FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 6
FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Magazin für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik im Stadtteil. Jetzt online lesen!
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PROFILE<br />
q GEORG GERSBERG ÜBER PERSÖNLICHEN WANDEL UND FAIREN HANDEL<br />
»Alles im Leben hat seine Zeit.«<br />
GEORG GERSBERG<br />
VOM SCHÄFER...<br />
S<br />
ie sind der Inhaber von »Georgs Fairkauf«<br />
und verkaufen in Findorff seit 2013 fair<br />
gehandelte Lebensmittel, Kleidung und<br />
Kunsthandwerk. Ihr Geschäft kennen die<br />
meisten FindorfferInnen, aber was kaum<br />
jemand weiß: Bevor Sie Fairtrader wurden,<br />
haben Sie lange als Schäfer gearbeitet. Das<br />
klingt nach zwei völlig verschiedenen Welten<br />
– quasi »vom Aussteiger zu Geschäftsmann«.<br />
Wie kommt man vom einen zum anderen ?<br />
Zwei völlig verschiedene Welten sind das eigentlich nicht. Aber<br />
die Bezeichnung »Aussteiger« passt. Ich bin schon damals nach<br />
dem zwölften Schuljahr aus der Schule ausgestiegen. Zu der Zeit<br />
mischten sich »Die Grünen« in das politische Geschehen ein<br />
und ich wollte einen Beruf im Bereich Umweltschutz erlernen.<br />
Schließlich stieß ich auf die Schäferei. Ich ließ mich zum Schäfer<br />
ausbilden und zog in die Diepholzer Moorniederung. Dort weidete<br />
ich Schafe zur Renaturierung eines großen Moores. Insgesamt<br />
war ich knapp 30 Jahre lang Schäfermeister. Wenn man so<br />
lange den gleichen Beruf ausübt, stellt sich mit der Zeit sehr viel<br />
Routine ein. Also entschloss ich mich, die Schäferei aufzugeben.<br />
Allerdings wollte ich nicht einfach irgendein Geschäft eröffnen,<br />
sondern ich wollte etwas mit »Hintergrund« machen. Das war<br />
mit der Schäferei ja auch gegeben: Der Hintergrund war Naturschutz.<br />
Und heute ist es bei »Georgs Fairkauf« fairer Handel.<br />
Beide Berufe haben also etwas gemeinsam. Die Naturschutzarbeit<br />
ist allerdings sehr regional, während der faire Handel auch<br />
Länder in Übersee betrifft. So kann ich auch auf der anderen<br />
Seite der Erde ein klein bisschen Einfluss nehmen.<br />
Der Beruf des Schäfers ruft bei vielen sofort sehr romantische<br />
Vorstellungen von Idylle, Harmonie und Freiheit hervor ...<br />
Der Freiheitsgedanke ist schon ganz richtig, weil der Beruf des<br />
Schäfers sehr individuell ist. Ich hatte zwar keinen selbstständigen<br />
Betrieb, aber ich habe sehr selbstständig gearbeitet und<br />
konnte eigenständige Entscheidungen treffen. Schäferromantik<br />
gibt es auch. Das Frühlingserwachen ist zum Beispiel wirklich<br />
schön, wenn die Schafe mit den Lämmern aus dem Stall<br />
kommen oder wenn man in der Dämmerung im Moor steht.<br />
Das Licht ist einzigartig. Da wird man schon mal ein bisschen<br />
sentimental. Hin und wieder kamen Busse mit Touristen, die<br />
dann auch alle am liebsten Schäfer werden wollten. Aber es ist<br />
eigentlich auch ein sehr harter Beruf. Man muss sich jeden Tag<br />
wieder neu überwinden, gerade in der kalten Jahreszeit, wenn<br />
man bei jedem Wetter raus muss. Man hat wenig freie Zeit.<br />
Ich hatte meistens eine Auszubildene oder einen Auszubildenen<br />
und habe später mit einem Gesellen zusammengearbeitet.<br />
