Berliner Kurier 03.02.2019

16 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 3. Februar 2019
Eins mitder
Natur
Schon vor 10000 Jahren siedelten
Sámi in Europa. Und doch ist wenig
über sie bekannt.ZuBesuch bei den
Ureinwohnern unseres Kontinents
Dunkelheit kommt auf.
Trine Beddari stapft
den Hang hinauf, am
mit Holz verkleideten
Wohnhaus vorbei, bis zu einem
großen Tor. Zig Augenpaare
leuchten im Dämmerlicht.
Sie öffnet das Gatter.
Freudiges Schwanzwedeln. Es
ist still, obwohl die fünfzig Huskys
sie längst gewittert haben.
Ein kurzes Bellen zerreißt die
Stille, dann ist es wieder ruhig.
Die Tiere vertrauen ihr. Kein
Wunder. „Ich lege mich mit
meinem Schlafsack zwischen
die Hütten und schlafe hier
draußen“, sagt sie, „bei den
Hunden.“
Mit der Natur, mit den Tieren
leben: Für Trine ist das nicht
nur eine Floskel, sondern eine
Lebenseinstellung. Sie ist Sámi.
Im Norden Norwegens, südlich
von Kirkenes, betreibt sie eine
Huskyfarm. Die Region gehört
wie auch der nördliche Teil
Schwedens, Finnlands und die
russische Kola-Halbinsel zum
Siedlungsgebietder Sámi.
Sápmi, das „Land der Samen“,
ist 388000 Quadratkilometer
groß. Nur wenige Spuren –
Feuerstellen, Steinhaufen und
Reste von Rentierkoppeln –lassen
erahnen, dass hier seit Generationen
Menschen leben.
Aus Osten kommend, siedelten
die ersten Sámi hier vermutlich
vor 10000 Jahren als Viehzüchter,
Fischer und Jäger. Sie
gelten daher als älteste Bevölkerung
Europas.
Erstarkende Nationalstaaten
veränderten das Leben der
Sámi. Das „primitive Volk, unfähig,
eine höhere Kulturstufe
zu erreichen“, wie es hieß, wurde
zur Assimilation gezwungen:
Es wurde diskriminiert
und ausgebeutet, enteignet und
zwangsumgesiedelt, teilweise
versklavt. Viele Sámi verschwiegen
daher ihre Herkunft.
„Sámi zu sein, war eine Schande“,
sagt Trine. Erst in den letz-
Lange Strecken laufen und
große Kälte aushalten zu
können, macht Huskys zu
perfekten Schlittenhunden.