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MQHerbst 2017

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Das Artland-Magazin.<br />

125<br />

125 Jahre Evangelischer<br />

Arbeiterverein Quakenbrück<br />

Soziales Engagement für die Arbeiterschaft<br />

Was sind eigentlich Arbeitervereine?<br />

Als im 19. Jahrhundert die Wirtschaftsstruktur<br />

auch in Deutschland<br />

eine grundlegende Veränderung<br />

erfuhr, als sich der Agrarstaat<br />

in einen Industriestaat verwandelte und somit<br />

auch das Gesellschaftsgefüge einer Veränderung<br />

unterworfen wurde, also die „Soziale<br />

Frage“ aufkam,<br />

musste auch<br />

den Arbeitern<br />

soziale Wohlfahrt<br />

zukommen. Und<br />

das konnte nur in<br />

Vereinen geschehen.<br />

Diese Organisationen<br />

waren<br />

auf das Ziel<br />

ausgerichtet, der<br />

kulturellen und<br />

wirtschaftlichen<br />

Förderung und<br />

Emanzipation der<br />

bildungsmäßig<br />

benachteiligten<br />

und diskriminierten<br />

Arbeiterschaft<br />

zu dienen. So entstanden<br />

ab 1844 Himmelfahrtsausflug 1911 in die Landwehr<br />

nach britischen<br />

und schweizerischen Anfängen deutsche<br />

Arbeitervereine, wobei zunächst vor allem die<br />

sogenannten „Arbeiterbildungsvereine“ überwogen,<br />

die oft Gründungskeime politischer<br />

und gewerkschaftlicher Aktivitäten wurden<br />

– bis zu ihrem Verbot nach der Revolution von<br />

1848.<br />

Erst ab 1860 konnten sie neu belebt werden.<br />

Nach einem weiteren Verbot durch Bismarcks<br />

Sozialistengesetz von 1878, das alle auf die<br />

Lösung der „sozialen Frage“ ausgerichteten<br />

Vereinigungen untersagte, und Aufhebung<br />

des Verbotes 1890 entstanden neue Zusammenschlüsse<br />

politischer Natur, und die alten<br />

lebten wieder auf. „Ernstgesinnte evangelische<br />

Männer“ waren es, die sich am 2. Oktober<br />

1892 in einem Zimmer des Gastwirts Diedrich<br />

Koppelmann in der Kleinen Mühlenstraße<br />

Nr. 34 versammelten, um in Quakenbrück<br />

auf Initiative des damaligen Seelsorgers der<br />

Kirchengemeinde St. Sylvester, Pastor Wilhelm<br />

Kraemer, einen Evangelischen Arbeiterverein<br />

ins Leben zu rufen.<br />

Wie sah es damals im kaiserlichen Deutschland<br />

aus? Durch das rasante Fortschreiten der<br />

technischen Entwicklung standen die Menschen<br />

unter dem Eindruck einer gewaltigen<br />

gesellschaftlichen und sozialen Umwandlung<br />

des Lebens. Die soziale Sicherung derjenigen<br />

Bürger allerdings, die nicht mehr im Schutz<br />

der Großfamilie standen und sich vielmehr<br />

zunehmend den Fährnissen durch Krankheit,<br />

Alter und Invalidität ausgesetzt sahen, war<br />

demgegenüber ungeklärt.<br />

Die sozialen Fragen blieben ein wesentliches<br />

Element im Wirken des Evangelischen<br />

Arbeitervereins, der sich im Gründungsjahr satzungsgemäß<br />

als „auf dem Boden des evangel.<br />

Bekenntnisses und treuer Vaterlandsliebe“ stehend<br />

bezeichnete. Er bezweckte „die sittliche<br />

und geistige Förderung seiner Mitglieder, das<br />

Verständnis für die sozialen Fragen und Aufgaben,<br />

sowie ein kameradschaftliches Verhältnis<br />

zwischen den Mitgliedern und ein gedeihliches<br />

Verhältnis zwischen Arbeitgebern und<br />

Arbeitnehmern.“ Dass sich die Evangelischen<br />

Arbeitervereine, kurz EAV, nicht nur kirchlichen,<br />

kulturellen und geistigen Interessen zuwandten,<br />

sondern sich zudem als Gegen- und Parallelbewegung<br />

zu den Katholischen Arbeitervereinen<br />

und als „Organisation im Kampf gegen<br />

Marxismus und Sozialismus“ verstanden, steht<br />

auf einem anderen<br />

Blatt.<br />

Bereits am<br />

Gründungsabend<br />

zählte der<br />

Verein schon 59<br />

Mitglieder. Zum<br />

ersten Vorsitzenden<br />

wurde erwartungsgemäß<br />

Pastor Kraemer<br />

gewählt, mit<br />

dessen Namen<br />

bis heute der<br />

eines echten<br />

Seelsorgers für<br />

seine Gemeinde<br />

verknüpft<br />

ist. Neben der<br />

Erfüllung seiner<br />

geistlichen<br />

Pflichten bot<br />

ihm nämlich seine<br />

Tätigkeit auf dem Gebiet des Schulwesens<br />

(er war lange Zeit Orts- und Kreisschulinspektor)<br />

besondere Befriedigung. Fast alle Werke<br />

und Einrichtungen der St. Sylvestergemeinde<br />

sind und bleiben irgendwie mit seinem Namen<br />

verbunden. Nahezu die gesamte Gemeinde<br />

hat in einer persönlichen Beziehung zu ihm<br />

gestanden.<br />

Unterhaltung, Belehrung durch Vorträge,<br />

gegenseitiger Gedankenaustausch sowie<br />

die Pflege „edler Geselligkeit“, das waren die<br />

Hauptkriterien, die sich der Verein auf die Fahne<br />

heftete. So war es sinnvoll, schon kurz nach<br />

der Vereinsgründung den „Vorkämpfer der<br />

Arbeitervereinssache“, Pfarrer Lic. D. Weber aus<br />

Mönchen-Gladbach, einzuladen, der im vollbesetzten<br />

Thöleschen Saal über die Ziele dieser<br />

Bewegung referierte. Pastor Kraemer hob an<br />

22 | mq Ausgabe Herbst <strong>2017</strong>

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