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Taxi Times Berlin - Oktober 2017

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ANTRIEB<br />

FOTO: NOX<br />

ein bisschen so, als hätte Al Capone in schlimmsten Prohibitionszeiten<br />

die „Ehrenwerte Gesellschaft“ zu einem Kongress gegen die<br />

Ausbreitung des Alkoholmissbrauchs eingeladen.<br />

Alle haben gewusst bzw. hätten wissen können, was läuft, auch<br />

ohne aufgeflogene Schummelsoftware und Kartellgekungel. Abgasreduzierung<br />

im Straßenverkehr findet vorwiegend auf dem Papier<br />

statt. Die Abgas- und Verbrauchswerte vom offiziellen Rollenprüfstand<br />

zeigen nur einen Bruchteil der wirklichen Werte im Alltagsgebrauch,<br />

ganz legal. Der Gesetzgeber hat das so eingerichtet.<br />

Die Betriebsgenehmigungen für neue Autos erteilt das Kraftfahrtbundesamt<br />

nach diesen fiktiven Werten, inklusive der ausgedehnten<br />

„Temperaturfenster“, in denen die Abgasreinigung „zum Schutz des<br />

Motors“ abgeschaltet wird. Auch das ist ganz legal. Der Gesetzgeber<br />

hat es so eingerichtet.<br />

Der Vergabe von Umweltplaketten für das Befahren von Umweltzonen<br />

und den Flottenemissionsgrenzwerten, zu denen sich einzelne<br />

Autobauer verpflichtet haben, werden ebenfalls die fiktiven Papierwerte<br />

zugrunde gelegt. Alles legal, alles so eingerichtet.<br />

DIE HEUCHELEI DER POLITIK<br />

Wenn Politik und Verwaltung jetzt über die böse Autoindustrie<br />

lamentieren, die die Gesetzeslücken weidlich ausnutzt, ist das eine<br />

ziemliche Heuchelei. Die Gesetze, die das ermöglichen, haben sich<br />

der Gesetzgeber und die Autolobby in trauter Gemeinsamkeit und<br />

teilweise in Personalunion selbst geschrieben. Hat sich nicht mal<br />

einer stolz „Autokanzler“ genannt? Das war nur einer von zahlreichen<br />

Autoministern.<br />

Vergessen wir nicht, das ganze dient dem Wohle des Volkes, denn<br />

die Autoindustrie ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Deutschland.<br />

Blöd nur, dass das Volkswohl nicht nur im Portemonnaie der<br />

Menschen stattfindet, sondern auch in der Luft, die sie atmen. Und<br />

da versagt die Papierfiktion. Die Einhaltung der Abgasgrenzwerte, zu<br />

der sich auch Deutschland in internationalen Abkommen verpflichtet<br />

hat, wird auf der Straße gemessen und nicht auf dem Rollenprüfstand.<br />

Allein dieser Umstand reicht, um die wackelige Konstruktion aus<br />

schönen Werten auf dem geduldigen Papier zum Einsturz zu bringen.<br />

Der Diesel-Skandal kommt in den Fahrverbotsurteilen gar nicht vor.<br />

Er hat der verfahrenen Situation nur eine neue Dynamik verpasst.<br />

Was nun? Die deutsche Autoindustrie, nicht nur der skandalgeschüttelte<br />

VW-Konzern, hat eilends ein neues Software-Update<br />

für Diesel-PKW versprochen, das die Abgaswerte senken soll. Das<br />

erstaunt, da doch die Autoindustrie zuvor vollkommen im Einklang<br />

mit den Gesetzen war. Kostenpflichtige Verstöße gab es nur in den<br />

USA, wollte man uns weismachen. Außerdem bieten die Autobauer<br />

„Abwrackprämien“ in beachtlicher Höhe für alle gar nicht so alten<br />

Diesel-PKW, wenn man bei ihnen ein neues Auto kauft. Ob diese<br />

neuen Autos dann tatsächlich kaum noch Schadstoffe von sich geben?<br />

Man weiß es nicht. Die Rollenprüfstandwerte sind bestens wie immer.<br />

Wirklich nachgemessen auf der Straße hat schon wieder keiner. Man<br />

muss wohl davon ausgehen, dass die deutschen Autobauer auf Teufel<br />

komm raus weiter mit dem altbewährten Diesel-Motor Geld verdienen<br />

wollen. Das ist wie mit einer alten Taxe, die bezahlt ist.<br />

Sie verdient Geld.<br />

DIESELVERBOTE GEHEN GAR NICHT<br />

Politisch kommt die alte Gangster-Weisheit zum Einsatz: Die Androhung<br />

eines Übels wirkt genau so wie das Übel selbst. Allein die<br />

Diskussion über mögliche Fahrverbote hat schon bewirkt, dass die<br />

Zulassungsrate von Diesel-Pkw in den Keller gehen, dass gebrauchte<br />

Diesel wie Blei bei den Händlern stehen. So kriegt man die Diesel-Rate<br />

runter, ohne sich groß aus dem Fenster zu lehnen. Abwarten nach<br />

der Methode Merkel – damit kann man sogar die Luft verbessern.<br />

Was heißt das für uns, das <strong>Taxi</strong>gewerbe? Sollen wir darauf vertrauen,<br />

dass Frau Merkel auch nach der Wahl keine Fahrverbote<br />

Der öffentliche Druck auf die Bundesregierung wächst.<br />

will? Einiges spricht dafür, dass allgemeine Fahrverbote für Diesel<br />

gar nicht gehen. Ein zusammenbrechendes <strong>Taxi</strong>gewerbe wäre für<br />

die Allgemeinheit vielleicht noch verkraftbar. Aber der Güterverkehr<br />

fährt fast ausschließlich mit Diesel. Versorgung und Entsorgung ist<br />

gegenwärtig ohne Diesel nicht zu machen. Saubere Luft und nichts<br />

zu essen kann keiner wollen. Andererseits können die Gerichte gar<br />

nicht anders, als Fahrverbote zu verfügen, wenn andere Maßnahmen<br />

nicht greifen. Was das für Maßnahmen sein können, wird seit<br />

geraumer Zeit schon auf allerlei Zukunftsforen diskutiert, Stichwort<br />

neue, smarte Mobilität.<br />

Konkret gibt es für uns, das <strong>Taxi</strong>gewerbe, wenig Spielraum. Wer<br />

unbedingt ein neues Auto braucht, ist mit Erdgas und Hybrid halbwegs<br />

sicher. Die Auswahl ist allerdings dünn. Elektro kann noch<br />

nicht das, was wir brauchen, und/oder ist zu teuer. Am besten, wir<br />

machen es wie Frau Merkel: Warten wir’s ab. <br />

wh<br />

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TAXI OKTOBER/ <strong>2017</strong><br />

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