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akzent Magazin Mai '18 BO

akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN

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SEEZUNGE | STORY<br />

In Sachen Kaffee macht ihr so schnell keiner<br />

etwas vor: Barista Birgit Hotz hatte bereits eine<br />

eigene Kaffeelinie und leitete Seminare in ganz<br />

Deutschland, bevor sie 2007 ihre Rösterei „Genuss-Reich“<br />

in der Ziegelei in Radolfzell-Böhringen<br />

aufmachte. Hier, in diesem besonderen<br />

Ortsteil, sei eine gute Symbiose von Arbeiten<br />

und Wohnen möglich und außerdem sei es<br />

„eine coole Ecke“. Ihre Ausbildung als Barista,<br />

also als Barfachkraft mit Schwerpunkt Kaffeezubereitung,<br />

machte sie in der Schweiz: Und ja,<br />

„Barista“ sei eine internationale Bezeichnung<br />

und nicht nur in Italien gebräuchlich, wo es<br />

eine gute Kaffeebar in jedem Viertel gibt.<br />

Seit 2007 also röstet sie selbst, was sie vorher<br />

in einer Berliner Lohnrösterei in Auftrag gab.<br />

Neben der neuen Röstmaschine, die 30 Kilo<br />

fasst, lagern die Kaffeesäcke mit dem Rohkaffee.<br />

Jeder davon ist 65 Kilo schwer und<br />

unhandlich: „Sie bewegen sich immer<br />

in die entgegengesetzte Richtung,<br />

in die man möchte“, sagt Birgit<br />

Hotz lachend. Neben der<br />

Auswahl der Rohstoffe sei vor<br />

allem die Zeit wichtig: 25 bis<br />

30 Minuten dauert eine Charge,<br />

bis sie duftend aus dem<br />

Trommelröster kommt<br />

und man muss dabeibleiben<br />

und die Röstung<br />

überwachen.<br />

Denn das Rösten sei<br />

jeden Tag anders und<br />

zudem wetterabhängig.<br />

Der vorherige Röster fasste<br />

nur 12 Kilo und ließ noch<br />

Platz für einen großen Tresen,<br />

der jetzige dominiert den Raum<br />

und beendet für den Moment ihre Seminartätigkeit,<br />

wobei sie aber schon auf der<br />

Suche nach weiteren Räumen ist.<br />

Frisch geröstet und frisch gemahlen<br />

Wichtig ist das Rösten nach Bedarf, denn frisch<br />

geröstet hat der Kaffee am meisten Aroma.<br />

Frisch geröstet und frisch gemahlen: „Alles,<br />

was Sie riechen, fehlt als Aroma in der Tasse“,<br />

sagt Hotz. So sei es schlauer, öfter kleinere<br />

Mengen zu kaufen und die schnell zu verbrauchen.<br />

Oder den Kaffee zu Hause zu mahlen,<br />

gerade genug für die nächste Tasse oder Kanne.<br />

Der richtige Mahlgrad hängt wiederum von der<br />

Art der Zubereitung ab. „Jede Kultur hat ihre<br />

eigene Zubereitungsart gefunden“, sagt die<br />

Kaffee-Expertin. In Äthiopien, dem Ursprungsland<br />

des Kaffees, gäbe es<br />

sogar eine Kaffeezeremonie. In Griechenland<br />

wird in kleinen Kännchen aufgekocht, in Italien<br />

bevorzugt man den Espresso. Letzterer hat den<br />

Vorteil, dass der hohe Druck viel Aroma in die<br />

Tasse bringt, aber wenig belastende Stoffe. Er<br />

gilt als bekömmlicher als Filterkaffee. Auch in<br />

der Rösterei in der Ziegelei sind gute Kaffeemaschinen<br />

am Werk, die natürlich fachkundig<br />

bedient werden müssen. Auch das lernt man<br />

in einer Barista-Ausbildung, inklusive dem<br />

Aufschäumen der Milch und dem geschickten<br />

Zeichnen von Herzen oder Kringeln beim Zubereiten<br />

von Cappuccino. Neben dem Kaffeeverkauf<br />

vor Ort beliefert Hotz die Gastronomie<br />

und einige Einzelhändler, und sie verschickt<br />

