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CARE_IV_Auszug

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INTERVIEW<br />

WHO IS WHO?<br />

SECHS GÄSTE AUF UNSERER HAUT<br />

STAPHYLOCOCCUS EPIDERMIDIS:<br />

reichlich vorhandener<br />

Keim auf der Haut, kann<br />

bei Gefahr antimikrobielle<br />

Peptide produzieren.<br />

LAKTOBAZILLUS:<br />

antimikrobiell wirksam,<br />

schützt die Haut, indem es<br />

das Wachstum von Krankheitserregern<br />

limitiert.<br />

CORYNEBAKTERIEN:<br />

schützen die Epidermis vor<br />

Superoxid-Radikalen,<br />

kontrollieren daher<br />

oxidative Schäden der Haut.<br />

PROPIONIBAKTERIEN:<br />

kolonisieren auch gesunde<br />

Haut, erst bei übermäßigem<br />

Wachstum an der Entstehung<br />

von Akne beteiligt.<br />

STREPTOKOKKEN:<br />

schützen das Epithel, fördern<br />

u. a. die Wundheilung<br />

durch Anregung der Wanderung<br />

von Keratinozyten.<br />

PSEUDOMONAS:<br />

Spaltprodukte dieses –<br />

übrigens allgegenwärtigen –<br />

Keims können schützende<br />

Eigenschaften haben.<br />

Haben wir alle eine Standardbesiedlung<br />

oder gibt es individuelle<br />

Unterschiede?<br />

SG: Die genaue Zusammensetzung<br />

des Mikrobioms variiert zwischen Individuen,<br />

und es gibt gewisse Variationen<br />

zwischen den Geschlechtern. Insgesamt<br />

ist das Mikrobiom alles<br />

andere als statisch, es unterliegt starken<br />

zeitlichen Schwankungen, und es<br />

variiert an verschiedenen Körperstellen.<br />

Interessanterweise sind die Unterschiede<br />

von Körperregion zu Körperregion<br />

bei einer Person größer als<br />

zwischen den einzelnen Menschen.<br />

Habe ich am Hals also völlig andere<br />

Keime als am Bauch?<br />

SG: Die meisten Areale unserer Haut<br />

sind besiedelt von Staphylokokken<br />

und Streptokokken. In talgreichen<br />

Zonen findet man mehr Propioniund<br />

Corynebakterien, feuchte Hautstellen<br />

wie die Achsel werden von<br />

Staphylokokken und Corynebakterien<br />

bevorzugt. Trockene Areale hingegen,<br />

wie der Hals, beherbergen<br />

überproportional die Gattung Acinetobacter<br />

– ansonsten herrscht<br />

hier die größte Vielfalt an Bakterien.<br />

„Als Dank macht das<br />

Mikrobiom den Türsteher“<br />

Die Dermatologin Yael Adler hat es mit ihrem Buch „Hautnah“<br />

(Droemer, 16,66 Euro) wochenlang auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft.<br />

Als kleine Kostprobe: ihre besonders lebendige Beschreibung des Mikrobioms<br />

„Dass der pH-Wert der Haut so wichtig ist, hat mit den vielen Organismen zu tun,<br />

die auf ihr leben. Unsere Haut ist nämlich ein hartes Pflaster. Hier wird nicht geschmust,<br />

gefeiert oder gekuschelt, hier herrscht Straßenkampf. Konkurrierende Clans<br />

und Gangs aus Viren, Hefepilzen, Milben und mehrere Hundert bis Tausend<br />

Bakteriensorten halten sich permanent gegenseitig auf Trab und in Schach. (…)<br />

Normalerweise lösen die Mikrobiom-Gäste unserer Haut keinen Krawall aus,<br />

weil sich die Clans gegenseitig kontrollieren und an einer einseitigen Machtübernahme<br />

hindern. Die Haut dient dem Mikrobiom als Wirt – und die Säuren darauf sorgen<br />

für ein gutes Klima und eine gute Bodenbeschaffenheit. Bis zu mehreren Millionen<br />

Kurzzeit- und Dauergästen pro Quadratzentimeter bietet unsere Haut Platz.<br />

Als Dank macht das Mikrobiom den Türsteher.“<br />

Beeinflusst das Mikrobiom die<br />

Hautgesundheit?<br />

SG: Und ob! Zusammen mit der<br />

Hornschicht bildet das intakte Mikrobiom<br />

ein Schutzschild gegen Angriffe.<br />

Verändert sich die normale<br />

Flora, wird das empfindliche Gleichgewicht<br />

des Hautmikrobioms gestört.<br />

Ein Übermaß an Propionibakterien<br />

löst zum Beispiel u. a. im<br />

Zusammenspiel mit übermäßiger<br />

Verhornung und Talgproduktion<br />

Akne aus. Wir wissen ebenfalls, dass<br />

sich bei Schuppenflechte infolge der<br />

komplexen Entzündungskette bei<br />

dieser Krankheit das Mikrobiom verändert<br />

und dass bei Neurodermitis<br />

eine generelle Artenarmut mit einem<br />

Übermaß an Staphylococcus<br />

aureus vorherrscht.<br />

Wie kommt es zu solchen Störungen<br />

des Mikrobioms?<br />

SG: Dies geschieht bei einer kurzfristigen<br />

Besiedlung mit äußeren Eindringlingen<br />

oder wenn Mikroorganismen<br />

Konkurrenz aus der eigenen<br />

Spezies bekommen. Auch falsches<br />

Hygieneverhalten, Ernährung, Verletzungen,<br />

UV-Licht, Therapien mit Arzneimitteln<br />

wie Antibiotika, Bestrahlungen<br />

oder unsachgemäße Kosmetikprodukte<br />

tragen zum Ungleichgewicht<br />

des Hautmikrobioms bei.<br />

Fotos: Kateryna Kon/Shutterstock.com, royaltystockphoto.com/Shutterstock.com, Maxx-Studio/Shutterstock.com<br />

40 <strong>CARE</strong> | Edition 4

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