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Das Artland-Magazin.<br />
125<br />
125 Jahre Evangelischer<br />
Arbeiterverein Quakenbrück<br />
Soziales Engagement für die Arbeiterschaft<br />
Was sind eigentlich Arbeitervereine?<br />
Als im 19. Jahrhundert die Wirtschaftsstruktur<br />
auch in Deutschland<br />
eine grundlegende Veränderung<br />
erfuhr, als sich der Agrarstaat<br />
in einen Industriestaat verwandelte und somit<br />
auch das Gesellschaftsgefüge einer Veränderung<br />
unterworfen wurde, also die „Soziale<br />
Frage“ aufkam,<br />
musste auch<br />
den Arbeitern<br />
soziale Wohlfahrt<br />
zukommen. Und<br />
das konnte nur in<br />
Vereinen geschehen.<br />
Diese Organisationen<br />
waren<br />
auf das Ziel<br />
ausgerichtet, der<br />
kulturellen und<br />
wirtschaftlichen<br />
Förderung und<br />
Emanzipation der<br />
bildungsmäßig<br />
benachteiligten<br />
und diskriminierten<br />
Arbeiterschaft<br />
zu dienen. So entstanden<br />
ab 1844 Himmelfahrtsausflug 1911 in die Landwehr<br />
nach britischen<br />
und schweizerischen Anfängen deutsche<br />
Arbeitervereine, wobei zunächst vor allem die<br />
sogenannten „Arbeiterbildungsvereine“ überwogen,<br />
die oft Gründungskeime politischer<br />
und gewerkschaftlicher Aktivitäten wurden<br />
– bis zu ihrem Verbot nach der Revolution von<br />
1848.<br />
Erst ab 1860 konnten sie neu belebt werden.<br />
Nach einem weiteren Verbot durch Bismarcks<br />
Sozialistengesetz von 1878, das alle auf die<br />
Lösung der „sozialen Frage“ ausgerichteten<br />
Vereinigungen untersagte, und Aufhebung<br />
des Verbotes 1890 entstanden neue Zusammenschlüsse<br />
politischer Natur, und die alten<br />
lebten wieder auf. „Ernstgesinnte evangelische<br />
Männer“ waren es, die sich am 2. Oktober<br />
1892 in einem Zimmer des Gastwirts Diedrich<br />
Koppelmann in der Kleinen Mühlenstraße<br />
Nr. 34 versammelten, um in Quakenbrück<br />
auf Initiative des damaligen Seelsorgers der<br />
Kirchengemeinde St. Sylvester, Pastor Wilhelm<br />
Kraemer, einen Evangelischen Arbeiterverein<br />
ins Leben zu rufen.<br />
Wie sah es damals im kaiserlichen Deutschland<br />
aus? Durch das rasante Fortschreiten der<br />
technischen Entwicklung standen die Menschen<br />
unter dem Eindruck einer gewaltigen<br />
gesellschaftlichen und sozialen Umwandlung<br />
des Lebens. Die soziale Sicherung derjenigen<br />
Bürger allerdings, die nicht mehr im Schutz<br />
der Großfamilie standen und sich vielmehr<br />
zunehmend den Fährnissen durch Krankheit,<br />
Alter und Invalidität ausgesetzt sahen, war<br />
demgegenüber ungeklärt.<br />
Die sozialen Fragen blieben ein wesentliches<br />
Element im Wirken des Evangelischen<br />
Arbeitervereins, der sich im Gründungsjahr satzungsgemäß<br />
als „auf dem Boden des evangel.<br />
Bekenntnisses und treuer Vaterlandsliebe“ stehend<br />
bezeichnete. Er bezweckte „die sittliche<br />
und geistige Förderung seiner Mitglieder, das<br />
Verständnis für die sozialen Fragen und Aufgaben,<br />
sowie ein kameradschaftliches Verhältnis<br />
zwischen den Mitgliedern und ein gedeihliches<br />
Verhältnis zwischen Arbeitgebern und<br />
Arbeitnehmern.“ Dass sich die Evangelischen<br />
Arbeitervereine, kurz EAV, nicht nur kirchlichen,<br />
kulturellen und geistigen Interessen zuwandten,<br />
sondern sich zudem als Gegen- und Parallelbewegung<br />
zu den Katholischen Arbeitervereinen<br />
und als „Organisation im Kampf gegen<br />
Marxismus und Sozialismus“ verstanden, steht<br />
auf einem anderen<br />
Blatt.<br />
Bereits am<br />
Gründungsabend<br />
zählte der<br />
Verein schon 59<br />
Mitglieder. Zum<br />
ersten Vorsitzenden<br />
wurde erwartungsgemäß<br />
Pastor Kraemer<br />
gewählt, mit<br />
dessen Namen<br />
bis heute der<br />
eines echten<br />
Seelsorgers für<br />
seine Gemeinde<br />
verknüpft<br />
ist. Neben der<br />
Erfüllung seiner<br />
geistlichen<br />
Pflichten bot<br />
ihm nämlich seine<br />
Tätigkeit auf dem Gebiet des Schulwesens<br />
(er war lange Zeit Orts- und Kreisschulinspektor)<br />
besondere Befriedigung. Fast alle Werke<br />
und Einrichtungen der St. Sylvestergemeinde<br />
sind und bleiben irgendwie mit seinem Namen<br />
verbunden. Nahezu die gesamte Gemeinde<br />
hat in einer persönlichen Beziehung zu ihm<br />
gestanden.<br />
Unterhaltung, Belehrung durch Vorträge,<br />
gegenseitiger Gedankenaustausch sowie<br />
die Pflege „edler Geselligkeit“, das waren die<br />
Hauptkriterien, die sich der Verein auf die Fahne<br />
heftete. So war es sinnvoll, schon kurz nach<br />
der Vereinsgründung den „Vorkämpfer der<br />
Arbeitervereinssache“, Pfarrer Lic. D. Weber aus<br />
Mönchen-Gladbach, einzuladen, der im vollbesetzten<br />
Thöleschen Saal über die Ziele dieser<br />
Bewegung referierte. Pastor Kraemer hob an<br />
22 | mq Ausgabe Herbst <strong>2017</strong>