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Am 22. März 2017 wurde das Heilige Grab, der Mittelpunkt der Jerusalemer Grabeskirche, nach<br />

einer mehrjährigen Restaurierungsphase wieder zum Besuch und zur Andacht freigegeben. Doch<br />

wie authentisch ist die Tradition der Grablege Jesu? Von Jürgen Krüger<br />

© kna<br />

Mit der komplizierten Restaurierung<br />

sind die Schäden, die<br />

beim Erdbeben <strong>19</strong>28 entstanden<br />

waren, behoben worden und die<br />

fast unendliche Geschichte der Instandsetzung<br />

der Grabeskirche wurde vorläufig<br />

abgeschlossen. Nachdem die Grabkapelle<br />

als solche offensichtlich viel<br />

jünger ist – gerade einmal etwas über<br />

200 Jahre –, kommen dem Besucher unwillkürlich<br />

Fragen: Wie und wann entstand<br />

das Heilige Grab, ist es überhaupt<br />

authentisch und ist dieser Ort als Grabstätte<br />

Jesu glaubwürdig? Die Zweifel begleiteten<br />

die Pilger schon im Mittelalter,<br />

also lange vor der Reformationszeit. Wie<br />

kommt es, dass das Grab mitten in der<br />

Stadt liegt, wo doch früher Grabstätten<br />

immer außerhalb von Ortschaften lagen?<br />

Das echte Grab?<br />

Wie kann man nach Jahrtausenden ein<br />

Grab identifizieren, das nur anderthalb<br />

Tage belegt war? Diese Frage kann auch<br />

ein heutiger Kriminalist mit modernsten<br />

Methoden kaum beantworten. Jesus<br />

hat keine Spuren hinterlassen, die eine<br />

DNA-Analyse ermöglichen würden, keine<br />

Inschrift wurde am Grab angebracht.<br />

Die wichtigsten Zeugnisse liefern die<br />

Evangelien (Matthäus 27,31-38; Lukas<br />

23,48-49; Johannes <strong>19</strong>,16-20). Nach dieser<br />

Tradition befanden sich die Hinrichtungsstätte<br />

und das Grab außerhalb der<br />

Stadt; die Grabstätte, nach alter Sitte ein<br />

Felsengrab, hatte ein Jünger Jesu für sich<br />

angelegt, nun wurde es kurzfristig für<br />

den Herrn genutzt, denn die Grablegung<br />

musste nach alter jüdischer Sitte am<br />

selben Tag vor Einbruch der Dunkelheit<br />

geschehen. Die Erzählungen der Evangelisten<br />

entsprechen dem Befund am<br />

Heiligen Grab, denn im Innern der Grabkapelle<br />

befindet sich eine Grabkammer,<br />

die aus dem Felsen gehauen worden war<br />

und genau eine Grabstätte aufweist. Zusammen<br />

mit anderen Felsengräbern jener<br />

Zeit, wie dem bekannten Gartengrab<br />

außerhalb des Damaskustores, kann<br />

man sich das ursprüngliche Aussehen<br />

also gut vorstellen.<br />

Felsengräber gab es jedoch viele zur<br />

Zeit Jesu, sodass die Lokalisierung des<br />

Komplexes der Hinrichtungsstätte Golgota<br />

und des nahe liegenden Grabes das<br />

zentrale Problem für Generationen von<br />

Forschern und Gläubigen geworden ist.<br />

Unmittelbar nach dem Tod Jesu geschah<br />

mit der Grabstätte nichts weiter.<br />

Da Jesus auferstanden und in den Himmel<br />

aufgefahren war, war eine Grabpflege<br />

nicht notwendig, und die ersten<br />

Christen verwendeten noch keine Zeit<br />

auf eine Memoria in irgendeiner Weise,<br />

genauso wenig wie sie monumentale<br />

Kirchen für die Gottesdienste einrichteten.<br />

In Jerusalem folgten unruhige und<br />

schlimme Zeiten. Im Zuge von Auseinandersetzungen<br />

