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Der Burgbote 1984 (Jahrgang 64)

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Für Freunde<br />

geschrieben<br />

Wenn Steine reden!<br />

Eine Fabel über unsere<br />

Domfiale<br />

Vorwort<br />

Es wird Sie verwundern, daß<br />

Ich über ein vermeintlich totes<br />

Gestein zu fabuiieren versuche.<br />

Alie ihnen bekannten Verfasser<br />

von Fbbein, wie z.B. Äsop, La<br />

Fontaine, Geiiert, Lessing - um<br />

einige der bedeutendsten<br />

Schöpfer dieser Schreibgattung<br />

zu benennen - haben sich ausschiießiich<br />

mit Tieren (Lupus in<br />

fabuia, Le corbeau et ie renard)<br />

beschäftigt Die uns in Fäbein<br />

vorgesteiiten Tiere reagieren<br />

und verhaiten sich wie Men<br />

schen. Diese Fehideutungen tie<br />

rischen Verhaitens werden<br />

heutzutage in Zeichentrickfiimen<br />

fortgesetzt. Die Vermenschiichung<br />

tierischen Han<br />

deins führt vornehmlich bei Kin<br />

dern, wenn diese mit den Gege<br />

benheiten konfrontiert werden,<br />

zu herben Enttäuschungen.<br />

Raubtiere sind eben keine<br />

Schmusekater,<br />

Angeblich wissenschaftlich<br />

verbrämte Untersuchungen<br />

tierischen und pflanzlichen Le<br />

bens auf diesem Planeten las<br />

sen oft schon In ihren Ansätzen<br />

erkennen, daß Ffagen und Ant<br />

worten aus einer zu sehr auf<br />

den Menschen bezogenen Ecke<br />

kommen. Unser Denken und<br />

Handein ist ieider überwiegend<br />

auf den Nutzen oder Schaden<br />

von Tiergattungen und Pflan<br />

zenarten fixiert. Tiere, die sich<br />

ihre angeborenen Eigenheiten<br />

nicht haben nehmen lassen und<br />

dem Eingespanntsein in<br />

menschliche Verfahrensabläufe<br />

hartnäckig, ja sogar störrisch<br />

widerstehen, gelten als dumm,<br />

wenn nicht als lebensunwert.<br />

Tiere aber, die sich wiiiig der ver<br />

menschlichten Welt unterwer<br />

fen, genießen vieierlei Formen<br />

der Zuwendung.<br />

Wir wissen inzwischen, daß<br />

Tiere sich sehr wohl artikulieren<br />

können, wenn es z. B. um Wohl<br />

behagen, Ffeude, Angst, Kamp<br />

fesmut, Unterwerfung und<br />

Fortpflanzung geht. Neben dem<br />

angeborenen Instinkt sind viele<br />

Tierarten in erstaunlichem Um<br />

fange lernfähig. Sie bedienen<br />

sich vieler Listen und Schliche,<br />

um an ihnen vorenthaltene Lekkerblssen<br />

zu gelangen.<br />

Und da sollte es kein Mehr ge<br />

ben? Wir wissen heute, daß<br />

Tiere Tbnfrequenzen hören und<br />

produzieren, die unseren<br />

schwach entwickelten Sinnes<br />

organen nicht zugängig sind.<br />

Erst wenn es den elektroni<br />

schen Meßgeräten geiingt,<br />

diese Slgnaie nicht nur aufzu<br />

nehmen, sondern auch zu deu<br />

ten, werden wir am Anfang<br />

ganz neuer Erkenntnisse ste<br />

hen und - vielleicht sogar be<br />

schämt - eingestehen müssen,<br />

daß viele Lebewesen dieses Er<br />

denkreises nicht nur seelenlose<br />

Sachen sind.<br />

Die Welt der Pflanzen erschien<br />

bisiang stumm und aussageun<br />

fähig. In einer wissenschaftli<br />

chen Untersuchung belegen<br />

nunmehr anerkannte Forscher<br />

nach nahezu vierjährigen Arbei<br />

ten, daß Bäume miteinander<br />

sprechen. So warnen sich Wei<br />

den und Erlen untereinander<br />

bei Insektenüberfällen. Attakklerte<br />

Bäume lassen eine che<br />

mische Flüssigkeit in die Luft<br />

ab, mit der andere Bäume auf<br />

gefordert werden, sich verteidi<br />

gungsbereit zu machen. <strong>Der</strong><br />

von den Blättern der so mobili<br />

sierten Bäume abgesonderte<br />

Stoff wird den angreifenden In<br />

sekten zum Verhängnis. Nach<br />

dem Genuß dieser Abwehr<br />

stoffe verlieren sie Jede Vitali<br />

tät, überleben die nächste ein<br />

tretende Abkühlung nicht und<br />

büßen ihre Widerstandskraft<br />

gegen einfachste Bakterien ein.<br />

Sicher werden Sie Jetzt auch<br />

anjene fleischfressenden Pflan<br />

zen erinnert, die mit vielerlei<br />

Fängvorrichtungen zum Anlokken.<br />

Festhalten und Aufwei<br />

chen von Insekten, Spinnen und<br />

sogar Klelntleren ausgerüstet<br />

sind. Sie bedienen sich dabei<br />

vielerlei Listen, um sich der<br />

Beute zu bemächtigen, Lokkende<br />

Färben und betörende<br />

Gerüche verführen die ah<br />

nungslosen Opfer zum Naschen.<br />

Doch auf sie warten Leimruten,<br />

Klappfallen und Fällgruben, aus<br />

deren Umstrickung es kein Ent<br />

rinnen gibt. Mit ihren Drüsen<br />

sind diese „Pflanzen" zu einer<br />

eiweißabbauenden biochemi<br />

schen Umwandlung befähigt,<br />

die Beutetiere verdaulich<br />

macht. Die nicht verwertbaren<br />

Reste werden anschließend<br />

ausgeschieden. Könnte es nicht<br />

auch sein, daß es sich bei diesen<br />

sogenannten Pflanzen um ver-

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