O+P Fluidtechnik 11-12/2017
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ANTRIEBE<br />
EINLEITUNG<br />
Die in der Hydraulik vielfältig eingesetzte Axialkolbenmaschine<br />
weist mehrere Bauteile auf, die sich für die Funktionserfüllung relativ<br />
zu einander bewegen. Eines dieser sich bewegenden Bauteile ist<br />
die Kolbentrommel, die sich in den meisten Ausgestaltungen gegen<br />
einen fixierten Steuerspiegel abstützt, sodass sich ein Kontakt in der<br />
Form eines Axiallagers ergibt. In vielen Fällen wird durch die Kontaktfläche<br />
das zu fördernde Fluid geführt. Hierdurch werden die<br />
Funktionen der Trennung von Hoch- und Niederdruckseite sowie<br />
deren Umsteuerung in den Kontakt integriert. Durch Anpassung<br />
verschiedener Geometrieparameter kann die Anpresskraft der Kolbentrommel<br />
auf den Steuerspiegel eingestellt werden, sodass eine<br />
Abdichtung von Hoch- und Niederdruck in allen Betriebspunkten<br />
gegeben ist. In Bild 1 sind die beschriebenen Bauteile dargestellt.<br />
Das Zusammenführen der drei Funktionen Lagerung, Umsteuerung<br />
sowie Trennung von Hoch- und Niederdruckteil führt zwangsläufig<br />
zu einer Kompromissfindung, die durch verschiedene Aspekte<br />
bestimmt wird. Als Beispiel sei hier die Umsteuerung genannt, die<br />
unter anderem effizient und geräuscharm erfolgen soll. Wird die<br />
Umsteuerung modifiziert, ändern sich Flächenverhältnisse mit<br />
Auswirkung auf die Tragfähigkeit des Axiallagers. Variierende<br />
Betriebspunkte (beispielsweise Druck und Drehzahl) führen zu unterschiedlichen<br />
Druckverläufen und Einflüssen hydrodynamischer<br />
Effekte, die es bei der Auslegung ebenfalls zu berücksichtigen gilt.<br />
Für eine Abschätzung der Sensitivität gegenüber verschiedenen<br />
Modifizierungen wird häufig der Entlastungsgrad herangezogen.<br />
Dieser beschreibt das Verhältnis aus den auf die Kolbentrommel<br />
wirkenden und den aus dem Druckfeld entstehenden Abstützkräften.<br />
Gemäß der Anforderung der Abdichtung von Hoch- und Niederdruckteil<br />
und der Definition der Bezugsgröße des Entlastungsgrades<br />
ergibt sich hier die Forderung nach einem Entlastungsgrad<br />
kleiner 100 %. In diesem Fall sind die auf die Kolbentrommel<br />
wirkenden Kräfte in Summe größer als die entgegenwirkende Kraft,<br />
die aus dem Druckfeld im Kontakt resultiert. Ein Entlastungsgrad<br />
größer 100 % führt zu einem Abheben der Kolbentrommel vom<br />
Steuerspiegel, sodass Fluid aus dem Hochdruckteil entweicht und<br />
als Leckage abgeführt werden muss. Je nach Auslegung führt dies<br />
zu einem Funktionsausfall, da der Hochdruck undefiniert abgebaut<br />
wird. Ein Entlastungsgrad unter 100 % hat Festkörperkontakt zur<br />
Folge, der durch die Kontaktpartner getragen werden muss, sodass<br />
eine Auslegung knapp unter 100 % angestrebt wird.<br />
Die exakte Berechnung des Entlastungsgrades erfordert sowohl<br />
die genaue Kenntnis der angreifenden Kräfte auf die Kolbentrommel<br />
als auch die Kenntnis über das Druckfeld im Kontakt. Da<br />
besonders letzteres analytisch schwer zu berechnen ist, werden in<br />
der Literatur verschiedene Möglichkeiten der Vereinfachung vorgeschlagen.<br />
Es werden vereinfachte Beschreibungen der Druckfelder<br />
und des Druckverlaufes verwendet, diese in Relation gesetzt und<br />
der Entlastungsgrad berechnet. Oftmals werden an dieser Stelle<br />
Kennzeichnungen gewählt, die nur im Zusammenhang mit dem<br />
endgültigen Entlastungsgrad eine physikalische Entsprechung<br />
besitzen und einzeln betrachtet keine korrekte Beschreibung der<br />
Kräfteverhältnisse an der Kolbentrommel liefern.<br />
Um einen Vergleichswert zu erhalten, wird auf ein Simulationsmodell<br />
zurückgegriffen, das eine diskrete Beschreibung der Oberfläche<br />
