28.09.2018 Aufrufe

Trending Topics

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

64<br />

Blockchain<br />

Smarte Schlösser<br />

Das Start-up Slockit will<br />

mit seiner Idee den Alltag<br />

erleichtern. Schlösser,<br />

die über Bluetooth oder<br />

ähnliche Schnittstellen<br />

verfügen, können mit Hilfe<br />

der Blockchain-Lösung<br />

geöffnet und geschlossen<br />

werden: Wohnungen, Autos<br />

oder Fahrräder kann man<br />

so ohne persönlichen Kontakt<br />

vermieten und mieten.<br />

Per App lässt sich so etwa<br />

ein Fahrrad auswählen und<br />

bezahlen. Am Fahrrad<br />

selbst wird das Schloss via<br />

Bluetooth entsperrt.<br />

www.slock.it<br />

Machine“, wie der „Economist“ die Technologie<br />

nannte. So weit die Vision. Doch ist die Blockchain<br />

schon reif für konkrete Anwendungen? Im Augenblick<br />

herrsche noch viel Hype um die Technologie,<br />

gibt Ittner zu. „Seit Gründung unseres Kompetenzzentrums<br />

haben wir jeden Tag ein bis zwei Anfragen<br />

von Unternehmen, die glauben, unbedingt eine<br />

Blockchain-Lösung zu benötigen.“ Dabei sei das im<br />

Augenblick noch in den wenigsten Fällen gerechtfertigt.<br />

„Man will einfach auf keinen Fall etwas verpassen.<br />

Also legt man sich erstmal einen Hammer zu<br />

und sucht dann krampfhaft nach einem Nagel. Das<br />

ist schon etwas verrückt.“<br />

Andranik Tumasjan, Professor für Management<br />

und Digitale Transformation an der Universität<br />

Mainz, beobachtet aktuell zwei Entwicklungsstränge.<br />

„Auf der einen Seite haben wir die Vision dezentraler<br />

Geschäftsmodelle, wie sie im Grundkonzept der Bitcoin-Blockchain<br />

angelegt ist und wie sie inzwischen<br />

von immer mehr Start-ups angestrebt werden.“ Vielversprechende<br />

Ansätze sieht er etwa im Energiesektor.<br />

So wäre es möglich, mit Hilfe der Blockchain-<br />

Technologie Mikropayment-Systeme aufzusetzen.<br />

Die Besitzer einer Solaranlage könnten ihren Strom<br />

etwa zum Laden einer Paketdrohne zur Verfügung<br />

stellen oder direkt an den Nachbarn verkaufen. Abgerechnet<br />

würde über automatisierte, elektronische<br />

Verträge, sogenannte Smart Contracts.<br />

Gefährliche Abhängigkeit<br />

von groSSen Playern<br />

Auf solche Smart Contracts setzt auch das Startup<br />

Slockit, ebenfalls beheimatet in Mittweida bei<br />

Chemnitz. „Das ist kein Zufall“, so Firmengründer<br />

Christoph Jentzsch. „Wir profitieren sehr stark<br />

von der Initiative der Hochschule, aber auch von<br />

der lokalen Politik und Wirtschaft, das Thema<br />

Blockchain in der Region groß zu machen.“ Slockit<br />

entwickelt Lösungen, die vernetzte Geräte mit einer<br />

Zugangsberechtigung über Smart Contracts in<br />

der Blockchain steuerbar machen, und zwar – ganz<br />

nach der revolutionären Grundidee – ohne Mittelsmann.<br />

Wer zum Beispiel sein Auto, seine Wohnung<br />

oder sein Fahrrad vermieten möchte, kann das über<br />

Slockit direkt tun. Ein smartes Schloss steuert sämtliche<br />

notwendigen Aktionen – und zwar exakt nach<br />

den Bedingungen, die man in einem Smart Contract<br />

festgelegt hatte.<br />

Wie der Informatiker Ittner sieht auch Jentzsch<br />

die Chance auf eine Quasi-Neuerfindung des Internets<br />

– eine Neuerfindung, die im Grunde eine Rückbe<br />

-s innung auf jene Utopie wäre, die von Anfang an<br />

im Kern der Technologie angelegt war: das dezentrale<br />

Netzwerk. „Wir haben uns in eine gefährliche<br />

Abhängigkeit von großen Playern gebracht“, so<br />

Jentzsch. „Wenn Google sich von heute auf morgen<br />

entscheiden würde, seine Server abzuschalten, würde<br />

uns das in große Schwierigkeiten bringen.“ Mit der<br />

Blockchain hätte man dagegen die Möglichkeit, „das<br />

Web nochmals neu zu generieren, als von Grund auf<br />

dezentrale Struktur.“<br />

Nun haben nicht nur auf Disruption gepolte<br />

Start-ups, sondern auch etabliertere Firmen, besonders<br />

aus der Finanz-, Versicherungs- und Logistikbranche,<br />

das Thema Blockchain für sich entdeckt.<br />

Allerdings, so Blockchain-Experte Andranik Tumasjan<br />

von der Uni Mainz, werde die Technologie im<br />

Enterprise-Kontext bisher noch nicht dazu eingesetzt,<br />

radikal neue Geschäftsmodelle zu erschließen,<br />

sondern vielmehr, bestehende zu optimieren. So<br />

arbeitet das Digital Trade Chain Consortium, ein<br />

Verbund aus aktuell sieben europäischen Banken<br />

und IBM, an einer Plattform namens Wetrade, das<br />

den internationalen Handel für mittelständische<br />

Unternehmen erleichtern soll. Die Idee: Alle Vertragskomponenten,<br />

von der Rechnungsstellung über<br />

die Zollunterlagen bis hin zur Auslieferung, wären<br />

über die Blockchain darstellbar.<br />

Potential für weitere<br />

Automatisierung<br />

Wie man das Datenmanagement von Lieferketten<br />

noch weiter optimieren kann, dazu forscht unter anderem<br />

auch das Fraunhofer-Institut für Photonische<br />

Mikrosysteme IPMS in Dresden.<br />

Schon heute werden kleine Funk-Transponder,<br />

sogenannte RFID-Tags zur automatisierten<br />

Identifikation und Sendungsnachverfolgung von<br />

Waren eingesetzt. Integriert man Sensoren in die<br />

Tags, lassen sich Zustandsdaten wie Temperatur,<br />

Druck und Feuchtigkeit ermitteln. „Hier sehen wir<br />

das Potential für weitere Automatisierung“, so Monika<br />

Beck vom Fraunhofer IPMS. „Denkbar wären<br />

zum Beispiel automatische Qualitätsprüfungen<br />

beim Wareneingang auf Basis der gewonnen RFID-<br />

Sensordaten aus Fertigung und Transport. Die Bedingungen<br />

für die Prüfungen könnten in Smart Contracts<br />

festgehalten werden.“<br />

Ob und wann die Blockchain-Technologie<br />

tatsächlich zur großen Revolution führen wird, zu<br />

einem neuen Internet der Werte, wird sich zeigen.<br />

Ihr „Plateau of Productivity“, so das US-Marktforschungsunternehmen<br />

Gartner in seinem aktuellen<br />

jährlichen Innovationsreport, werde die Blockchain<br />

in fünf bis zehn Jahren erreichen. Für Andreas Ittner<br />

jedenfalls steht fest: „Ich bin zu 110 Prozent davon<br />

überzeugt, dass die Blockchain eine Technologie ist,<br />

die gekommen ist, um zu bleiben.“ ■<br />

TRENDING TOPICS

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!