Der Heidelberger Leon Emanuel Blanck rebelliert gegen die Regeln einer ganzen Branche. Statt Trends folgen seine Schnitte der Körperbewegung. Ein Besuch in seinem Untergrund-Atelier. Text: Simon Michaelis, Fotos: Julian Beekmann/ Simon Michaelis, Models: Klaudia Key, Olivier Weppe 26
mode WWer es sich leisten kann, Lady Gaga einen Korb zu geben, ist entweder größenwahnsinnig oder hat es tatsächlich geschafft. „Wir hatten keine Zeit, die Anfrage kam kurz vor der Fashion Week in Paris“, erzählt der Heidelberger Designer Leon Emanuel Blanck. Lady Gaga wollte ein Kleidungsstück für einen Videodreh, er hatte allerdings nur noch einen Prototyp in Größe 34 auf Lager; der war zu klein. Und Paris war wichtiger. Blanck lacht, als er die Gaga-Geschichte erzählt. Wahnsinnig ist er nicht, große Pläne hat er: Der 32-Jährige will ein eigenes Design-Universum erschaffen. Geschafft hat er es noch nicht, doch er arbeitet täglich zwölf bis 16 Stunden in seinem Atelier im Heidelberger Kulturund Kreativwirtschaftszentrum Dezernat 16, einer alten Feuerwache, daran. Hier in seiner Heimatstadt haben bisher nur wenige von ihm gehört. In Metropolen wie Paris, Berlin, Tokio oder New York gilt er als einer der angesagtesten und innovativsten Modedesigner. Auch Hollywood schätzt seine einzigartigen Kleidungsstücke: Brad Pitt trägt Blanck, Mickey Rourke hat gleich mehrere seiner Lederjacken im Schrank. Vor sechs Jahren entwickelte Blanck als Student der Mannheimer Modedesignschule Manuel Fritz eine revolutionäre Schnitt-Technik, die Bewegung in seine Branche brachte: Er zeichnet nicht, sondern steckt Stoff an Menschen in Bewegung ab und formt dann so lange, bis er einen „anatomischen Fingerabdruck“ hat. Dadurch ergibt sich eine Art Skulptur, die er in viele Teile zerschneidet und wieder zusammennäht. Das wiederholt er so lange, bis er den gewünschten Schnitt hat. So entstehen Nähte, die völlig willkürlich gesetzt wirken und Muskelsträngen gleichen. „Körper und Stoff ergeben das Design. Da unsere Körper nicht symmetrisch sind, sind es meine Stücke auch nicht“, erklärt Blanck. Das Ziel: Die Kleidungsstücke sollen passen wie eine zweite Haut, aber man muss sich trotzdem ohne Probleme darin bewegen können. Vom ersten Abformen bis zum fertigen Produkt können schon mal 70 Arbeitsstunden vergehen. Seine Kollektionen sind meist in Schwarz- und Grautönen gehalten. Dass Models darin aussehen wie postapokalyptische Kämpfer hat einen Grund: Blanck liebt Science-Fiction – Endzeitfilme Brad Pitt trägt Blanck, Mickey Rourke hat gleich mehrere seiner Lederjacken im Schrank. wie „Mad Max“ oder Aldous Huxleys dystopischen Roman „Schöne neue Welt“. Neben dem Designer Luigi Colani und der Architektin Zaha Hadid ist HR Giger sein großes Vorbild. Giger war es, der 1979 das „Alien“ für Ridley Scotts gleichnamigen Film schuf. Blanck zieht sich eine seiner Lederjacken an. „Du fühlst Dich darin wie ein Kämpfer, der gerade seine Rüstung überstreift – bereit und mächtig.“ Er trägt fast ausschließlich seine eigene Kleidung: Hosen, Shirts, Pullover, Schuhe und Jacken. Bis auf die Schuhe wird alles von Hand in Heidelberg produziert, insgesamt etwa 1200 Stücke im Jahr für Männer und Frauen. Vor drei Jahren mietete er eine ehemalige Garage im Kellergeschoss der alten Feuerwache, wo er bis heute sein Büro hat. Seine Vorliebe für martialische Materialien spiegeln sich in den Räumlichkeiten dieser Unterwelt wieder: einst war sein Lager ein Testraum für Brand- und Gasbedingungen mit einer überdimensionierten Abzugshaube. Die Kacheln verströmen eine kalte, düstere Industrie-Atmosphäre – der perfekte Ort für seine finstere Avantgarde-Mode. Mit seiner innovativen Technik stieß er 27