Louis XVI-Stil, Paris um 1920. Bronze matt- und ... - Koller Auktionen
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202<br />
MÖBEL, PENDULEN, BRONZEN, SPIEGEL, TAPISSERIEN UND DIVERSES<br />
1349*<br />
PRUNK-KONSOLE „AUX TETES DE SANGLIERS“, Restauration,<br />
nach zeichnerischen Vorlagen von G.B. PIRANESI (Giovanni Battista<br />
Piranesi, Treviso 1720-1778 Rom), sign. J. YOUF (Jean-Baptiste<br />
Youf, tätig in Lucca 1815-1841), <strong>Paris</strong> <strong>um</strong> 1830/35.<br />
Mahagoni geflammt <strong>und</strong> fein eingelegt mit Zitronenholzfilets.<br />
Rechteckige „Carrara“-Platte auf gerader Zarge mit 4 markant<br />
geschweiften Stützen „aux têtes de sangliers“ <strong>und</strong> verspiegelter<br />
Rückwand mit eingezogenem Sockel. Front mit 1 Schublade. Ausserordentlich<br />
feine, <strong>matt</strong>- <strong>und</strong> glanzvergoldete <strong>Bronze</strong>beschläge <strong>und</strong><br />
-applikationen in Form von Früchtekörben, Wildschweinköpfen, Palmetten<br />
<strong>und</strong> Zierfries. 151x54x97 cm.<br />
Provenienz:<br />
- Aller Wahrscheinlichkeit nach gefertigt für Jérôme Bonaparte (1784-1860),<br />
König von Westphalen.<br />
- Aus einer französischen Sammlung.<br />
Hochbeutende Konsole von perfekter Qualität <strong>und</strong> Eleganz.<br />
S. Youf stellte 1834 an der „Exposition des Produits de l’Industrie Française“ diverse<br />
Möbel mit identischen <strong>Bronze</strong>n aus; davon wurde mindestens ein Guéridon nach<br />
Fontainebleau geliefert, in die „antichambre des apartements de la Reine“. Es war<br />
später Bestand der Sammlung G. Rossi, wurde bei Sotheby’s London am 12.3.1999<br />
(Katalognr. 1444) verkauft <strong>und</strong> ist abgebildet in: D. Ledoux-Lebard, Le mobilier<br />
français du XIXe siècle, <strong>Paris</strong> 1986; S. 644. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass<br />
mehrere Möbel mit dieser Formgebung für die königlichen Rä<strong>um</strong>lichkeiten gefertigt<br />
<strong>und</strong> geliefert wurden.<br />
Der Entwurf der <strong>Bronze</strong>n unserer Konsole wurde im Werk von G. Piranesi, „Vasi,<br />
candelabri, cippi, sarcofaghi“ publiziert, das 1778 erschien <strong>und</strong> für viele bedeutende<br />
italienische <strong>und</strong> französische Prunkmöbel Inspirationen lieferte.<br />
Am 15. November 1784 wird Jérôme Bonaparte, der jüngste Bruder Napoleons<br />
geboren. Seine militärische Karriere beginnt mit einer Offiziersausbildung bei der<br />
Marine. Während eines Amerika-Aufenthalts verliebt er sich in die Kaufmannstochter<br />
Elisabeth Patterson, die er 1803 gegen den Willen Napoleons heiratet. Napoleon<br />
bricht deshalb den Kontakt zu ihm ab. 1805 erfolgt die Scheidung auf Befehl des<br />
Bruders <strong>und</strong> Ernennung z<strong>um</strong> Konteradmiral. Im Krieg gegen Preussen besetzt<br />
Jérôme mit der Grande Armée Schlesien. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 <strong>und</strong> der<br />
1349 (Detail)<br />
Scheidung von seiner ersten Frau heiratet er im Schloss Fontainebleau 1807<br />
Katharina, Tochter des Königs Friedrich I. von Württemberg <strong>und</strong> erhält das neu<br />
geschaffene Königreich von Westfalen. Als König „Hieronymus Napoléon“ den<br />
kaiserlichen Familienstatuten unterworfen, ist sein politischer Gestaltungsspielra<strong>um</strong><br />
jedoch gering. Wegen seines Versagens als Truppenführer im Krieg gegen Österreich<br />
1809 <strong>und</strong> im Russlandfeldzug 1812 muss er sich auf repräsentative Funktionen als<br />
König beschränken. Er widmet sich zwar vorwiegend den höfischen Vergnügungen,<br />
leitet aber auch einige Reformen ein. Seine Herrschaft dauert bis 1813, im Herbst<br />
flieht er in die Schweiz. Im Frühjahr 1815 tritt er an die Seite seines Bruders <strong>und</strong><br />
bewährt sich als Truppenführer. Nach Bonapartes Niederlage geht auch er bis 1847<br />
ins Exil, wird 1850 Marschall von Frankreich <strong>und</strong> 1852 Präsident des französischen<br />
Senats. Jérôme Bonaparte stirbt am 24.06.1860 bei Massy.<br />
Zusammen mit seinem Bruder Sébastien liess sich J.B. Youf auf Bitte der Prinzessin<br />
Elisa Bonaparte 1805 in einem ehemaligen Karmeliterkloster in Lucca nieder.<br />
Unter dem Einfluss der Prinzessin, die sich ihren Palast von den beiden Brüdern<br />
einrichten liess, gewann das Unternehmen Youf rasch an Bedeutung; bereits 1807<br />
fehlte es an Handwerkern, daher beschloss man, Waisenkindern das Kunsthandwerk<br />
beizubringen. 1808 wurde Prinzessin Elisa Grossherzogin der Toskana <strong>und</strong> hielt<br />
sich nun häufig in Florenz auf, wo sie den Gebrüdern Youf den Auftrag für die<br />
Einrichtung eines grossen Teiles des Palazzo Pitti erteilte. Kaiser Napoleon erklärte<br />
sich bereit, eine gewisse Anzahl Objekte für den „Garde-Meuble“ zu bezahlen, was<br />
zur Folge hatte, dass heute noch eine genaue Auflistung der Möbel in den<br />
Nationalarchiven zu finden ist.<br />
Lit.: D. Ledoux-Lebard, Le mobilier français du XIXe siècle, <strong>Paris</strong> 1989; S. 641-<br />
644 (biogr. Angaben).<br />
CHF 120 000.- / 180 000.-<br />
(€ 74 530.- / 111 800.-)<br />
Siehe Abb.<br />
1350<br />
1 PAAR KERZENSTÖCKE, Empire, <strong>Paris</strong>, 19. Jh.<br />
<strong>Bronze</strong> <strong>matt</strong>- <strong>und</strong> glanzvergoldet bzw. brüniert. Kannelierter Säulenschaft<br />
mit breitem Tropfteller <strong>und</strong> vasenförmiger Tülle auf<br />
profiliertem R<strong>und</strong>fuss. H 28 cm.<br />
Provenienz: Schweizer Privatsammlung.<br />
CHF 3 000.- / 5 000.-<br />
(€ 1 860.- / 3 110.-)