Kaffee und Zubehör über ihren Online-Shop.<br />

Verpackt wird er in aufwendige Tüten mit<br />

Wiederverschluss und Ventil: Über das Ventil<br />

kann Gas raus, aber keines rein, bis zu einem<br />

Jahr bleiben die Bohnen darin frisch. Auch in<br />

der Rösterei Konstanz<br />

werden wir diese<br />

Tüten sehen.<br />

Industriekaffee versus Trommelröstung<br />

Das Wort „Industriekaffee“ spricht Hotz genauso<br />

verächtlich aus wie Rolf Bernhardt, Inhaber<br />

und Geschäftsführer der Kaffeerösterei<br />

Konstanz. Gerade ist er mit seinem Team und<br />

Geschäftspartnerin Patrizia Nabitz auf Expansionskurs:<br />

800 Quadratmeter haben sie im<br />

„Campus Konstanz“ an der Byk-Gulden-Straße<br />

neu angemietet, bis Ende <strong>Mai</strong> soll hier die<br />

Rösterei samt professionellen Seminarräumen<br />

stehen. Die Pläne sind fertig, die Einrichtung ist<br />

bestellt. Doch ein Handicap bleibt: Noch müssen<br />

sich Besucher vorne an der Pforte von Siemens<br />

anmelden und im Firmengelände einen<br />

kleinen Fußweg<br />

Sortenkunde<br />

Im Grunde gibt es nur zwei Sorten: den<br />

„Arabica“ (Coffea arabica), der so heißt,<br />

weil er ursprünglich über die arabischen<br />

Länder eingeführt wurde, und den „Robusta“<br />

(Coffea canephora), der erst Ende<br />

des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde.<br />

Hochwertiger ist der Arabica, in manchen<br />

Mischungen, den „Blends“, findet<br />

sich auch Robusta. Kenner bevorzugen<br />

häufig sortenreine Kaffees aus nur einem<br />

Anbaugebiet. Die Vielfalt im Geschmack<br />

entsteht neben der Herkunft des Rohkaffees<br />

durch die Art der Röstung und der<br />

Zubereitung.<br />

zurücklegen. Wann der hintere Teil abgetrennt<br />

wird und einen eigenen Zugang erhält, sei leider<br />

noch nicht terminiert, so Bernhardt. Hier<br />

kann dann die Ausbildung für zukünftige Baristas<br />

und Kaffee-Experten Fahrt aufnehmen,<br />

ein Werksverkauf und eventuell ein Bistro<br />

kommen hinzu. Die bisherigen Räume<br />

am Stephansplatz waren eindeutig zu<br />

klein, dazu kam ein Mammutschaden<br />

durch Löschwasser nach einem<br />

Brand im vergangenen<br />

Herbst. Inzwischen konnte<br />

der Laden wieder geöffnet<br />

werden, samt Verkostung<br />

und Tischchen draußen. Im hinteren<br />

Teil wird auch am Stephansplatz erweitert.<br />

Doch zurück zum Industriekaffee: In den<br />

1950er- und 1960er-Jahren war die Kaffeewelt<br />

selbst bei Tschibo noch in Ordnung, erzählt<br />

Bernhardt. Jeweils zwei Mann betreuten die einzelnen<br />

Trommelröster. Doch heute werde von<br />

sechs Großröstern, die 90 Prozent des Marktes<br />

abdecken, in domhohen Anlagen im Heißluftstromverfahren<br />

geröstet. Bei 400 Grad gehe<br />

das anderthalb bis zwei Minuten, dann wird<br />

der Kaffee mit Sprühnebel schockgekühlt. Wer<br />

nun noch weiß, dass für jeden Kilo Röstkaffee<br />

in Deutschland 2,19 Euro Steuern an den Fiskus<br />

abgeführt werden müssen, kann sich vorstellen,<br />

dass so nur minderwertiger Rohkaffee<br />

in großen Mengen verarbeitet werden kann. Die<br />

Gewinnmarge bleibt in der Industrie dennoch<br />

hoch. Kaffee im Sonderangebot dient zudem<br />

als beliebter Lockvogel der Supermärkte. Vier<br />

Tassen trinkt jeder Deutsche<br />

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