Kultur- und Stadtatlas Pforzheim 2017/18

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MARKGRÄFLICHES PRIVILEG ALS BEGINN DER UHREN- UND SCHMUCKINDUSTRIE EINE IDEE PRÄGT PFORZHEIM BIS HEUTE Letztlich ist die Etablierung der Uhrenund Schmuckproduktion in Pforz heim einem Zufall geschuldet. Denn der Unternehmer, den Markgraf Karl Friedrich von Baden damit betraute, im Pforzheimer Waisenhaus den Grundstock für eine Erfolgs geschichte zu legen, die bis heute die Goldstadt prägt, wollte sich damit ursprünglich in Lörrach ansiedeln. Jean François Autran, als Uhrenfabrikant und -händler in der Schweiz zuvor erfolgreich, hatte auf einer seiner Reisen in Lörrach ein leer stehendes Schulgebäude entdeckt, das er zur Uhrenfabrik umnutzen wollte. Sein Gesuch an den badischen Markgrafen enthielt bereits den Hinweis auf die ebenfalls dort mögliche Produktion von Bijouteriewaren und auf die beiden Mitunternehmer Amadée Christin und Jean Viala. Für Karl Friedrich stellte dieses Ansinnen eine Möglichkeit dar, die misslichen Zustände, die aus dem nur wenige Jahrzehnte zuvor gegründeten Waisenhaus an ihn herangetragen wurden, im Sinne eines pädagogischen Auftrags und im Bewusstsein, jeder möge sich nach Maßgabe seiner Fähigkeiten und Kräfte am Gemeinwesen beteiligen, zu lösen. Sowohl das Waisenhaus selbst als auch die mit der Etablierung der Uhrenfabrik verbundenen pädagogischen Überlegungen waren eine Idee der Aufklärung. Das „kleine Genf“, die „Fabrikstadt ohne Schlote“, wurde die Stadt um 1900 tituliert, zum einen in Anlehnung an die Uhrentradition der Schweizer Stadt, mit der man sich damit auf eine Ebene stellte. Und zum anderen als Verweis darauf, dass zwar in einer Hochphase der Schmuckindustrie etliche Zehntausend Arbeiter durch sie in Lohn und Brot standen, dieser Industrie zweig aber im Vergleich zu Schwer industriestandorten wie dem Ruhrgebiet deutlich weniger dreckige Abluft produzierte. Die Schmuckmanufakturen, in denen arbeitsteilig Uhren, Schmuck und Toilettenartikel hergestellt wurden, warfen relativ günstige Produkte auf den Markt, die entsprechend für breite Käuferschichten interessant waren. Insofern trugen die Pforzheimer Unternehmer auch zur Demokratisierung des Schmucks bei, denn ein Großteil des kostengünstigen Schmucks stammte um 1900 aus der Stadt am Rande des Schwarzwalds. Und auch wenn die Pforzheimer Innovationen, wie beispielsweise das Doublé-Gold, das von hier aus seinen Siegeszug antrat, heutzutage in den Hintergrund gerückt sind – bis heute bedienen überwiegend Pforzheimer Unternehmen die Nachfrage nach industriell gefertigtem Schmuck. Chris Gerbing www.kultur.pforzheim.de 15
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