Berliner Kurier 19.01.2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
*<br />
Legaler Rausch<br />
BERLIN 9<br />
Oma Brigittes kleine<br />
Haschisch-Bäckerei<br />
Die<br />
Blüten für die Kekse<br />
stehen in einer verschlossenen<br />
Dose bei Brigitte Biesel<br />
im Küchenschrank.<br />
Oma Brigitte erhält<br />
Cannabis auf Rezept in<br />
der Apotheke. Die 1000<br />
Euro im Jahr zahlt sie<br />
selbst.<br />
Die 81-Jährige bekommt Cannabis auf Rezept und macht daraus leckerePlätzchen<br />
Von<br />
KERSTIN HENSE<br />
Köpenick – 200 Gramm Mehl,<br />
ein wenig Zitronensaft, ein<br />
Tütchen Vanillezucker und<br />
1,5 Gramm Cannabis. Das<br />
sind nur einige der Zutaten,<br />
wenn Oma Brigitte Kekese<br />
bäckt. Ihre schmecken nicht<br />
nur gut, sondern sie machen<br />
auch glücklich. Rentnerin<br />
Brigitte Biesel aus Köpenick<br />
backt sich Haschkekse selbst<br />
–und das ganz legal.<br />
Fotos: Eric Richard<br />
Oma Brigitte sitzt am Küchentisch<br />
ihres Reihenhauses. Vor<br />
ihr steht eine weiße Tupperdose,<br />
aus der es süßlich-würzig<br />
riecht. Sie legt kleine Sterne,<br />
Herzen und Monde auf einen<br />
Teller, die sie aus dem Teig ihres<br />
Spezialrezepts ausgestochen<br />
hat. „Das ist der Rest von<br />
Weihnachten. Sehen Sie das<br />
Grüne, was da durchschimmert?<br />
Das sind die Blüten“, erklärt<br />
sie.<br />
Eine 81-Jährige, die Haschkekse<br />
backt, das klingt zunächst<br />
lustig und ungewöhnlich,<br />
aber dahinter verbirgt sich<br />
eine tragische Geschichte. Die<br />
Rentnerin ist chronisch krank<br />
und backt sich ihre Medikamente<br />
mit verordnetem Cannabis<br />
aus der Apotheke.<br />
Als sie 20 ist, diagnostiziert<br />
ihr Arzt dasRestless-Legs-Syndrom,<br />
bei dem Betroffene ein<br />
brennendes, stechendes oder<br />
kribbelndes Gefühl in den Beinen<br />
verspüren, wenn sie zur<br />
Ruhe kommen. „Ich konnte<br />
nachts nicht mehr ruhig liegen<br />
und war stundenlang wach“,<br />
sagt sie. Trotz nur zwei Stunden<br />
Schlaf pro Nacht oder weniger<br />
arbeitet sie als Herrenschneidermeisterin<br />
und macht<br />
nebenher ein Abendstudium in<br />
Bekleidungstechnologie.<br />
Doch ihre Krankheit zerstört<br />
die Zukunftspläne. Wegen der<br />
Schlafstörungen bekommt sie<br />
eine Depression und muss das<br />
Studium abbrechen. Schließlich<br />
macht sie ein schwerer<br />
Bandscheibenvorfall mit Mitte<br />
40 arbeitsunfähig. Sie hat Lähmungserscheinungen<br />
und unerträgliche<br />
Schmerzen. „Mein<br />
Rücken fühlte sich an, als würde<br />
er auseinanderbrechen“,<br />
sagt sie. Nach einer aufwendigen<br />
Operation geht es ihr besser,<br />
aber die Schmerzen in den<br />
Beinen bleiben.<br />
Biesels Ärzte pumpen sie mit<br />
Chemie voll. Antidepressiva,<br />
Morphium, Tabletten fürs<br />
Herz. Die „schweren Geschütze“<br />
verätzen ihren Magen und<br />
verursachen Darmblutungen.<br />
Anfang 2000 erleidet sie einen<br />
Schlaganfall. Mehr als 50 Mal<br />
war sie in der Klinik. Ehemann<br />
Helmut (76) ist stets an ihrer<br />
Seite und trocknet ihre Tränen,<br />
wenn sie, wie so oft, am Ende<br />
