FINDORFF GLEICH NEBENAN Nr. 6
FINDORFF GLEICH NEBENAN ist das Magazin für Handel, Dienstleistung, Kultur & Politik im Stadtteil. Jetzt online lesen!
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PROFILE<br />
q TINA POORT LEITET DAS JUGENDZENTRUM <strong>FINDORFF</strong><br />
» Die Kids können bei uns ihre Freizeit verbringen .«<br />
TINA POORT<br />
SOZIALPÄDAGOGIN<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 04<br />
T<br />
ina Poort, Sie haben vor anderthalb Jahren<br />
die Leitung des Jugendzentrums in Findorff<br />
übernommen. Wie ist bis jetzt ihr Eindruck<br />
von der Jugendarbeit in Findorff ? Wird hier<br />
viel gemacht ? Lässt sich hier viel bewegen ?<br />
Ich meine, Jugendarbeit in Findorff findet<br />
bei uns auf einem sehr hohen Niveau statt.<br />
Alle aus dem Stadtteil ziehen an einem Strang<br />
– also Beirat, AnwohnerInnen, Schule, Jugendzentrum und<br />
natürlich unser Träger, das »Deutsche Rote Kreuz«. Mit den wenigen<br />
Mitteln, die wir für die offene Kinder- und Jugendarbeit<br />
zur Verfügung haben, wird hier sehr viel auf die Beine gestellt.<br />
Dadurch, dass wir hier immer große Jugendbeteiligungsrunden<br />
stattfinden lassen, wo dann zwischen 50 und 80 Jugendliche<br />
einmal im Jahr stellvertretend für alle anderen Jugendlichen befragt<br />
werden, wissen wir sehr gut, was ihnen eigentlich wichtig<br />
ist – und wir versuchen dann basierend auf den Ergebnissen der<br />
Jugendbeteiligungsrunden das Beste herauszuholen.<br />
Welche Funktion sollte Jugendarbeit im Stadtteil erfüllen und<br />
warum ist sie so wichtig ?<br />
Die offene Kinder- und Jugendarbeit soll den Jugendlichen die<br />
Möglichkeit geben sich in einem angstfreien Raum auszuprobieren<br />
und ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Sie sollen eine<br />
Begleitung für den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenleben<br />
haben. Diese Begleitung muss manchmal eine andere<br />
sein als die durch das Elternhaus. Jugendarbeit ist auch dazu<br />
da, damit Kinder und Jugendliche zu demokratischen TeilnehmerInnen<br />
dieser Gesellschaft werden. Diese Arbeit machen<br />
wir hier, indem wir verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten<br />
anbieten. Zudem betreiben wir nonformale Bildungsarbeit. Das<br />
heißt, wir erziehen nicht, sondern wir zeigen Möglichkeiten auf<br />
und wir bieten Chancen. Vieles können wir hier anders umsetzen<br />
als in der Schule, weil wir an keinen Lehrplan gebunden<br />
sind. Wenn zum Beispiel Jugendliche gerne mehr über den<br />
Nationalsozialismus in Bremen wissen wollen, dann können<br />
wir mit ihnen zum Thema arbeiten. Wir können zum »Bunker<br />
Valentin« fahren und vor Ort einen Projekttag machen. Aber<br />
Jugendarbeit hat natürlich auch die Aufgabe in verschiedenen<br />
Lebenslagen zu unterstützen. Wir können nicht jedes Problem<br />
auffangen, aber wir nehmen Sachen wahr, wir sprechen Sachen<br />
an, wir vermitteln. Es gibt Elternhäuser, wo nicht alles toll läuft,<br />
wo die Eltern psychische Probleme haben oder Drogen im Spiel<br />
sind. Genauso gibt es Eltern, die gar keine Zeit für ihre Kinder<br />
haben, weil sie zu viel arbeiten. Es ist dann unsere Aufgabe zu<br />
schauen, wie wir das jeweilige Kind unterstützen können.<br />
Unsere BesucherInnen kommen aus allen sozialen Schichten –<br />
also von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern bis hin zu<br />
