ADAC Motorwelt Januar 2019
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SICHER & MOBIL<br />
Stefan Meinig macht das Geschäft mit<br />
Virta nicht, mailt ihm aber noch, dass er<br />
sich das Motorrad in seinem Finnland-<br />
Urlaub gern vor Ort anschauen würde.<br />
Verständlicherweise bekommt er keine<br />
Antwort – denn die Maschine existiert<br />
vermutlich nur auf dem Foto.<br />
Wie auch der Oldtimer, der dem<br />
Rock’n’Roll-Sänger Peter Kraus, 79, angeboten<br />
wurde: ein Mercedes 300 SL Flügeltürer,<br />
Baujahr 1956, mit deutscher Zulassung,<br />
Erstbesitz, Originalzustand. „Von<br />
so einem Auto träumen alle Oldtimer-<br />
Sammler“, erzählt Kraus, „so ein Schnäppchen<br />
reizt jeden.“ Der angebliche Verkäufer<br />
möchte 1,5 Millionen. Als Kraus ihm<br />
sagt, dass das zu viel sei, geht er später<br />
auf 800.000 € runter. Sein Angebot an<br />
Kraus: Sie als Sammler können ihn besser<br />
verkaufen als ich, dafür bekommen Sie<br />
zehn Prozent Provision.<br />
Aber um das Auto zu Kraus nach Österreich<br />
zu bringen, brauche er Geld: um die<br />
Miete für die Garage zu zahlen, in der der<br />
edle Wagen in Süddeutschland stehe. Er<br />
habe in letzter Zeit viel Pech gehabt und<br />
sei daher sehr knapp bei Kasse.<br />
Kraus zweifelt inzwischen, ob es den<br />
Oldtimer wirklich gibt, überweist aber<br />
„Traumwagen<br />
günstig abzugeben“<br />
Internetbetrüger sind trickreich. Hier sollten<br />
Sie bei Angeboten hellhörig werden:<br />
Schnäppchenpreis Betrüger locken ihre<br />
Opfer mit Preisen weit unter Marktwert.<br />
Fahrzeug im Ausland Ich musste plötzlich ins<br />
Ausland umziehen, daher ist das Auto so<br />
günstig abzugeben, so der Anbieter. In Wirklichkeit<br />
existiert es nicht.<br />
Anzahlung Für den Transport nach Deutschland<br />
soll der Käufer vorab zahlen. An eine<br />
Logistikfirma, die angeblich als Treuhand-<br />
Service fungiert: Das Geld soll erst an den<br />
Verkäufer gehen, wenn die Ware geprüft<br />
und ausgeliefert ist. Der Betrüger erfragt so<br />
persönliche Daten, die eine Auszahlung<br />
des Geldes an ihn ermöglichen.<br />
Oldtimer-Liebhaber: Entertainer Peter Kraus<br />
500 €. Später dann noch mal 240 €, damit<br />
der Oldtimer versichert ist, und weitere<br />
300 € für den Transport zu ihm.<br />
Danach hört er nichts mehr. Der Musiker,<br />
der nach seinem 80. Geburtstag <strong>2019</strong><br />
wieder auf große Tournee geht, erstattet<br />
Anzeige und hofft, dass die Staatsanwaltschaft<br />
dem Betrüger das Handwerk legen<br />
wird. „Ich nehme an, dass er auch andere<br />
getäuscht hat“, sagt Kraus, „und ich<br />
möchte nicht, dass er weitermacht.“<br />
Verkäufer werden mit Verträgen<br />
im E-Mail-Anhang überrumpelt<br />
Allerdings werden auch Verkäufer reingelegt:<br />
<strong>ADAC</strong> Mitglied Lars Vollbrecht inserierte<br />
einen Kleinwagen mit Motorschaden<br />
für Bastler. Aus Berlin meldete<br />
sich ein Händler, der das Auto unbedingt<br />
wollte. Sie vereinbarten einen Besichtigungstermin<br />
für den nächsten Tag. „Ich<br />
schicke Ihnen eine kurze E-Mail, antworten<br />
Sie mit der Adresse, zu der ich kommen<br />
soll“, sagte der Anrufer. Das klang<br />
nicht verdächtig, schließlich stand in der<br />
Annonce nur die Straße, aber keine Hausnummer.<br />
Also antwortete Vollbrecht auf<br />
die E-Mail. Und tappte in eine Falle.<br />
Er übersah in der Hektik – wegen des<br />
Inserats stand sein Telefon nicht mehr<br />
still –, dass im Anhang der E-Mail ein<br />
Kaufvertrag war. „Davon war beim Telefonat<br />
nie die Rede“, sagt er. Wenige Minuten<br />
später verkaufte er das Auto an einen<br />
Interessenten, der es gleich mit einem<br />
Anhänger abholte. Vollbrecht informierte<br />
den Händler aus Berlin sofort, dass der<br />
Wagen jetzt schon verkauft sei, er den Besichtigungstermin<br />
absagen müsse. Der<br />
Händler reagierte empört, drohte, Vollbrecht<br />
auf die Herausgabe des Autos zu<br />
verklagen. Schließlich hätten sie einen<br />
Kaufvertrag geschlossen, und er habe<br />
schon jemanden, dem er das Auto weiterverkaufen<br />
könne. Kurz darauf teilte er<br />
Vollbrecht mit, dass er von seinem Anwalt<br />
hören würde. Das passierte dann wenige<br />
Tage später per E-Mail und per Post.<br />
Die Forderung: Herausgabe des Autos.<br />
Im Internet findet Vollbrecht mit den<br />
Begriffen „Auto“, „Abzocke“ und dem<br />
Namen des Händlers ähnliche Fälle. Seiner<br />
kommt jetzt vor Gericht. Da das Auto<br />
weg ist, geht es um einige Hundert Euro<br />
Schadenersatz. Also das Geld, das der<br />
Händler angeblich mit dem Weiterverkauf<br />
des Wagens verdient hätte.<br />
<strong>ADAC</strong> Juristin Silvia Schattenkirchner<br />
kennt diese Masche: „Das hat System,<br />
Ziel ist hier nicht der Erwerb des Fahrzeugs,<br />
sondern, später Schadenersatz zu<br />
verlangen, weil man es angeblich weiterverkaufen<br />
wollte.“ Die Betrüger nutzen<br />
die Unwissenheit vieler Verbraucher in<br />
puncto Kaufvertrag. „Die wenigsten wissen,<br />
wie schnell ein Kaufvertrag zustande<br />
kommen kann“, erklärt die Juristin. „Das<br />
geht per E-Mail oder sogar mündlich.“<br />
Streiten lässt sich ihrer Ansicht nach<br />
aber im Einzelfall, ob die bloße Angabe<br />
der Adresse bereits als verbindliche Zustimmung<br />
zum Kaufvertrag zu werten ist.<br />
„Dazu kommt der Überrumpelungseffekt,<br />
der zur Abgabe einer Erklärung<br />
verleitet, die man gar nicht abgeben will.“<br />
Um sich zu schützen, rät sie, keine Zusage<br />
zu erteilen, solange man nicht wirklich<br />
verkaufen will. „Bestätigen Sie den<br />
Kaufvertrag nicht per E-Mail, sondern<br />
formulieren Sie unverbindlich. Zum Beispiel:<br />
Sie können jederzeit nach Terminvereinbarung<br />
das Auto besichtigen.“<br />
Text: Christof Henn<br />
Mehr zum Thema: sicherer-autokauf.de<br />
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Foto: Balimero/Brauer Photos<br />
60 <strong>ADAC</strong> motorwelt 12/2018