HANSEstyle 1| 2017
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KUNST & UNTERHALTUNG<br />
KUNST & UNTERHALTUNG<br />
DAS BLEIBT IM KOPF<br />
Johannes Oerding, 35, wird in die Liga der ganz großen<br />
Songschreiber aufsteigen – davon ist Autor<br />
Frehn Hawel nach seinem Treffen mit dem Hamburger<br />
Musiker im „Alten Mädchen“ in der Sternschanze<br />
umso mehr überzeugt …<br />
Unsere erste Begegnung ist mir bis heute in bester Erinnerung: Vor ungefähr<br />
acht Jahren waren wir gemeinsam für eine Talkrunde beim Sender Tide TV<br />
eingeladen, als Johannes Oerding als musikalischer Gast am Ende der Runde<br />
seinen Song „Die Tage Werden Anders Sein“ vortrug, ein Blue Eyed Soul Song<br />
über die Unbeschwertheit, die man als Jugendlicher und junger Erwachsener<br />
empfindet: „Das, was heute wichtig ist, war früher scheißegal – und für das,<br />
was damals wichtig war, ist die Zeit heut’ nicht mehr da.“ Obwohl ich musikalisch<br />
ganz woanders zuhause bin, war mir sofort klar, dass hier ein junger<br />
Songwriter am Werk ist, der so eingängige Lieder schreibt, dass man deren<br />
Melodien nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Neben der Qualität eines Liedes<br />
erkenne ich ebenfalls, ob ich einem Protagonisten die Inhalte abkaufe, über<br />
die er singt – und das war hier definitiv der Fall. Denn anders als viele andere<br />
deutsche Songwriter, die nur noch wie Interpreten erfolgversprechenden<br />
Lied-Materials rüberkommen, wirkt Johannes Oerding immer echt, weil die<br />
textlichen Inhalte und die Musik in ihrer wiedererkennbaren Eindeutigkeit so<br />
nur von ihm stammen können.<br />
Erste Schülerband mit zwölf<br />
Um bei seinem damals gespielten Song zu bleiben, wurden die Tage für Johannes<br />
Oerding in der Tat bald anders, denn als er knapp ein Jahr später sein<br />
Debütalbum „Erste Wahl“ veröffentlichte, fand er sich plötzlich im Vorprogramm<br />
von Simply Red und Ich + Ich wieder, die damals große Arenen füllten<br />
– und stellte fest, dass es ihm gelingt, auch in größten Spielorten mit einem<br />
fremden Publikum genau die Sorte von Verbindung herzustellen, mit der er<br />
in seinen zahllosen Clubshows landauf landab unermüdlich seine Fanschar<br />
vergrößert. Woher kommt dieses Talent, fremde Menschen so unmittelbar<br />
von seiner Musik zu überzeugen? Früh übt sich, lautet die Antwort: „Schon<br />
als Sechsjähriger bin ich auf dem Flohmarkt aufgetreten – begleitet von einem<br />
Akkordeon. Etwa in dem Alter habe ich auch meine erste Konzertgitarre<br />
geschenkt bekommen. Meine erste Schülerband hatte ich mit zwölf oder dreizehn.“<br />
Klar, dass sich aus diesen frühen Gehversuchen ein Erfahrungsschatz<br />
herausgebildet hat, auf den Oerding inzwischen jederzeit zurückgreifen<br />
kann. Seine Gabe, dem Alltag Poesie zu entlocken und jedem einzelnen Zuhörer<br />
das Gefühl zu geben, nur für ihn allein zu singen, verleiht seiner Musik<br />
heilende, aufbauende und tröstende Kraft. Zudem darf man behaupten, dass<br />
seine Gesangsstimme in Deutschland ihresgleichen sucht, was Ausdruck und<br />
Emotionalität betrifft. Diese Kombination wiederum sorgt für einen stetigen<br />
Anstieg seiner Bekanntheit, die mit den nachfolgenden Alben „Boxer“, „Für<br />
Immer Ab Jetzt“ und „Alles Brennt“ kontinuierlich zunimmt.<br />
Das Wichtigste ist die Bühne<br />
„Erste Wahl“ und „Für Immer Ab Jetzt“<br />
wurden mit Gold, „Alles Brennt“ inzwischen<br />
mit Platin veredelt, er wurde 2015<br />
für den Echo als bester Künstler Rock/<br />
Pop national neben Herbert Grönemeyer,<br />
Andreas Bourani, Mark Forster und<br />
Peter Maffay nominiert. Doch allen Ehrungen<br />
zum Trotz zählt für ihn am meisten<br />
unterwegs zu sein, auf der Bühne<br />
zu stehen und für seine Fans – und alle,<br />
die es werden wollen – zu spielen, was<br />
ihm 2013 nicht nur eine Einladung ins<br />
Vorprogramm der Deutschland Tour<br />
von Joe Cocker, sondern auch der Unplugged<br />
Konzerte der Scorpions einbrachte<br />
und nebenbei sehr deutlich<br />
macht, auf welch breiter Ebene sich die<br />
Masse bewegt, die er mit seiner Musik<br />
begeistert. Im selben Jahr trat er mit<br />
seinem Song „Nichts Geht Mehr“ beim<br />
Eurovision Song Contest für Hamburg<br />
an und belegte den zweiten Platz.<br />
Was hat ihn zur deutschsprachigen<br />
Musik gebracht und noch dazu Hamburg-Fan<br />
werden lassen? Etwa die vielbemühte<br />
Hamburger Schule, die mit<br />
„Schon als Sechsjähriger<br />
bin ich auf dem Flohmarkt<br />
aufgetreten …“<br />
Johannes Oerding<br />
Johannes Oerding beim<br />
<strong>HANSEstyle</strong>-Shooting. Der<br />
Hamburger Musiker kann dem<br />
Alltag den Tiefgang entlocken<br />
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