des Kontaktes bietet und gleichzeitig eine Simulation der<br />
Umsteuervorgänge über der Zeit vollführt. Somit ist eine wesentlich<br />
genauere Beschreibung gegenüber der vereinfachten Berechnung<br />
gegeben und ermöglicht darüber hinaus die Berechnung<br />
des Entlastungsgrades über der Zeit. Das Modell ist Teil des DFG-<br />
Projektes „Simulative und experimentelle Untersuchung des Kontaktes<br />
Kolbentrommel-Steuerspiegel in Axialkolbenmaschinen“<br />
(GE 2616/1-1) und wird in diesem unter anderem für die Berechnung<br />
des Reibmomentes, der Kolbentrommelbewegung und der<br />
Spalthöhenverteilung genutzt.<br />
01<br />
Kolben<br />
Kontaktfläche<br />
Niederdruckniere<br />
Elemente einer Axialkolbeneinheit<br />
BISHERIGE ARBEITEN<br />
Kontaktfläche<br />
Kolbentrommel<br />
Steuerspiegel<br />
Hochdruckniere<br />
Brangs [Bra65], Ivantysn [Iva93], Manring [Man96], [Man00], Jang<br />
[Jan97] und Donders [Don98] stellen in ihren Arbeiten unterschiedliche<br />
Berechnungsmethoden mit jeweils unterschiedlichen Vereinfachungsansätzen<br />
vor, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher<br />
betrachtet und verglichen werden.<br />
In anderen Arbeiten (beispielsweise [Zha00], [Obe02], [Beb03],<br />
[Brä06]) werden die Berechnungen aufgegriffen. Es erfolgt jedoch<br />
kein Vergleich oder eine nähere Erläuterung zu der Auswahl der<br />
jeweiligen Berechnungsmethode.<br />
Schulze Schencking führt in [Sch16] eine detaillierte analytische<br />
Entlastungsberechnung für einen ähnlichen Kontakt durch. Er verfolgt<br />
den Ansatz, die komplexen geometrischen Bedingungen über<br />
einer gesamten Umdrehung aufzulösen. Hierzu wird eine „neutrale<br />
Linie“ definiert, auf der sich die Steuerspiegel- und Kolbentrommelnieren<br />
befinden. Drücke in diesen Nieren werden auf die neutrale<br />
Linie übertragen und zwischen diesen linear interpoliert. In einem<br />
weiteren Schritt wird das Druckprofil unter Berücksichtigung der<br />
radialen Ausdehnung berechnet. In einem Vergleich mit einem<br />
flächendiskretisierten Ansatz zeigen sich Abweichungen der Ergebnisse<br />
im geringen Prozentbereich, sodass diese analytische Lösung<br />
einen geeigneten Ansatz der Berechnung darstellt. Der Aufwand ist<br />
jedoch hoch und auf das spezielle Problem zugeschnitten und wird<br />
daher in dieser Arbeit nicht für einen Vergleich herangezogen.<br />
Achten führt in [Ach06] Untersuchungen bezüglich der Deformation<br />
der Spaltgeometrie in Bezug auf den Druckverlauf und damit<br />
der Tragfähigkeit im beschriebenen Kontakt durch. Für die<br />
Beschreibung dieses Einflusses müssen betriebspunkt- und einheitenspezifische<br />
Kenngrößen bekannt und definiert sein, sodass ein<br />
objektiver Vergleich nicht möglich ist und daher in dieser Arbeit<br />
nicht betrachtet wird.<br />
In vielen weiteren Arbeiten werden die Kräfte auf die Kolbentrommel<br />
beschrieben, jedoch kein Bezug zwischen den entlastenden<br />
und belastenden Kräften hergestellt und demnach auch kein<br />
Entlastungsgrad definiert.<br />
THEORETISCHER HINTERGRUND DER<br />
ANALYTISCHEN BERECHNUNG<br />
Drehrichtung im<br />
Pumpbetrieb<br />
Bild 2 zeigt an einer auf das Wesentliche reduzierten Kolbentrommelgeometrie<br />
die zur Berechnung der Kräftebilanz erforderlichen<br />
Flächen und Bezeichnungen.<br />
Die Summe der andrückenden Kräfte (F Belastung<br />
) ergibt sich je nach<br />
Detaillierungsgrad der Betrachtung aus Reibungs-, Massen-, Vorspannungs-<br />
und Druckkräften. Gleichgewichtshaltende Kräfte<br />
(F Belastung<br />
) resultieren aus dem Fluiddruckfeld im Kontakt, Festkörpertraganteilen<br />
sowie komplexen Wechselwirkungen wie beispielsweise<br />
der Kolbenreibung.<br />
<strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2017</strong> 61