CARE_IV_Auszug

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24 <strong>CARE</strong> | Edition 4
DOSSIER Wir schreiben Bettgeschichte Schlaf sei der neue Sex, behauptet die Futurologin Marian Salzman. Bekannt geworden ist die Amerikanerin, weil sie für aufs Äußere bedachte Männer wie David Beckham den Begriff „metrosexuell“ erfunden hat. Ihr neues Steckenpferd sind Nächte, in denen nicht mehr Lust als Nonplusultra gilt, sondern Entspannung Früher hat es überall geklappt: gern mal ein Stündchen zwischen den Vorlesungen an der Uni oder im Urlaub auf einer Isomatte irgendwo in der Pampa. Plötzlich aber ist Schlafen zu einem oft unerfreulichen Thema geworden. Liegt es daran, dass wir zu alt sind oder zu beschäftigt? Es gibt so vieles, was wichtiger scheint und erledigt werden will. Wie das Checken der neuesten Facebook-Posts vor dem Schlafengehen oder das Skypen mit der Freundin in den USA. Dabei trinken wir ein schönes Glas Rotwein, oder auch zwei, und gehen davon aus, dass es uns selig schlummern lässt, wenn wir erschöpft in die Kissen fallen. Und zur Not gucken wir „Game of Thrones“, statt uns von links nach rechts zu drehen und dann wieder zurück. Schlaf ist zu einem begehrten und knappen Gut mutiert. Vor 100 Jahren schliefen die Menschen im Schnitt neun Stunden, vor 20 Jahren waren es noch mehr als acht, heute sind es sieben – und dabei ist der Urlaubs- und Wochenendschlaf mit eingerechnet. Mit unserer 24-Stunden-Gesellschaft werden wir schlaflos. Eine Nacht durchzuarbeiten gilt als Beweis besonderer Leistungsfähigkeit, bis tief in die Nacht auszugehen als Bohemian-Lifestyle. Wer will schließlich das Leben verpennen? Die dauernde Ruhelosigkeit fordert allerdings ihren Tribut: Wir verlernen zu schlafen. Die Zahl der Schlafkliniken in den USA hat sich zwischen 2000 und 2015 verdreifacht, gleichzeitig kamen immer raffiniertere Schlummer-Gadgets auf den Markt. Wer möchte, könnte zum Beispiel für 6000 Euro in Sleep Numbers „360 Smart Bed“ investieren. Sensoren erfassen alle Bewegungen und jede Vibration, die beim Schnarchen entsteht. Wenn nötig, gibt die Matratze so lange Impulse, bis sich der Schläfer wieder in Richtung REM-Phase begibt. Foto: Dean Drobot/Shutterstock.com Sich mit solchen Gadgets seligen Schlaf zu erarbeiten, ist hip. Wenn der Kollege die Frage „Gut geschlafen?“ beantwortet mit „Ja, wir haben jetzt Rohseidenbettwäsche und dazu die Eiderdaunendecke und das Boxspringbett … Wahnsinn!“, dann erntet er bewundernde Blicke. „Schlaf ist ein Statussymbol geworden“, sagt die US-Forscherin Marian Salzman. Früher drehten sich Bettgeschichten ja weniger um die Tiefschlafphase – da wurden die Laken zwar auch zerwühlt, aber nicht allein. Diverse Studien und Berichte von Paartherapeuten deuten allerdings darauf hin, dass man auch zu zweit Betten seltener aus wilder Lust verwüstet. Anders als die potenten 68er bevorzugen deren Kinder und Enkel offensichtlich Kuschelsex. Das zumindest ergeben besagte Studien, die zugleich Stress als den Lustkiller Nummer eins überführen. Also: double income – no sex? Keine Sorge: Die Lust auf Sex kommt, wenn das parasympathische Nervensystem aktiviert ist. Dazu braucht es Zeit und Entspannung. Wenn wir die Handys ausschalten und uns in ein warmes Bett kuscheln, können die Laken morgens also aus einem schönen Grund zerknittert sein. ¾ <strong>CARE</strong> | Edition 4 25
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