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NEUMANN März 2018

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KULTUR Theater<br />

33<br />

Grund“. „Obwohl das überhaupt nicht in dem Stück<br />

steckt, hatte ich sofort Bilder von Plastikbooten auf<br />

dem Mittelmeer vor Augen“, sagt Brauch.<br />

Der Regisseur will seinem Publikum aber keinesfalls<br />

die Assoziationen vorgeben und schon gar nicht<br />

moralisieren. „Wir werden kein Erhobenes-Zeigefinger-Theater<br />

machen“, verspricht der 40-Jährige.<br />

Vielmehr möchte er dem Publikum die Chance<br />

geben, eigene Bilder zu entwickeln – diese können<br />

sich mal exakt mit Haydn doppeln und mal auch<br />

ganz weit weg von ihm sein. „Rätselschwanger“ –<br />

ein Adjektiv, das Brauch im Grimmschen Wörterbuch<br />

gefunden hat – soll die Inszenierung werden.<br />

„Ich wünsche mir, dass es viele assoziative Bilder<br />

gibt, die aber nicht immer selbsterklärend sind,<br />

sondern die der Zuschauer mit seiner eigenen Fantasie<br />

anfüllen kann“, sagt Brauch.<br />

Die Inszenierung geizt weder mit opulenten Bildern<br />

noch mit witzigen Einfällen – und schon gar nicht<br />

mit wohl gesetzten Brüchen. „Einen Sehnsuchtsmoment<br />

zu heiler großer Natur zu schaffen, der<br />

am Ende zerstört wird, ist einfach spannend“, sagt<br />

Brauch. So habe er versucht, zu jeder Jahreszeit ein<br />

Mini-Drama zu entwickeln. Angefangen mit einer<br />

Welt, die noch irgendwo mit der Natur verbunden<br />

ist – und diese Verbindungen dann mit der Zeit<br />

kappen. Das kann mit groteskem Humor geschehen,<br />

wie im Sommerblock, der eine völlig überkapitalisierte<br />

Plastikwelt zeigt, oder mittels einer Wettersatellitin,<br />

die als außerirdische Besucherin über die<br />

Köpfe der Zuschauer im Saal schwebt und versucht<br />

unsere Welt durch das, was sie von außen empfängt,<br />

zu verstehen. So funkt die Satellitin erst blendende<br />

Wetternachrichten von den zehn Lieblingsreisezielen<br />

der Deutschen, in die sich dann aber nach und<br />

nach Nachrichten von realen Naturkatastrophen<br />

aus den vergangenen zwei Jahren mischen.<br />

Auch in Hydns Musik hat Axel Brauch einen Bruch<br />

eingebaut, indem er sie um elektronische Klänge<br />

erweitert hat, die von der Satellitin ausgestrahlt<br />

werden. Komponiert und produziert hat diese elektronische<br />

Musik Vincent Wikström. „Haydens Musik<br />

taucht an ganz vielen Stellen in der Elektronik auf –<br />

teilweise jedoch bis zur Unkenntlichkeit verfremdet,<br />

teilweise aber auch ganz explizit“, sagt der 30-Jährige.<br />

Vorbild dafür waren die Voyager Golden Records<br />

und die Frage, was würde passieren, wenn die Sonde<br />

tatsächlich irgendwann Außerirdische erreicht. Wie<br />

würden diese die Informationen, die wir ins All geschickt<br />

haben, verstehen und verarbeiten?<br />

Mehr als 300 Menschen sind an der Musiktheaterinszenierung<br />

insgesamt beteiligt. Davon entfallen<br />

alleine 125 Sängerinnen und Sänger des Stadtverbandes<br />

der Gesangs- und Musikvereine Ludwigsburg<br />

auf den großen Chor. Hinzu kommt ein Bewegungschor<br />

mit 45 Personen, der sich fast komplett aus der<br />

Kantorei der Karlshöhe speist. Darüber hinaus gibt<br />

es noch die Tänzerinnen und Tänzer des Jugendensembles<br />

und der Projekttanzgruppe der Kunstschule<br />

Labyrinth mit seiner Choreografin Karoline Buchta<br />

sowie das Altentanztheater-Ensembles Zartbitter<br />

samt Choreografin Lisa Thomas. Nicht vergessen<br />

darf man natürlich das Sinfonieorchester Ludwigsburg,<br />

das den Klangteppich ausbreitet, auf dem sich<br />

die Tänzer und Chöre austoben dürfen. Diese alle<br />

unter einen Hut zu bekommen und die Proben zu<br />

organisieren ist eine logistische Meisterleistung.<br />

„Das ist schon ein Wahnsinn“, sagt Brauch. „Darum<br />

nennen wir unseren Probenplan auch liebevoll die<br />

Steuererklärung. In der Größe, wie wir Musiktheater<br />

machen, das ist einzigartig in Deutschland.“<br />

Ist es bei diesem Riesenaufwand nicht schade, dass<br />

„Die Jahreszeiten“ nur fünfmal gespielt werden?<br />

Nein, findet der Theatermacher. „Ich schätze am<br />

Theater, dass es vergänglich ist“, sagt Brauch. Vielmehr<br />

finde er es schön, dass es etwas Spezielles an<br />

einem speziellen Ort nur für eine gewisse Zeit zu<br />

sehen gibt. „Das hat eine gewisse Vorstellung von<br />

Kunst, die ich mag. Denn, wenn ich die Jahreszeiten<br />

an diesen fünf Abenden nicht gesehen habe, werde<br />

ich es nie mehr zu sehen kriegen.“ hab<br />

DIE JAHRESZEITEN Musiktheater nach Joseph Haydn<br />

15., 16., 18., 24. & 25.03. | 19.30 Uhr | Forum am<br />

Schlosspark | Ludwigsburg | forum.ludwigsburg.de<br />

Fotos: Foto: u. Lili Weiss<br />

<strong>März</strong> <strong>2018</strong>

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