Akademikerkindern. Bei uns ist alles bunt gemischt und das ist<br />
toll und auch das Besondere – das ist spannendes Arbeiten.<br />
Hat sich die Arbeit mit Jugendlichen über die Jahre verändert ?<br />
Gibt es Dinge, die heute ganz anders laufen als vor ein paar<br />
Jahren ? Sind die Jugendlichen von heute anders ?<br />
In den zehn Jahren, in denen ich in der offenen Kinder- und<br />
Jugendarbeit arbeite, hat sich mit der Einführung der Ganztagsschule<br />
ganz viel verändert. Dadurch, dass die Jugendlichen<br />
jetzt länger in der Schule sind, haben sie viel weniger Freizeit.<br />
Die kommen fast jeden Tag erst nach 15:00 Uhr aus der Schule.<br />
Dann haben sie im Schnitt zweimal die Woche Sporttraining,<br />
dazu kommt oftmals noch Nachhilfe und sie haben nur einen<br />
Nachmittag in der Woche wirklich freie Zeit, die sie so verbringen<br />
können, wie sie wollen. Diese Veränderung merken wir<br />
auch: Wenn die Kids direkt nach der Schule zu uns kommen,<br />
dann ist das Erste, was sie machen erstmal gar nichts zu machen.<br />
Weil sie einfach völlig kaputt sind. Früher war das anders.<br />
Da sind sie um 13:00 Uhr aus der Schule gekommen, haben<br />
Mittag gegessen, sich ein bisschen ausgeruht und hatten dann<br />
Freizeit. Sie hatten immer noch Fußballtraining oder Nachhilfe,<br />
aber sie hatten im Großen und Ganzen mehr Zeit.<br />
Welche Angebote gibt es im »Freizi« für die Jugendlichen und<br />
welche davon werden besonders gut angenommen ?<br />
Unser Kernangebot ist die offene Tür; das heißt, wir sind vor<br />
Ort da und die Kids können bei uns ihre Freizeit verbringen.<br />
Sie können spielen. Wenn sie ein Referat halten müssen, können<br />
sie Fragen stellen. Aber vor allem können sie hier einfach sein.<br />
Daraus entstehen verschiedene Projekte wie beispielsweise eine<br />
Mädchen- und eine Jungengruppe, in denen geschlechtsspezifisch<br />
Themen gesetzt werden, die für die entsprechende Altersgruppe<br />
gerade relevant sind. Außerdem haben wir verschiedene<br />
Sportangebote für die Jugendlichen. Es gibt Hip-Hop-Tanz für<br />
Mädchen. Es gibt ein Graffiti-Angebot, bei dem die Jugendlichen<br />
unter Anleitung sprühen können. Wir spielen ganz viel;<br />
aber nicht nur. Wir bieten konkrete Unterstützung beim Übergang<br />
zwischen Schule und Beruf oder Schule und Studium an.<br />
Wir stellen Räume zur Verfügung, die auch ohne uns genutzt<br />
werden können. Wir haben einen Proberaum, einen Bewegungsraum,<br />
einen Medienraum und einen Mädchenraum. Außerdem<br />
verreisen wir mit den Jugendlichen zwei- bis dreimal im Jahr.<br />
Diese Reisen beinhalten Sport- und Freizeitangebote und nebenbei<br />
versuchen wir Gruppenprozesse in Gang zu setzen. In den<br />
Sommerferien fahren wir für eine Woche nach Wangerooge.<br />
Mit den älteren Jugendlichen fahren wir alle zwei Jahre u. a.<br />
nach Berlin, besuchen natürlich das Reichstagsgebäude und das<br />
Holocaust-Mahnmal – und beschäftigen uns anschaulich mit<br />
der Geschichte der Stadt. Wir haben auch ganz normale Ferienangebote.<br />
In den Sommerferien fahren wir in den »Heidepark<br />
Soltau« oder gehen gemeinsam schwimmen, machen Fahrradtouren,<br />
Sportturniere oder basteln. Kurz gesagt: Wir versuchen,<br />
den Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht zu werden. u<br />
<strong>FINDORFF</strong> <strong>GLEICH</strong> <strong>NEBENAN</strong> | 05