Die heutige Fassade der Grabeskirche stammt aus der Kreuzfahrerzeit. Das Doppel portal spielt auf das „Goldene Tor“ des Tempelplatzes / Haram asch-Scharif an und charakterisiert die Kirche als „neuen Tempel“.
Die Grabeskirche der Kreuzfahrer und ihre Ausstattung Ein neuer Tempel der Auferstehung Die heutige Grabeskirche geht im Wesentlichen auf die Kreuzfahrerzeit zurück. Allerdings war die Ausstattung – vor allem mit Mosaiken – ungleich prächtiger. Das meiste ist mittlerweile leider verloren, doch anhand der Quellen lässt sich eine Vorstellung dessen gewinnen, was das Bauprogramm der Kreuzfahrer inspirierte. Von Georg Röwekamp © bible wlaks Zuerst muss man zur heiligen Grabeskirche (auch Kirche der Märtyrer genannt) gehen, nicht allein wegen der Lage der Straßen, sondern weil sie berühmter ist als alle anderen Kirchen, und das mit Fug und Recht. … Die Kirche erbaute, nach der Auffindung des Kreuzes unseres Herrn, der Erzbischof Maximus, unter Begünstigung des Kaisers Konstantin und seiner Mutter, königlich und prächtig. In der Mitte dieser Kirche ist aber das Grab des Herrn, von einer sehr starken Mauer umgeben und mit einem Dach überdeckt, damit, wenn es regnet, der Regen nicht auf das Heilige Grab fallen kann; die Kirche selbst steht nämlich unbedeckt offen.“ So beschreibt der Angelsachse Saewulf im Jahr 1103 seinen Besuch der Grabeskirche. Er ist einer der ersten Pilger, die nach der Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer 1099 das Heilige Land besucht und dessen Bericht erhalten ist. Besonders dramatisch ist dabei die Schilderung seiner Ankunft in Jaffa: Nachdem er mit einem kleinen Boot an Land gebracht worden ist, muss er zusehen, wie sein auf Reede liegendes Schiff von einem Sturm zerstört wird, Masten brechen und viele Seeleute und Reisende dramatisch ums Leben kommen. Was er als Grabeskirche Konstantins beschreibt, ist in Wirklichkeit das, was nach der Zerstörung durch den Kalifen al-Hakim im Jahr 1009 übrig geblieben bzw. vom byzantinischen Kaiser Monomachos (1042–55) wiederaufgebaut wurde. Das „Martyrium“, die eigentliche Kirche in Form einer gewaltigen Basilika, besteht nicht mehr; der Hof zwischen ihr und der Rotunde der Anastasis ist zur „Vorhalle“ des Rundbaus geworden; dort zeigt man Saewulf das Gefängnis Christi und die Geißelsäule. Von hier steigt er zum Golgotafelsen hinauf. Das Grab selbst ist nur noch ein Nachbau des Originals, bei dem eine „Engelskapelle“ vor die Grabkammer gesetzt wurde, und das – nicht zuletzt wegen der Kerzen, die darin angezündet werden – nach oben offen, aber mit einem Dach oder Ziborium überdeckt ist. Komplizierte Architektur Diese Anlage wurde zum Ausgangspunkt der Kreuzfahrer-Grabeskirche, die in ihren Grundzügen bis heute besteht. Sie erscheint im Vergleich zur konstantinischen Ausführung bescheiden und ist für viele heutige Besucher verwirrend, ja abschreckend. Und doch ist der Bau nicht nur von den besten Künstlern dieser Zeit errichtet worden, sondern es liegt ihm auch ein theologisches Konzept zugrunde, das bis heute einen Zugang zu dem Bauwerk ermöglicht. Schon der Bau von Kaiser Monomachos hatte auf die große Basilika verzichtet, am Ostrand des Hofes eine Apsis hinzugefügt und in der Südostecke eine Art zweistöckige Golgotakirche errichtet. Dieser Komplex aus Hof und Rotunde erhielt im Süden einen Vorplatz, der bis heute besteht; die dort aufgerichteten Säulen wurden allerdings 1187 nach Mekka gebracht; lediglich die Basen sind noch vor Ort. Die gewaltigen Säulen der Rotunde wurden halbiert (deshalb sehen manche Säulenfüße heute unterschiedlich aus), sodass im Innern ein dreistöckiger Rundbau mit Säulenkranz, Umgang und Blendbögen entstand, in denen Mosaiken Kaiser Konstantin, Die Säulen vom Vorplatz wurden 1187 nach Mekka gebracht Helena, die Apostel und – im Westen – Michael zeigten. Das neue, oben offene Dach hatte die konische Form, die sich seitdem auf zahllosen Darstellungen findet (s. S. 43) – erst 1866–68 erhielt die Rotunde mithilfe eines Stahlskeletts wieder eine Kuppel. Nachdem die Kreuzfahrer als ersten Bau in den Ruinen der konstantinischen Basilika die „unterirdische“ Helena kapelle errichtet hatten (u. a. mit Kapitellen aus der al-Aqsa-Moschee), entstand östlich der Rotunde bald eine komplett neue Kirche im romanischen Stil inklusive Chorumgang und Kapellenkranz. In der Apsis wurde ein großes Mosaik angebracht, das die „Anastasis“ darstellte – das traditionelle Osterbild der östlichen Kirche zeigt Christus, wie er Adam und Eva (stellvertretend für die ganze Menschheit) aus dem Reich des Todes befreit. Da dieses Bild ver welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong> 41