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Trotz der schon skizzierten Auflösungserscheinungen im tra-<br />
ditionellen Meister-Gesellen-Verhältnis erfolgte der Durch-<br />
bruch zur Arbeiterbildungsbewegung in Oldenburg erst in den<br />
60er Jahren. Gesellen schlossen sich berufsübergreifend au-<br />
ßerhalb des Zunftwesens zusammen, um den persönlichen so-<br />
zialen Aufstieg mittels besonderer beruflicher Qualifikati-<br />
on und Bildung zu erreichen sowie ihrem Bedürfnis nach gei-<br />
stiger Orientierung, höherer Achtung seitens des Bürgertums<br />
und gehobener Geselligkeit nachzukommen. 53 Vorher gab es in<br />
der Stadt nur spärliche Ansätze zur Selbstorganisation, wie<br />
eine Invaliden-, Witwen- und Waisenkasse der Buchdrucker<br />
(1837), einen Gesellengesangverein (1843). 54 1846 stellte<br />
der Gewerbeverein den Gesellen ein Lokal zur Verfügung, das<br />
abends von 7 bis 10 Uhr und sonntagnachmittags Gelegenheit<br />
bot zum Lesen, Spielen und Schreiben. 1853 gründeten Gesel-<br />
len einen „Gesellen-Club“, der Tanzabende veranstaltete. 55<br />
1854 entstand in der Stadt ein Arbeiterbildungsverein, der<br />
von Kaufleuten und Fabrikanten finanziell gefördert wurde.<br />
Sie wollten durch den Verein die Gesellen aus der Welt der<br />
Innungen lösen. Die Handwerksmeister andererseits sahen in<br />
ihm nur einen Versuch der Gesellen, sich ihrem Einfluß zu<br />
entziehen und darüberhinaus einen Angriff auf ein durch In-<br />
nungen geregeltes Wirtschaftssystem. 56 In einem Zeitungsar-<br />
53 Vgl. Parisius, B., Vom Groll der „kleinen Leute“ zum Programm<br />
der kleinen Schritte. Arbeiterbewegung im Herzogtum<br />
Oldenburg 1840-1890 (Ol Studien; Bd.27), Oldenburg 1985,<br />
S.91f.<br />
54 Vgl. Schaer, F.-W., Eckhardt, A., Herzogtum und Großherzogtum<br />
Oldenburg im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus<br />
(1773-1847), in: Eckhardt, A.,Schmidt,H., (Hg.), Geschichte<br />
des Landes Oldenburg: ein Handbuch, 4.verbess. u. erweit.<br />
Aufl. 1993, S.324. Parisius gibt 1847 als Gründungsjahr für<br />
den Gesangverein an, jedoch wird der Verein schon 1844 in<br />
den Oldenburgischen Blättern erwähnt (vgl. Art. „Ueber Gesellen=Vereine“,<br />
in: Oldenburgische Blätter v.19.3.1844);<br />
1845 feierte der Verein sein zweijähriges Bestehen (vgl.<br />
„kleine Chronik“, in: Neue Blätter für Stadt und Land<br />
v.12.11.1845); in einer Übersicht der Ende des Jahres 1845<br />
in Oldenburg bestehenden Vereine und Klubs wird ein Gesellengesangverein<br />
genannt (vgl. Der Beobachter v.3.2.1846).<br />
55 Vgl. Parisius, B., Vom Groll ... , S.24 u. 68<br />
56 Vgl. Ebenda, S.81