der Juden mit der römischen<br />

Besatzungsmacht wurde 70 nC<br />

der Tempel zerstört, und beim Bar-<br />

Kochba-Aufstand (132–135 nC) wurde die<br />

Stadt vollkommen vernichtet. Die Juden<br />

wurden vertrieben und auf den Ruinen<br />

die römische Colonia Aelia Capitolina<br />

angelegt. Diese neue, römische Stadt<br />

mit ihren regelmäßigen Straßen hatte<br />

wie alle Städte in den römischen Provinzen<br />

ihre Mitte in einem großen Platz,<br />

dem Forum, an dem sich die Hauptstraßen,<br />

Cardo und Decumanus maximus,<br />

kreuzten. Das Forum und der dazugehörige<br />

Tempel kamen genau in dem<br />

Gebiet vor der Grabeskirche zu liegen.<br />

Damit verschwanden Golgota und Grab<br />

unter römischen Staatsbauten. Eusebius<br />

berichtete im 4. Jh., dass über dem<br />

Golgota hügel ein Venusheiligtum eingerichtet<br />

worden sei. Daneben soll ein<br />

größerer Tempel errichtet worden sein.<br />

Die Spuren der heidnischen Bauten sind<br />

bislang aber nicht zuverlässig in diesem<br />

Areal auszumachen.<br />

Das Bauprogramm von<br />

Kaiser Konstantin<br />

Mit Kaiser Konstantin (reg. 306–337 nC)<br />

kam für die Christen die große Wende.<br />

Die christliche Religion wurde nun nicht<br />

nur geduldet (Toleranzedikt von Mailand<br />

313 nC), sondern der Kaiser förderte<br />

den Kult sogar. Für die jetzt schon starken<br />

christlichen Gemeinden konnten<br />

nun Kirchen als Versammlungsgebäude<br />

errichtet werden, und Konstantin selbst<br />

kümmerte sich um eine ganze Reihe von<br />

signifikanten Bauten in Rom und Jerusalem.<br />

Die Abfolge der Ereignisse spricht<br />

für sich: 324 nC besiegte der Kaiser seinen<br />

Mitregenten und Rivalen Licinius<br />

und wurde im Römischen Reich Alleinherrscher.<br />

Ein Jahr darauf berief er das<br />

erste Ökumenische Konzil nach Nicäa<br />

ein, auf dem die versammelten Bischöfe<br />

das christliche Glaubensbekenntnis<br />

formulierten, das zusammen mit kleinen<br />

Veränderungen auf dem Konzil von<br />

Konstantinopel 381 nC bis heute Grundlage<br />

der christlichen Lehre ist. Danach<br />

gab er zusammen mit seiner Mutter<br />

Helena drei Kirchenbauten im Heiligen<br />

Land in Auftrag: eine Kirche über der<br />

Geburtsstätte Jesu, eine weitere über<br />

den Stätten der Passion und des Grabes<br />

Jesu sowie die dritte am Ölberg am Ort<br />

der Himmelfahrt. Der Kaiser, zusammen<br />

mit seiner Mutter, trat sehr konkret und<br />

ganz im Rollenverständnis eines antiken<br />

Herrschers auf, der dem Gott, der ihm<br />

hilfreich beigestanden hatte (zum Beispiel<br />

in der Schlacht an der Milvischen<br />

Brücke), nun Tempel weiht, und zwar<br />

an den Stellen, wo Gott in Form eines<br />

Sohnes erschienen war: Diese Stätten<br />

waren zuvor im Glaubensbekenntnis<br />

formuliert worden. Insofern können die<br />

entsprechenden Kirchen als steinernes<br />

Glaubensbekenntnis aufgefasst werden.<br />

Eusebius, Bischof von Cäsarea und<br />

Biograf des Kaisers, schilderte die Umstände<br />

des Baus der Kirche mitten im<br />

römischen Jerusalem detailreich. Die<br />

welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong> 27

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