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18 KULTUR JOKER VISION<br />

Kunstvereine im Gespräch (10):<br />

Neue Heimat: Das Georg-Scholz-Haus Waldkirch<br />

Diese Reihe stellt die Kunstvereine<br />

in Südbaden vor und spürt<br />

ihren jeweiligen Eigenheiten<br />

anhand von Berichten aus der<br />

praktischen Arbeit nach. Denn<br />

diese Initiativen tragen wesentlich<br />

zum Kulturleben der Städte<br />

und Gemeinden bei. Im zehnten<br />

und elften Teil geht es um zwei<br />

geographisch benachbarte, im<br />

Übrigen aber sehr verschiedene<br />

Kunstvereine: Waldkirch und<br />

Gundelfingen.<br />

Die Historie des „Kunstforum<br />

Waldkirch“ ist wechselhaft,<br />

besonders in Bezug auf die<br />

Räumlichkeiten. Doch immer<br />

gelang es, Kraft aus dem Neuen<br />

zu schöpfen. 1985 wurde<br />

die Einrichtung als Städtische<br />

Galerie unter dem damaligen<br />

kunstaffinen Oberbürgermeister<br />

Richard Leibinger gegründet,<br />

die erste Heimstatt war die alte<br />

Gütermann-Villa in der Merklinstraße.<br />

Über den sinnfälligen<br />

Namenspatron des Hauses Georg<br />

Scholz (1890–1945) ist viel<br />

geschrieben worden: Maler der<br />

Neuen Sachlichkeit, Professor<br />

in Karlsruhe, vom NS-Regime<br />

als „entartet“ eingestuft und<br />

aus dem Amt entlassen, nach<br />

Kriegsende für wenige Monate<br />

bis zu seinem Tod Bürgermeister<br />

Waldkirchs, wohin er 1935 übergesiedelt<br />

war. Die Villa weckte<br />

aber Begehrlichkeit und geriet<br />

in Zeiten knapper Finanzen der<br />

Kommune wiederholt in Bedrängnis.<br />

Aus einem Förderverein<br />

zu deren Erhalt wurde 2001<br />

das „Kunstforum Waldkirch“,<br />

das das Haus seitdem in Eigenregie<br />

und als Mieter bei der Stadt<br />

führte, ermöglicht per finanzielle<br />

Unterstützung durch die Ingenieurstochter<br />

und Künstlerin<br />

Waltraut Sick. Zum Jahresende<br />

2017 kam doch der Verkauf,<br />

zwar an die Sick-Stiftung, die<br />

jedoch eigene Pläne verfolgte,<br />

und nun erfolgte der Umzug in<br />

die ebenfalls städtischen Räume<br />

im „Bürgerhaus“, das auch die<br />

Mediathek der Stadt, ein Kinderund<br />

Jugendtheater sowie mehrere<br />

Musikgruppen beherbergt.<br />

Die Fabrikantenvilla mit stuckverzierten<br />

Decken war verloren<br />

gegangen, der schöne Blick auf<br />

die Elz trat an die Stelle.<br />

Anette Pitz-van Ahlen, die im<br />

Verein für die Öffentlichkeitsarbeit<br />

Verantwortliche, beschreibt<br />

lebhaft die Impulse, die der<br />

zunächst nicht gewollte neue<br />

Standort („wir waren entsetzt“)<br />

denn doch bringt: Die ohnehin<br />

guten Besucherzahlen (1.600<br />

pro Jahr) steigen in der jetzt<br />

zum Zentrum fußläufigen Lage<br />

leicht an. Und nach aufwändiger,<br />

durch den Verein ehrenamtlich<br />

geleisteter Renovierung stehen<br />

auf reichlich 200 qm sechs Ausstellungsräume,<br />

ein Bistro im<br />

Foyer, ein kleines Büro und ein<br />

Kunstvereine im Gespräch (<strong>11</strong>):<br />

Die stete Arbeit in Gundelfingen<br />

Tradition und Kontinuität der<br />

Arbeit. Das ist in Freiburgs<br />

nördlichem Nachbarort Gundelfingen<br />

die Devise, wenn es<br />

um die Kunst geht. Denn naturgemäß<br />

hat es eine 12.000-Seelen-Gemeinde<br />

so nahe beim<br />

Oberzentrum nicht einfach,<br />

ein eigenes kulturelles, zumal<br />

künstlerisches Profil zu entwickeln.<br />

Der Kunstverein am Ort<br />

wurde gleichwohl bereits 1984<br />

gegründet. „Von Kunstfreunden<br />

und künstlerisch aktiven<br />

Personen“, wie Ulrike Bach, die<br />

Vorsitzende, betont. Sie amtiert<br />

