Ich bin nicht Melanie Meiler
Ich bin nicht Melanie Meiler
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<strong>Ich</strong> <strong>bin</strong> <strong>nicht</strong> Melania <strong>Meiler</strong>!<br />
Sie lacht.<br />
Erwarten Sie aber bloss <strong>nicht</strong>, dass ich Ihnen jetzt<br />
häppchenweise Einzelheiten aus meinem gescheiterten<br />
Leben ausplaudere, als wären wir in einem der unsäglichen<br />
Theaterstücke meines leider, leider verstorbenen<br />
österreichischen Kollegen Thomas Bernhard und<br />
<strong>nicht</strong> in einer gediegenen Buchhandlung an einer<br />
Lesung, die <strong>nicht</strong> stattfinden kann, weil Sie lediglich zu<br />
viert erscheinen, möglicherweise sogar in der bösen<br />
Absicht, mir hier nun auch öffentlich mein eigenes<br />
Scheitern vorzuführen. Aber ich <strong>bin</strong> <strong>nicht</strong> verantwortlich<br />
für die zunehmend ungenügende Öffentlichkeitsarbeit<br />
meines Verlages. <strong>Ich</strong> kann <strong>nicht</strong>s dafür, dass in<br />
der um sich greifenden Sparwut plötzlich keine Inserate<br />
mehr plaziert werden. Ausser dem Hinweis zum<br />
Titelschutz auch im Börsenblatt <strong>nicht</strong>s, gar <strong>nicht</strong>s. Und<br />
seit Wochen warte ich auf das Erscheinen des angekündigten<br />
Artikels im «Stern»… Das war zwischen<br />
Verlag und Redaktion sozusagen eine ausgemachte<br />
Sache, dadurch hätte sich auch der Verkauf… Wohl ist<br />
die zweite Auflage bereits gedruckt, die erste war aber<br />
aus Vorsichtsgründen derart klein kalkuliert… Fast<br />
kleinlich, müsste ich hinzufügen… Kann ich denn<br />
etwas dafür, dass Bücher, alle Bücher täglich weniger<br />
gefragt sind? <strong>Ich</strong> habe mir diesen Beruf doch <strong>nicht</strong><br />
ausgewählt. Wie käme ich dazu, mich freiwillig für das<br />
unrentable Geschäft einer Schriftstellerin zu entscheiden?<br />
Sie glauben doch <strong>nicht</strong> etwa, so etwas werde eine<br />
kluge Frau wie ich aus freien Stücken? Auch bei meiner<br />
letzten Lesung, vorige Woche in Amsoldingen,<br />
meinte man mich ja darauf ansprechen zu müssen. Einer<br />
öffentlich auftretenden Schriftstellerin dürfen bekanntlich<br />
die unangebrachtesten Fragen gestellt werden.<br />
© Teaterverlag Elgg in Belp.<br />
Kein Bearbeitungs- und Kopierrecht.<br />
Kein Aufführungsrecht.<br />
Sie geht zu einem Regal, zielsicher ergreift sie ein<br />
Buch und schlägt es auf.<br />
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