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August 2017 - coolibri Essen

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„Man kann keinen Schalter umlegen“<br />

„Schreibabys gibt es für mich<br />

nicht“, sagt Erzieherin und Körperpsychotherapeutin<br />

Daniela<br />

Schelling. In ihrem kuschelig<br />

eingerichteten Therapie-Zimmer<br />

können Mütter zur Ruhe<br />

kommen und die Bindung zu ihrem<br />

viel zu häufig schreienden<br />

Baby wieder festigen.<br />

Obwohl Daniela Schelling nicht an<br />

sogenannte Schreibabys glaubt,<br />

heißt ihr Angebot Schreibabyambulanz.<br />

Das hängt einfach damit<br />

zusammen, dass Menschen diesen<br />

Begriff googlen, wenn sie auf<br />

der Suche nach Hilfe sind. Und das<br />

seien hauptsächlich Mütter, die<br />

nicht mehr weiter wissen und mit<br />

guten Ratschlägen von außen und<br />

Durchhalteparolen wie „Das sind<br />

nur Koliken“ nicht weiterkommen.<br />

„Oft schreien Babys, weil sie auf<br />

etwas aufmerksam machen wollen.<br />

Sie können ja nur mit Gefühlen<br />

kommunizieren.“ Generell sei es<br />

aber ein Anzeichen dafür, dass die<br />

Mutter-Kind-Verbindung aus dem<br />

Gleichgewicht geraten ist. Wichtig<br />

sei dann, die Ursache für die Belastungssituation<br />

zu finden. „Hilfe<br />

sollten Eltern so früh wie möglich<br />

suchen“, sagt Schelling. Je länger<br />

sie warteten, desto mehr Sitzungen<br />

bräuchten sie erfahrungsgemäß.<br />

„Wenn die Mutter sich mehr<br />

und mehr Sorgen macht, reicht<br />

das schon.“ Es gebe bei ihr keine<br />

Richtlinie, wie oft ein Baby schreien<br />

sollte.<br />

„Alle Mütter, die kommen, haben<br />

Schuldgefühle.“ Zum einen, weil<br />

sie gesellschaftlich unter starker<br />

Belastung stünden. Zum anderen<br />

reagiert der Mensch bei so hohem<br />

Stress, wie ihn das Babygeschrei<br />

auslösen kann, unterbewusst mit<br />

dem Impuls zur Flucht oder zum<br />

Kampf. „Unser autonomes Nervensystem<br />

bringt uns in diese<br />

Extremsituation“, erklärt Schelling.<br />

„Viele Mütter halten zum Beispiel<br />

unbewusst den Atem an, wenn<br />

sie glauben, dass ihr Baby gleich<br />

schreit.“ Diese plötzliche Anspannung<br />

übertrage sich auf das Kind.<br />

Deshalb ist ein wichtiger Baustein<br />

der Therapie, auf die eigene Atmung<br />

zu achten. „Ich verfolge einen<br />

körperpsychotherapeutischen<br />

Ansatz“, sagt Daniela Schelling,<br />

die zusätzlich zu der Ausbildung<br />

als Erzieherin, Psychotherapie<br />

nach HPG auch eine neunjährige<br />

Zusatzausbildung zur Körperpsychotherapeutin<br />

hat.<br />

In der ersten Sitzungsstunde hört<br />

Daniela Schelling vor allem zu, formuliert<br />

gemeinsam mit den Eltern<br />

Ziele und klärt Erwartungshaltungen.<br />

„Man kann keinen Schalter<br />

umlegen.“ Es käme vor, dass das<br />

Schreien trotz Therapie nicht weniger<br />

wird, dann gehe es darum,<br />

wie die Eltern diesen Sturm mit<br />

dem Kind am besten überstehen.<br />

In dem kleinen Sitzungsraum können<br />

sich die Besucher auf Matratzen<br />

und Kissen zurücklehnen,<br />

um zu entspannen, über mögliche<br />

Ursachen zu sprechen, sich gleichzeitig<br />

ihrem Baby wieder näher zu<br />

fühlen und gemeinsam zur Ruhe<br />

kommen. Oft reichen drei bis sechs<br />

Stunden. „Mir ist es wichtig, einfach<br />

einen Raum zu schaffen, wo<br />

eine tiefe Bindung zum Kind möglich<br />

ist“, sagt Daniela Schelling.<br />

schreibabyambulanz-wuppertal.de<br />

Irmine Estermann<br />

Foto: Irmine Estermann<br />

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