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2010-04

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Wie uns ein Schwein das Schlachtfest<br />

versauen wollte<br />

Erzählung über eine ereignisreiche Hausschlachtung<br />

zu Beginn der fünfziger Jahre<br />

wagte ich zu sagen und erntete für mein vorlautes Mund-<br />

anstarrte. „Opa, guck mal, dieses Säuchen sieht gut aus“,<br />

werk einen dermaßen vernichtenden Blick des Großvaters,<br />

dass ich fortan lieber schwieg. „Der Junge hat Ahnung“,<br />

V<br />

on unserem Fenster zum Hof konnte man nicht meinte freilich der schmunzelnde Händler. „Hat er nicht!<br />

nur diesen überblicken, sondern das Gesichtsfeld Deine Hungerleider sind doch alle viel zu kurz geraten.<br />

reichte über die Hauptverkehrsstraße bis hin zum Du solltest dich schämen, mit solch krüppeligem Viehzeug<br />

fast 100 Meter entfernten Bach und sogar noch über diesen hier aufzukreuzen. Was sollen die Missgestalten denn kosten?“<br />

Der Beel nannte einen Preis, der ein lautes Gelächter<br />

hinaus. Unumschränkte Regentin über das Fenster zum<br />

Hof war die Großmutter. Mit ihrem Handarbeitszeug saß meines Großvaters hervorlockte: „Bist du denn narrisch?!<br />

sie hinter den Scheiben und weil sie ihre Häkel- und Strickbewegungen<br />

weitgehend auswendig be-<br />

Meinst du, wir schwimmen im Geld?! Das ist doch nicht zu<br />

herrschte, konnte sie beinahe unentwegt<br />

ihre Blicke nach draußen richten. Und<br />

so darf ich mit Fug und Recht behaupten,<br />

dass ihr nichts entging. Ob Schäfers<br />

anstatt mit den üblichen zwölf Broten<br />

diesmal nur mit elf auf ihrer Schubkarre<br />

zum Backhaus unterwegs gewesen waren,<br />

ob sich Meiers Luise mitten in der<br />

Woche mit einem neuen Kleid auf den<br />

Schulweg begeben hatte oder ob Nachbars<br />

Katze dreimal an einem Tag mit<br />

einer Maus im Maul heimkehrte – die<br />

Großmutter erspähte alle wichtigen Dinge<br />

und an den zumeist unerhörten Neuigkeiten<br />

von mitunter durchaus weltgeschichtlichem<br />

Rang ließ sie abends ihre<br />

Familie teilhaben.<br />

Die Ferkel, ein Gewimel in hellrosa, liefern laut quiekend hin und her.<br />

Es war also kein Wunder, dass sie an<br />

einem kalten Januarmorgen weit und breit<br />

als Erste beobachtete, dass der Ferkelhändler im Ort auftauchte.<br />

„Richard, der Beel ist da!“, rief sie mit schriller Palaver wurden die beiden sich endlich doch noch einig und<br />

bezahlen!“ Nach weiterem Hin und Her und mächtig viel<br />

Stimme und weil ihr Richard nicht gleich reagierte, wiederholte<br />

sie die wenigen Worte – nun aber so kräftig, dass Großvater kaufte zwei Ferkel für etwas mehr als hundert<br />

schlugen sich gegenseitig in die ausgestreckten Hände. Der<br />

ihr Angetrauter mit hastigen Schritten ins Zimmer stürmte Mark und ich durfte eines davon zum Stall tragen.<br />

und sich am Fenster zum Hof von der Richtigkeit der Beobachtung<br />

überzeugte. Danach schritt er eilends ins Schlaftüre<br />

eine geschosshohe Steintreppe, die überaus breit war.<br />

Wegen der Hanglage unseres Hauses führte zur Hauszimmer,<br />

steckte sich einige Geldscheine ein, nahm wortlos Die ungewöhnliche Abmessung hatte einen Grund, denn<br />

die unmissverständliche Weisung entgegen: „Bring bloß unterhalb dieser Treppe befand sich der mit einer Holztüre<br />

abgeriegelte Schweinestall. Unmittelbar hinter diesem<br />

was Vernünftiges mit!“, und zog mit mir im Schlepptau los.<br />

Auf der Ladefläche von Beels Lastauto herrschte ein Eingang befand sich eine zweite Türe, aus eisernen Gitterstäben<br />

gefertigt und ebenfalls mit Scharnieren und Riegeln<br />

ungeheures Gewimmel. Mehrere Dutzend Ferkel liefen<br />

laut quiekend hin und her – ein Gewimmel in Hellrosa. versehen. In der wärmeren Jahreszeit stand die Holztüre<br />

„Nur beste Qualität!“, rief uns der Beel, dessen grauer durchweg offen und jeder, der am Haus vorbeiging, konnte<br />

somit die Fortschritte bei der Mästung der Borstentiere<br />

Kittel trotz der Kälte nicht zugeknöpft war, aufmunternd<br />

zu. Der Großvater verzog keine Miene, ging einmal um beobachten. Diese indes konnten ihrerseits zwischen den<br />

die Ladefläche herum, kam wieder zurück und knurrte: Gitterstäben hindurch den Blick auf den Hof bis zum Bach<br />

„Nichts Vernünftiges dabei.“ Dieser Meinung war ich nicht, und sogar noch darüber hinaus genießen – nur eine Etage<br />

zumal mich eines der Ferkel mit großen Augen neugierig tiefer als die Großmutter.<br />

2 Fotos: www.Fotolia.de<br />

Unterhaltung<br />

50 durchblick 4/<strong>2010</strong>

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