Dadurch konnten wir uns absprechen, wann wer frei hatte.<br />
Was heißt »Fairtrade« für Sie ?<br />
Fairer Handel unterscheidet sich vom konventionellen Handel<br />
dadurch, dass die Hersteller der Produkte einen gerechten<br />
Lohn und eine soziale Absicherung erhalten. Kinderarbeit ist<br />
ausgeschlossen. Die Produzenten verdienen genug Geld, um<br />
sich eine Krankenversicherung leisten zu können und ihre Kinder<br />
in die Schule zu schicken. Vor der Globalisierung möchte<br />
ich mich nicht verschließen, aber die könnte auch gerecht ablaufen.<br />
Das ist aber nicht so: Meistens machen die großen Unternehmen<br />
die großen Profite. Für die ist die Globalisierung richtig<br />
toll. Die kleineren Produzenten würden auf der Strecke bleiben,<br />
wenn es den fairen Handel nicht gäbe. Ich selbst kaufe fair, wo<br />
immer es geht. Kleidung und Kaffee zum Beispiel – da sitze ich<br />
ja an der Quelle. Doch nicht alle Nahrungsmittel werden auch<br />
im fairen Bereich angeboten. Dann achte ich darauf, zumindest<br />
Bio-Qualität zu kaufen. Bei regionalen Produkten kann man in<br />
der Regel von gerechten Produktionsbedingungen ausgehen,<br />
da wir hierzulande bestimmte Bio-Standards haben.<br />
Wie hoch ist die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten ?<br />
Sind die etwas, wofür die Leute gerne ihr Geld ausgeben ?<br />
Es müsste sehr viel mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden.<br />
Nur drei bis fünf Prozent von dem, was wir heutzutage konsumieren,<br />
sind tatsächlich Bio-Produkte. Wenn man in Findorff<br />
lebt, denkt man, es wäre mehr, weil hier so viele Geschäfte<br />
Bio-Lebensmittel verkaufen, aber das täuscht. Produkte aus<br />
fairem Handel werden noch viel seltener angeboten. Es wäre<br />
Aufgabe der Politik, dafür ein bisschen mehr Werbung zu machen.<br />
Der teurere Preis für fair gehandelte Waren ist eigentlich<br />
der reguläre Preis, den wir nur nicht mehr zu zahlen bereit<br />
sind. Zum Beispiel scheinen 5,00 bis 6,00 Euro für 250 Gramm<br />
Kaffee erstmal teuer, doch dafür wurde der dann ökologisch<br />
produziert und auch auf ökologischen Wegen statt mit dem<br />
Flugzeug mit dem Schiff zu uns gebracht. Diese Art von Produktion<br />
und Handelsweg rechtfertigt den Preis, während ein stark<br />
vergünstigter Preis der ist, mit dem etwas nicht stimmen kann.<br />
Genauso funktioniert Massentierhaltung ja auch nur, weil das<br />
Fleisch unter tierunwürdigen Bedingungen hergestellt wird.<br />
Ich denke, dass sich der Trend weiter zu fairem Handel hin<br />
bewegen wird. Zu Bio gibt es nachweislich eine Tendenz und<br />
Fairtrade zieht da meistens nach. Ich hoffe, dass es eines Tages<br />
auch kleine Fairtrade-Warenhäuser geben wird.<br />
Sie arbeiten mit Kleinproduzenten aus unterschiedlichen<br />
Ländern zusammen. Kennen Sie die alle persönlich oder wie<br />
entstehen die Kontakte ?<br />
Nein, die Kleinproduzenten kenne ich nicht persönlich. Die<br />
großen Fairhandelsgenossenschaften wie »El Puente«, »GEPA«,<br />
»GLOBO« und »dritte welt partner« stehen in Verbindung zu<br />
den Produzenten. Persönliche Kontakte kann man gut auf<br />
Fairttrade-Messen knüpfen. Zum Beispiel verkaufe ich u<br />
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