Tirol am Teller 2017
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Interview<br />
Zur Person<br />
Der gebürtige Fließer Wendelin Juen studierte<br />
an der Universität für Bodenkultur<br />
in Wien und ist seit 2004 Geschäftsführer<br />
des Vereins Agrarmarketing <strong>Tirol</strong>.<br />
Neben unterschiedlichen Fachartikeln<br />
publizierte Juen mehrfach über den<br />
Feuerbrand, über die Wildbienen und<br />
zeichnet für das <strong>Tirol</strong>er und Vorarlberger<br />
Schnapsbuch verantwortlich.<br />
Käseschätzen des Landes auf die Spur zu kommen.<br />
Wenn wir Käseverkostungen machen, gibt es<br />
immer wieder Aha-Erlebnisse. Das gilt es jetzt noch<br />
in der Gastronomie stärker zu beleben. Da gibt es<br />
noch viel Potenzial. Zuversichtlich stimmt mich,<br />
dass derzeit eine junge, innovative und experimentierfreudige<br />
Käsergarde <strong>am</strong> Werk ist, die noch<br />
hungrig und kreativ ist.<br />
Patentrezepte gibt es nicht, aber kann Veredelung von<br />
guten Ausgangsprodukten ein geeignetes Mittel sein,<br />
um die Widerstandsfähigkeit der kleinstrukturierten<br />
<strong>Tirol</strong>er Landwirtschaft zu erhöhen?<br />
Juen: In der Veredelung liegt letztendlich die<br />
Wertschöpfung. Reine Rohstofflieferanten haben<br />
es global betrachtet schwer. Das gilt nicht nur für<br />
Lebensmittel. Es ist schön, wenn die Veredelung<br />
im Land stattfindet. Das kann teils der Bauer<br />
selbst machen, teils über Zus<strong>am</strong>menschlüsse gemacht<br />
werden. Da ist einiges im Gange. Es ist die<br />
Herausforderung in der <strong>Tirol</strong>er Landwirtschaft,<br />
Stärkefelder nicht mutwillig zu verlassen, sondern<br />
neue Felder zu erschließen. Als wir etwa mit dem<br />
Goggei begonnen haben, gab es Kritik, von manchen<br />
wurden wir belächelt. Mittlerweile beliefern<br />
wir über den Großhandel mit diesen Eiern auch<br />
die Gastronomie, obwohl es immer geheißen hat,<br />
dass diese Produkte zu teuer seien. Es gibt aber<br />
sehr wohl Gastronomen, die ihren Gästen zum<br />
Frühstück ein qualitativ hochwertiges Ei aus der<br />
Umgebung anbieten wollen und bereit sind, dafür<br />
einen Mehrpreis zu bezahlen. D<strong>am</strong>it tun sich neue<br />
Möglichkeiten für die Landwirtschaft auf.<br />
Glauben Sie, dass beim Gast eine gehobene Sensibilität<br />
dafür da ist, was ihm in der <strong>Tirol</strong>er Hotellerie vorgesetzt<br />
wird?<br />
Juen: Ich bin viel in der <strong>Tirol</strong>er Top-Gastronomie<br />
unterwegs und begeistert, wie professionell dort<br />
gearbeitet wird. Man sieht, dass viele Köche<br />
ein sehr gutes Sensorium für die Wünsche der<br />
Gäste entwickelt haben. Diese Köche haben die<br />
Fähigkeiten, aus guten regionalen Produkten<br />
hervorragende Speisen zu kreieren. Die <strong>Tirol</strong>er<br />
Kulinarik ist kein Einheitsbrei, sie lebt von der<br />
Vielfalt und der Interpretation der Produkte. Die<br />
Köche treffen d<strong>am</strong>it den Nerv der Gäste. Außerdem<br />
freut sich auch jeder Einheimische, wenn er<br />
besondere Gaumenfreuden genießen kann. Es ist<br />
unser erklärtes Ziel, das kulinarische Profil <strong>Tirol</strong>s<br />
zu schärfen und zu stärken. Dieser Prozess ist voll<br />
im Gange. Es soll in der Breite erlebbar werden,<br />
was bislang noch einigen Vorreitern vorbehalten<br />
ist.<br />
<strong>Tirol</strong> ist ein Tourismusland par excellence. Kaum<br />
irgendwo wird Tourismus in der Intensität betrieben<br />
wie hier. Am Erfolg im Fremdenverkehr hat auch <strong>Tirol</strong>s<br />
gepflegte Kulturlandschaft wesentlichen Anteil. Wird<br />
das vonseiten der Touristiker ausreichend honoriert?<br />
Juen: Im Großen und Ganzen gibt es ein sehr<br />
gutes Einvernehmen. Die Gesprächsbasis ist auf<br />
einer ganz neuen Ebene angelangt, wechselseitige<br />
Schuldzuweisungen gehören der Vergangenheit<br />
an. Viele Leute aus dem Tourismus und der<br />
Landwirtschaft überlegen gemeins<strong>am</strong>, wie man<br />
einander gegenseitig stärken und Synergien freilegen<br />
und nützen kann. Das ist eine spannende Diskussion,<br />
die beide Seiten weiterbringt. An diesem<br />
Prozess muss man beständig weiterarbeiten. Der<br />
landwirtschaftliche Produzent muss mit seinen<br />
Erzeugnissen ein Einkommen erwirtschaften. Insofern<br />
ist der wirtschaftliche Aspekt ein wichtiger.<br />
Aber er braucht auch eine Wertschätzung für diese<br />
Produkte. Beides können die Gastronomie und<br />
der Lebensmittelhandel bewerkstelligen. Einen<br />
fairen Preis zu bezahlen und die Lebensmittel<br />
fachmännisch zur kulinarischen Geltung zu bringen.<br />
Wenn das die Spitzengastronomie macht,<br />
12 <strong>Tirol</strong> <strong>am</strong> <strong>Teller</strong> <strong>2017</strong>