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Dank einem schrittweisen Ausbau des Gotthardwegs konnten ab Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
Kutschen und Fuhrwerke auf der befestigten Strasse fahren. Der Verkehr nahm<br />
stark zu. Ab 1843 war auch eine fünfspännige Postkutsche mit Platz für zehn Personen<br />
täglich in beide Richtungen unterwegs. Auf ihrer 49 Stunden dauernden Reise von Basel<br />
nach Mailand machte sie in Göschenen Halt. So fanden damals immer mehr Reisende,<br />
darunter auch Wissenschaftler, Botschafter und Autoren, ihren Weg ins Dorf am Tor zum<br />
Urserental. Für sie bauten initiative Einheimische erste Hotels. Das Gastgewerbe florierte.<br />
ERNST ZAHN – EINST GEFEIERT,<br />
DANN BEINAHE VERGESSEN<br />
ERNST ZAHN – ONCE<br />
CELEBRATED, NOW FORGOTTEN<br />
Von 1880 bis 1917 lebte in Göschenen<br />
eine sehr interessante Persönlichkeit:<br />
Erfolgreicher Schriftsteller, Gemeindeund<br />
Landrat sowie Wirt des Bahnhofbuffets<br />
– die Rede ist von Ernst Zahn.<br />
1867 in Zürich geboren, folgte er als<br />
13-Jähriger seinem Vater ins enge<br />
Reusstal und übernahm von ihm später<br />
die Führung des Restaurants Bahnhofbuffet.<br />
Während drei Jahrzehnten<br />
bewirtete er hier Zugreisende und<br />
einheimische Gäste. Mit 22 Jahren wurde<br />
Ernst Zahn in den Gemeinderat gewählt.<br />
In dieser Funktion lernte er die Göschener,<br />
ihr Leben sowie ihre Sorgen und<br />
Ängste kennen. Ihnen widmet er sich<br />
schliesslich in seinen zahlreichen<br />
Romanen und Erzählungen. Zu seiner<br />
Zeit verkauften sich diese insgesamt<br />
rund vier Millionen mal. Heute jedoch<br />
ist der Göschener Ehrenbürger als<br />
Schriftsteller weitestgehend in Vergessenheit<br />
geraten. Gut, dass <strong>2017</strong> verschiedene<br />
Aktivitäten an ihn erinnern.<br />
Göschenen was home to one particularly<br />
interesting personality from 1880 to 1917:<br />
successful writer, local and district councillor<br />
and proprietor of the station buffet restaurant<br />
– Ernst Zahn. Born in Zurich in 1867,<br />
he followed his father to the small Reuss<br />
Valley as a 13-year-old and later took over<br />
the running of the station buffet restaurant<br />
from him. He catered for local guests and<br />
railway travellers here for over three decades.<br />
At the age of 22 he was elected as a<br />
local councillor. In this role he got to know<br />
the Göschenen people and learned about<br />
their lives, worries and fears. He dedicated<br />
his many novels and stories to them. In his<br />
time he sold around four million copies<br />
although today the writings of the honorary<br />
Göschenen citizen have been largely<br />
forgotten. It is fitting that various activities<br />
will commemorate him in <strong>2017</strong>.<br />
Das Eisenbahnerdorf schlechthin<br />
Ab 1872 folgte für Göschenen ein weiteres prägendes Kapitel Verkehrsgeschichte: der Bau<br />
des Gotthard-Eisenbahntunnels. Fast über Nacht verwandelte sich das kleine Bergdorf in<br />
eine Siedlung mit Grossbaustelle. Die Einwohner vermieteten den vorwiegend italienischen<br />
Tunnelbauarbeitern Häuser und bauten zahlreiche neue. Die Gastarbeiter ihrerseits brachten<br />
mediterrane Kultur und Gewohnheiten nach Göschenen. Am 1. Juni 1882 – nach Jahren<br />
der Sprengungen, gefährlichen Arbeiten im tiefsten Innern der Berge und gesellschaftlichen<br />
Unruhen – konnte das Pionierwerk mit der Eröffnungsfahrt feierlich in Betrieb<br />
genommen werden. Der Gotthard war damit zur wichtigsten Alpentransversalen Europas<br />
geworden und Göschenen zum Eisenbahnerdorf schlechthin. Die Bahn brachte nicht nur<br />
zahlreiche Touristen, die hier auf die Postkutsche nach Andermatt umstiegen. Auch neuartige<br />
Arbeitsplätze wurden geschaffen. Ähnliche Entwicklungen, wenn auch nicht mehr im<br />
selben Mass, waren beim Bau des Kraftwerks und des Staudamms bei der Göscheneralp<br />
(1955 bis 1962) sowie des Gotthard-Strassentunnels (1970 bis 1980) zu beobachten.<br />
Heute ist Göschenen ein beschauliches 430-Seelen-Dorf. Die Einwohnerzahlen sind<br />
rückläufig und die Bedeutung als Zwischenstopp für Reisende in Richtung Süden hat<br />
abgenommen. Wer den geschichtsträchtigen Ort jedoch durch den Strassen- oder den<br />
Gotthard-Basistunnel umfährt, verpasst ein Alpendorf, das mit dem Wandel gut zu leben<br />
gelernt hat und aus Tradition gewohnt ist, Fremde mit offenen Armen zu empfangen.<br />
Neben kulturellen Schätzen haben Göschenen und seine Weiler im Göscheneralptal vor<br />
allem eine wunderbare Natur zu bieten, die zu vielfältigen Aktivitäten einlädt. Ein Besuch<br />
lohnt sich zu jeder Jahreszeit. Und auch das letzte Kapitel Verkehrsgeschichte ist<br />
noch lange nicht geschrieben: So haben die Schweizerinnen und Schweizer im Frühjahr<br />
2016 dem Bau einer zweiten Strassentunnelröhre bei Göschenen durch den Gotthard<br />
zugestimmt.<br />
Zollbrücke und Posthorn zieren das Wappen von Göschenen.<br />
Toll bridge and post horn adorn the Göschenen coat of arms.<br />
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