem Beschluß der Meister<br />
nicht zufrieden sein sollte. Der Magistrat beschloß nach<br />
dem bisher Gesagten, das Altgesellenamt bei den Tischlern<br />
aufzuheben und die ehemaligen Altgesellen zu einer zweitä-<br />
gigen Gefängnisstrafe und zur Begleichung der gerichtlichen<br />
Kosten zu verurteilen. Von den 21 vorgeforderten Tischler-<br />
gesellen erschienen 17, -die übrigen waren abgereist,- und<br />
wurden verwarnt. 38<br />
Die Tischlergesellen beklagten sich wiederum ein Jahr spä-<br />
ter darüber, daß ihnen das übliche gemeinsame Abendessen<br />
mit dem Meister am ersten Weihnachtstag sowie an den übri-<br />
gen ersten Feiertagen entzogen worden sei. Sie empfanden<br />
dies als Kränkung, Herabsetzung und als Versuch der Mei-<br />
ster, sich von ihnen immer weiter zu entfremden. Arbeit er-<br />
hielt für sie Sinn im persönlichen Verhältnis zum Meister:<br />
„[...] als vielmehr aus Betrübniß darüber, daß unsere Mei-<br />
ster, für die wir doch streben sollen und streben wie für<br />
uns selbst, sich uns immer mehr zu entfremden suchen“. 39 So<br />
hatten sie das Bedürfnis, am Familienleben ihrer Meister<br />
weiterhin teilnehmen zu können und wollten gleichsam als<br />
Familienmitglied betrachtet werden. Denn sonst sei der<br />
fremde Geselle, der das gewohnte Familienleben entbehren<br />
müsse, in seinen Freistunden auf den Aufenthalt in Wirts-<br />
häusern beschränkt. Vor dem Hintergrund der schon skizzier-<br />
ten sozialgeschichtlichen Entwicklungen können die Aufhe-<br />
bung des Altgesellenamts wie auch die von den Gesellen emp-<br />
fundene persönliche Kluft zwischen ihnen und ihren Meistern<br />
als symptomatisch für den einseitigen Abbau des Zunftsy-<br />
stems und die allmähliche Aufspaltung der Meister und Ge-<br />
sellen in Selbständige und Lohnarbeiter angesehen werden.<br />
38 Vgl. Magistratsprotokoll v.10.8.1852, Forderungen der Gesellen<br />
an ihre Meister v.9.8.1852, Magistratsprotokoll<br />
v.27.8.1852, in: StAO Best. 262-1 A, Nr.2118<br />
39 Art. „Neuerung“, in: Der Beobachter v.30.12.1853, S.415