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ADAC Motorwelt Januar 2019

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SICHER & MOBIL<br />

zurück. Und die Alten wollen im angestammten<br />

Umfeld bleiben.<br />

In Sachen Mobilität zeigt der <strong>ADAC</strong> Monitor<br />

für ganz Schleswig-Holstein großen<br />

Nachholbedarf. In keinem anderen Bundesland<br />

bewerten die Bürger den öffentlichen<br />

Verkehr schlechter. Der Grund ist<br />

schnell gefunden: zu wenig Geld. Seit<br />

2007 wurden die ÖV-Landesmittel zweimal<br />

um jeweils 2,5 Prozent gekürzt und<br />

dann auch noch bis 2016 eingefroren,<br />

sie verloren inflationsbedingt also weiter<br />

an Wert.<br />

Beim Kreis Dithmarschen schätzt<br />

man diesen Verlust auf 25 Prozent. Die<br />

ohnehin klammen Kreise mussten den<br />

Rückgang aus eigenen Mitteln ausgleichen,<br />

das Angebot verbessern konnten<br />

die wenigsten. Auch deshalb entwickelten<br />

sich die Öffentlichen im Norden noch<br />

weniger als in anderen ländlichen Regionen<br />

zur Pkw-Alternative. Oft taugt der<br />

Bus nicht mal als Notnagel: Selbst wo es<br />

Haltestellen gibt, klaffen stundenlange<br />

Lücken im Fahrplan.<br />

Auf den ersten Blick sind solche Lücken<br />

im Amt Eider kein Problem. Fast jeder<br />

über 18 hat den Führerschein, auf 1000<br />

Anschluss unter diesem Schild: In Sachsen-Anhalt<br />

ist die Zufriedenheit mit Bus und Bahn am höchsten<br />

Jan Christian Büddig, Direktor Amt Eider<br />

„Die Leute bei uns sind<br />

es gewohnt, alles mit dem<br />

eigenen Auto zu fahren“<br />

Einwohner kommen 600 Autos – 15 Prozent<br />

mehr als im Bundesschnitt.<br />

„Hier müssen Sie ein Auto haben, wenn<br />

Sie arbeiten wollen“, sagt Petra Elmenthaler,<br />

Bürgermeisterin der 700-Einwohner-<br />

Gemeinde Delve im Osten des Landstrichs.<br />

Sie kennt Eltern, die sich finanziell<br />

verausgaben, um ihrem Kind den Führerschein<br />

bezahlen zu können. Viele<br />

investieren einen Löwenanteil ihres Einkommens<br />

ins Auto. Die Löhne sind niedrig<br />

in Dithmarschen, gleichzeitig werden<br />

die Mobilitätskosten höher eingeschätzt<br />

Wohin das Geld fließen soll<br />

Der größte Investitionsbedarf wird<br />

im Ausbau des schnellen Internets<br />

und der Bahnverbindungen gesehen.<br />

Angaben in Prozent<br />

Autobahnen/Schnellstraßen<br />

12<br />

Lokale Straßen<br />

Radwege<br />

Schienen-/Bahnverbindungen<br />

21<br />

Schnelles Internet<br />

Quelle: <strong>ADAC</strong><br />

14<br />

18<br />

29<br />

als in der Stadt, wie die <strong>ADAC</strong> Umfrage<br />

zeigt. Zudem ist Heimarbeit in Delve wie<br />

in vielen ländlichen Regionen keine Alternative<br />

zur weiten Autofahrt: Die Internetanbindung<br />

ist in Teilen des Dorfes auf<br />

dem Niveau der 90er-Jahre. Auch daran<br />

könnte es liegen, dass sich 60 Prozent der<br />

Landbevölkerung abgehängt fühlen.<br />

Dürfen Busse<br />

Leerfahrten machen?<br />

Immerhin: Seit diesem Frühjahr wird<br />

Delve tagsüber alle zwei Stunden von einer<br />

neuen Buslinie angesteuert, lange gab’s<br />

nur eine, die selten fuhr. Das „Amtsentwicklungskonzept“<br />

für die Region, Anfang<br />

2018 verabschiedet, soll das Amt<br />

Eider auf die Zukunft vorbereiten. Amtsdirektor<br />

Büddig sagt: „Wir wollen die Leute<br />

in den Dörfern behalten.“ Dafür brauche<br />

es zumindest ein kleines Geschäft vor<br />

Ort, außerdem Apotheken, Ärzte sowie<br />

Schulen in der Nähe. Und die Möglichkeit,<br />

das alles einigermaßen zuverlässig zu erreichen.<br />

Nicht nur mit dem eigenen Pkw.<br />

Ob sich die Investition in den dichteren<br />

Takt lohnt, wird die Zukunft zeigen.<br />

Im Schnitt dauert es drei Jahre, bis eine<br />

neue Buslinie angenommen wird. Doch<br />

selbst, wenn die Busse gelegentlich leer<br />

durch die Gegend fahren, für Büddig gehören<br />

sie zur Grundversorgung: „In der<br />

Stadt haben die Menschen ein Auto, um<br />

es im Notfall nutzen zu können. Hier<br />

brauchen sie einen Bus, den Sie im Notfall<br />

nehmen können.“ Und auch, wenn das<br />

Auto auf dem Land Verkehrsmittel Nummer<br />

eins bleiben wird, brauchen die Bürger<br />

Alternativen, ist Büddig überzeugt, eine<br />

Art Sicherheitsnetz für ihre Mobilität.<br />

Das gilt besonders für ältere Menschen,<br />

die nicht mehr selbst Auto fahren können.<br />

Aber auch für Schüler, die zum Unterricht<br />

oder zum Sport wollen und von<br />

den Eltern nicht ständig über Land kutschiert<br />

werden können.<br />

Text: Claus Christoph Eicher, Thomas Paulsen<br />

Ausführliche Ergebnisse des Monitors „Mobil auf<br />

dem Land“: adac.de/monitor<br />

Fotos: Michael Löwa (1)<br />

52 <strong>ADAC</strong> motorwelt 12/2018

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