Die Seiten „Kulturhauptstadt“<br />

werden unterstützt von:<br />

seit 2008. Deutlich länger dabei<br />

ist Erika Gothe van der Zwaag,<br />

schon Gründungsmitglied und<br />

immer noch im Vorstand aktiv.<br />

Seinerzeit gab der langjährige<br />

Bürgermeister der Gemeinde<br />

Reinhard Bentler den Anstoß zur<br />

Vereinsgründung. Mit Einweihung<br />

des neuen Rathauses 1990<br />

wurde in der Eingangshalle ein<br />

abschließbarer lichtdurchfluteter<br />

Raum (150 qm) geschaffen, der<br />

dem Kunstverein für Ausstellungen<br />

zur Verfügung steht.<br />

Und der Verein hat Priorität: Er<br />

meldet seine Termine zu Jahresbeginn<br />

an – und bekommt<br />

sie dann.<br />

Erstaunlich ist nicht nur das<br />

Durchhaltevermögen, sondern<br />

auch die Frequenz der Veranstaltungen:<br />

Pro Jahr gibt es<br />

bis zu sieben Ausstellungen,<br />

als Abschluss im Herbst stets<br />

die Mitgliederausstellung. Zusätzlich<br />

werden meist zwei<br />

Konzerte, ein klassisches und<br />

eines aus dem Bereich Jazz realisiert;<br />

außerdem gelegentliche<br />

Autorenlesungen. Für Musik<br />

und Literatur nutzt man das<br />

ebenfalls 1990 errichtete Kulturund<br />

Vereinshaus der Gemeinde,<br />

für die beliebten Matinée- oder<br />

Soirée-Termine gern auch das<br />

Rathaus-Foyer (der Flügel, der<br />

in dem Raum steht, gehört dem<br />

Verein).<br />

Die Vita der Seniorin Erika<br />

Gothe (85) zeigt beispielhaft die<br />

enge Verquickung der Aktiven<br />

mit den Belangen der Kunst:<br />

Schon als Jugendliche besuchte<br />

sie den Abendunterricht an der<br />

Malschule in Siegen/Westfalen,<br />

in den 1950er Jahren folgte<br />

ein reguläres Studium an den<br />

Staatlichen Kunstakademien in<br />

Stuttgart und Düsseldorf. Der<br />

Lebensweg als Künstlerin war<br />

vorgezeichnet. Nach Wanderjahren<br />

fand sie in Löffingen und<br />

eben Gundelfingen eine Heimat.<br />

Künstlerisch aktiv blieb sie<br />

ohnedies bis heute: Das Plakat<br />

der aktuellen Jahresausstellung<br />

der Mitglieder ziert die schöne<br />

Schwarz-Weiß-Monotypie eines<br />

Stilllebens von der Hand Gothes.<br />

Auch Ulrike Bach kann ihre<br />

künstlerischen und kunstpädagogischen<br />

Wurzeln nicht<br />

Die neue Heimat des „Kunstforum Waldkirch“<br />

Atelier zur Verfügung.<br />

Mit den anderen<br />

Nutzergruppen<br />

des Bürgerhauses<br />

können Synergien<br />

entstehen wie kürzlich<br />

bei der Waldkircher<br />

Museumsnacht<br />

erprobt. Die insgesamt<br />

gestiegene<br />

öffentliche Wahrnehmung<br />

scheint<br />

sich auszuzahlen:<br />

Jetzt reagierte auch<br />

der Gemeinderat<br />

und bewilligte zur<br />

Finanzierung der<br />

Miete einen Zuschuss. Hinzu<br />

kommen die Mitgliedsbeiträge,<br />

Spenden und Firmen-Sponsorings.<br />

Die Stärke des Vereins liegt<br />

zweifellos darin, dass er organisatorisch<br />

und programmatisch<br />

breit aufgestellt ist. Im Zentrum<br />

stehen vier reguläre- und zwei<br />

Sonderausstellungen pro Jahr.<br />

Das Selbstverständnis orientiert<br />

sich am Wirken des Namensgebers,<br />

weshalb das Engagement<br />

für zeitgenössische und im Idealfall<br />

politisch-sozialkritische<br />

Kunst besonders im Blick ist.<br />

Der Künstlerische Beirat des<br />

Vereins, derzeit sechs Personen,<br />

organisiert und kuratiert. Eine<br />

unabhängige Jury wählt aus den<br />

Bewerbungen aus, ein Mal im<br />

Jahr soll es dezidiert überregional<br />

sein. Die Liste der zurückliegenden<br />

Projekte auf der Vereinshomepage<br />

ist eindrucksvoll.<br />

Viele freiwillige Helfer wirken<br />

