2008-03
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Stadtgeschichte<br />
Elisabeth-Koch-Tochter aus „Kochs Ecke“ wurde 100<br />
Neubeginn nach der Zerstörung vom April 1945<br />
Als Elisabeth Koch am 5. Juli in einer Pferdekutsche<br />
zur Feier ihres hundertsten Geburtstags vor dem Restaurant<br />
Pfeffermühle vorfuhr, wussten nur wenige aus der großen<br />
Zahl der geladenen Gäste, dass die Jubilarin besondere<br />
Erinnerungen mit von Pferden gezogenen Wagen verbindet.<br />
Ihr Geburtshaus an Kochs Ecke, dem Verkehrsknotenpunkt,<br />
der den Namen der Siegener Familie<br />
trägt, wurde 1854 vom Erbauer Karl Koch als<br />
Gasthof mit Bäckerei, aber damals auch als Pferdeumspann<br />
konzipiert. Im Intelligenzblatt vom 12. September 1854<br />
kündigt er den Umzug „in das von mir neu erbaute Haus“<br />
an, und bittet um „geneigten Zuspruch“. Die Fuhrleute, die<br />
ihre Ware über die Landesgrenze transportierten, waren in<br />
den ersten Jahren des Betriebs Stammgäste an der Theke,<br />
während ihre Tiere sich im Stall erholten.<br />
Nachdem im April 1945, zwei Wochen vor Kriegsende,<br />
ein Bombenangriff auf Siegen das Haus mit Gasthof und<br />
Bäckerei zu Schutt und Asche verwandelt hatte, richteten<br />
die Kochs im noch erhaltenen Pferdestall ein Übergangsquartier,<br />
die sogenannte „Futterkrippe“, für ihre Gäste ein,<br />
während auf dem Grundstück der Wiederaufbau begann.<br />
Vor der echten Futterkrippe mit den eisernen Ringen, an<br />
denen früher die Gäule angekettet wurden, standen helle<br />
Holztische, Stalllaternen spendeten behagliches Licht. Es<br />
ging wieder aufwärts.<br />
Zum hundertjährigen Jubiläum von Elisabeth Koch zeigte<br />
eine von den Angehörigen liebevoll zusammengestellte<br />
Diaschau in Schlaglichtern die wechselvollen Stationen im<br />
Leben der Zeitzeugin durch ihr Jahrhundert, zugleich mit<br />
Hintergrund der Lokal- und Familiengeschichte.<br />
Die Chronik der Familie Koch führt über zehn Generationen<br />
zurück in die Zeit des dreißigjährigen Krieges und<br />
ist eingebettet in fünf Jahrhunderte. Es sind nicht nur die<br />
großen Denker, Vollender und Verwandler, die am Gesicht<br />
ihres Jahrhunderts feilen. Das Heer der regierten „kleinen<br />
Kochs Ecke heute<br />
Leute“, die Handwerker, Kaufleute, Landsknechte, Arbeiter<br />
und Bauern, zimmerten prägend mit am Zeitbild mit<br />
ihren Geschicken, Gefühlen, Gedanken und Taten.<br />
1649 erwirbt der Schuhmacher Henrich Koch aus „bach“,<br />
als künftiger „Gaffelknecht“ mit seiner Unterschrift und<br />
einem Obolus das Bürgerrecht der Stadt Siegen, mit dem<br />
die Bürgergeschichte der Handwerkerfamilie Koch beginnt.<br />
1650 ist sein Name in der Schuhmacherzunft zu finden, der<br />
vornehmen Bruderschaft, die als einzige unter den Zünften<br />
über ein eigenes Haus, die sogenannte Gaffel verfügte.<br />
Das wirtschaftliche Leben stand noch im 17. Jahrhundert<br />
zur Zeit der unbeschränkten Fürstenherrschaft ganz<br />
unter dem Einfluss der Zünfte, die ihrerseits von den strengen<br />
Verordnungen der Landesregierung abhängig waren.<br />
Mit seinen konfessionell zerstrittenen Linien bot das<br />
Fürstentum das typische Bild deutscher Kleinstaaterei. So<br />
stand die Stadt Siegen, auch mit den Ortschaften Vor dem<br />
Hain, Sieghütte und Hammerhütte, unter dem Diktat dieser<br />
Gesetze. Ein Blick auf die Verordnungen und Vorschriften<br />
aus „nassauischen und teutschen Ländern ottonischer<br />
Linie“ zeigt auf, welchen erniedrigenden Zwängen sich die<br />
Untertanen unterwerfen sollten.<br />
Was Henrich Koch, der bis zu seinem Tod drei Mal<br />
verheiratet war, bei Gesetzesverstößen „Erschreckliches“<br />
zu befürchten hatte, zeigt eine Rechtsverordnung aus dem<br />
17. Jahrhundert. Da heißt es unmissverständlich: „Wegen<br />
Ehebruchs mit einer Ehefrau soll die Mannsperson mit<br />
dem Schwerte oder Wasser hingerichtet werden.“ Heute<br />
geschieht Ähnliches höchstens in Eigeninitiative, zum<br />
Beispiel wenn ein betrogener Partner mit einem rächenden<br />
Messerstich Selbstjustiz übt. Der Staat hält sich da raus.<br />
Auch beruflich drohten den Bürgern bei Gesetzesverstößen<br />
harte Strafen. Die Wirte brauten ihr Bier selbst<br />
unter strenger Kontrolle von Bürgermeister und Rat. Der<br />
bei Weinproben geschätzte Wert wurde an die Türpfosten<br />
12 durchblick 3/<strong>2008</strong>