ihrer Kräfte ist.<br />
Erst als ihr Enkel ihr vor drei<br />
Jahren Cannabiskekse mitbringt,<br />
verringert sich ihr Leiden..<br />
„Zuerst war ich unsicher,<br />
aber dann ging es mir immer<br />
besser. Das hat mich überzeugt“,<br />
sagt sie. Sie kann wieder<br />
allein Treppensteigen und auch<br />
kleinere Arbeiten in ihrem Garten<br />
erledigen.<br />
Heute bäckt sich Biesel aus<br />
Teig eigene Plätzchen. Das<br />
Cannabis, das ihr eine Privatärztin<br />
verschreibt, wiegt sie auf<br />
einer Feinwaage ab und zerstanzt<br />
die Blüten in einem Mörser.<br />
Seit 2017 können Ärzte in<br />
Deutschland Cannabis verordnen,<br />
aber sie tun sich schwer<br />
damit. „Vielen Ärzten fehlen<br />
noch Erfahrungswerte und sie<br />
sind nicht bereit, sich darauf<br />
einzulassen“, so Dr. Christian<br />
Kessler, Oberarzt am Immanuel-Krankenhaus<br />
in Zehlendorf.<br />
Brigitte Biesel kann die Skepsis<br />
nicht verstehen. Sie sagt:<br />
„Ich liege doch nicht bekifft auf<br />
dem Sofa, sondern halte mich<br />
an die Dosierung.“<br />
Wie die Kulisse eine<br />
Horrormärchens: Die<br />
alte Kinderklinik ist nur<br />
noch eine Bruchbude.<br />
Fotos: Henseke<br />
Klinikruine in Weißensee<br />
wird besser gesichert<br />
Berlin –Das alte Kinderkrankenhaus<br />
Weißensee ist ein Ärgernis<br />
–für Anwohner und Politik<br />
(KURIER berichtete). Seit<br />
Jahren wird darum gerungen,<br />
was mit dem Areal passiert,<br />
Wohnungen oder eine Schule<br />
wären möglich. Jetzt soll die<br />
Klinikruine, durch die jeden<br />
Tag Neugierige streifen, aber<br />
erst einmal besser gesichert<br />
werden. „Es gibt konkrete Risiken<br />
für Leib und Leben auf dem<br />
Areal. Wir wollen verhindern,<br />
dass Personen unbefugt das Gelände<br />
betreten“, erklärt Birgit<br />
Möhring, Geschäftsführerin<br />
der BIM, der landeseigenen<br />
<strong>Berliner</strong> Immobilienmanagement<br />
GmbH, die das Grundstück<br />
verwalten wird. Die BIM<br />
handelt, obwohl die Umschreibung<br />
noch nicht offiziell erfolgt<br />
ist. Denn in den Gebäuden besteht<br />
hohe Absturzgefahr, auch<br />
Teile des Dachstuhls sind einsturzgefährdet.<br />
In den nächsten<br />
Wochen wird der Zaun repariert,<br />
das Betreten durch zusätzliche<br />
Bauzäune verhindert,<br />
der Schutt beräumt, ein Fußgängerschutztunnel<br />
errichtet<br />
und Fangschutznetze installiert.<br />
Zudem wird ein Sicherheitskonzept<br />
erarbeitet. STH<br />
Foto: dpa<br />
Absturz-Opfer<br />
identifiziert<br />
Strausberg –Nach dem Absturz<br />
eines Kleinflugzeugs bei<br />
Oberbarnim am vergangenen<br />
Sonnabend ist die Identität der<br />
Opfer geklärt. Bei den beiden<br />
Insassen handelte es sich laut<br />
Polizei um einen Mann (64)<br />
aus Sachsen-Anhalt und einen<br />
65-jährigen Brandenburger.<br />
Einer von ihnen war Lehrer einer<br />
Flugschule. Bei dem anderen<br />
Opfer handelte es sich vermutlich<br />
um einen Piloten, der<br />
seine Lizenz erneuern wollte.<br />
Zum Absturzhergang wird<br />
weiter ermittelt. Das in Strausberg<br />
gestartete Flugzeug war<br />
nahe der Gemeinde Oberbarnim<br />
auf ein Feld gestürzt.