in der Regel mit. Und es gibt<br />

ein umfangreiches ‚Begleitprogramm‘<br />

(das über den Begriff<br />

längst hinausreicht): Konzerte<br />

von Klassik über Jazz bis zum<br />

Pop, Theater, Performances,<br />

Lesungen, Kunstgespräche,<br />

Schüler- und Erwachsenenworkshops,<br />

die Schreibnacht, einen<br />

Kunststammtisch, Kunstfahrten.<br />

Besonders Musik und Literatur<br />

haben sich auf diese Weise zum<br />

eigenständigen Pfeiler des Angebots<br />

entwickelt.<br />

Was sind die Zukunftswünsche?<br />

Pitz-van Ahlen: „Noch<br />

mehr „Aufreger“; auch mal<br />

Kunst zeigen, die neue Wege<br />

verschweigen: „Ich studierte am<br />

Institut der Bildenden Künste<br />

der Pädagogischen Hochschule<br />

in Freiburg bei Peter Staechelin<br />

und Eberhard Brügel.“ Dann<br />

war sie als Lehrerin tätig, heute<br />

steuert sie die Geschicke<br />

des Kunstvereins, hält in der<br />

Regel die Einführungen bei<br />

den Vernissagen. Über Franziska<br />

Reisen-Veith, das dritte<br />

Vorstandsmitglied neben<br />

Schriftführer und Kassenwartin,<br />

könnte eine ähnliche Biographie<br />

erzählt sein: PH-Studium in<br />

Heidelberg und später auch Freiburg,<br />

einst aus Überlingen am<br />

Bodensee kommend – und bis<br />

heute mit reger eigener Produktion,<br />

Schwerpunkt: Acryl- und<br />

Mischtechniken.<br />

„Ziel des Kunstvereins ist es,<br />

künstlerische Aktivitäten in<br />

Gundelfingen zu fördern und<br />

öffentliche kulturelle Veranstaltungen<br />

durchzuführen und<br />

zu unterstützen“, so Bach – ein<br />

klares Bekenntnis also zur lokalen<br />

Arbeit, mit der Präsentation<br />

von Künstlern durchaus aus<br />

der gesamten Republik und<br />

Foto: Roland Krieg<br />

geht und nicht jedem gefallen<br />

muss; Schwellenängste abbauen<br />

– und natürlich: ein geeignetes<br />

Domizil, wenn unsere Zeit im<br />

Bürgerhaus vorbei ist.“ Denn<br />

dort soll, nach jetzigem Stand der<br />

Dinge, schon 2020 wieder alles<br />

vorbei sein.<br />

Info: Georg-Scholz-Haus<br />

Kunstforum Waldkirch e. V.<br />

Email: info@georg-scholz-haus.<br />

de.www.georg-scholz-haus.de<br />

Aktuelle Ausstellung: „Linear“,<br />

mit Arbeiten von Günter Waller<br />

und Keummi Park-Bauermeister,<br />

bis 28. Nov. <strong>2018</strong>.<br />

Bürgerhaus Waldkirch, Schlettstadtallee<br />

9, 79183 Waldkirch.<br />

Fr-Sa, 15-18 Uhr / So u. Feiertag<br />

<strong>11</strong>-16 Uhr<br />

Martin Flashar<br />

sogar dem Ausland (eine eigens<br />

eingesetzte Jury wählt aus).<br />

Unter den Mitgliedern finden<br />

sich zahlreiche KünstlerInnen<br />

der Gemeinde und Region.<br />

Trotz der in den letzten Jahren<br />

leicht steigenden Tendenz „gibt<br />

es viele ältere Menschen in<br />

dem Verein, die schon seit dem<br />

Gründungsjahr dabei sind.“ Wie<br />

man Jüngere animiert, ist, wie<br />

andernorts, ein Thema; mit der<br />

Jugendmusikschule besteht die<br />

Kooperation. Jedenfalls reichen<br />

die Beiträge und gelegentlichen<br />

Spenden aus, um das Programm<br />

zu finanzieren. Denn die Räume<br />

stellt die Gemeinde kostenfrei.<br />

Freundschaftliche Kontakte<br />

zu anderen Kunstvereinen der<br />

Regio sind selbstverständlich.<br />

Info: Kunstverein Gundelfingen<br />

e. V. Email: info@kunstvereingundelfingen.de.<br />

www.kunstverein-gundelfingen.de.<br />

Aktuelle Ausstellung:<br />

Mitgliederausstellung <strong>2018</strong><br />

Rathaus Gundelfingen, Foyer:<br />

Mo-Fr, 8-18 Uhr, bis 28. Nov.<br />

<strong>2018</strong>. Martin Flashar

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