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© Alamy<br />

(Reste des Putzbettes sind im rechten Feld unten<br />

noch zu erkennen). Noch eindrucksvoller aber<br />

ist die inhaltliche Konzeption. Schon die Wahl<br />

einer „Doppeltoranlage“ ist bemerkenswert –<br />

war doch in mittelalterlichen Kathedralen ein<br />

dreifaches Portal die Regel. Wenn diese Möglichkeit<br />

hier nicht gewählt wurde, muss das Gründe<br />

haben. Tatsächlich knüpft man hier wohl an ein<br />

anderes berühmtes Doppeltor in Jerusalem an –<br />

an das Goldene (Ost-)Tor des Tempels! So wird<br />

nicht nur der „neue Tempel“ der Grabeskirche<br />

in Bezug zum alten gesetzt, vielmehr wird auch<br />

ein Bezug hergestellt zwischen dem Einzug Jesu<br />

in Jerusalem als König am Palmsonntag und seinem<br />

„Einzug“ auf Golgota als dornengekrönter<br />

König am Karfreitag. Gleichzeitig erschließt das<br />

Doppeltor die beiden wichtigsten heiligen Orte:<br />

Golgota, den Ort des Todes (rechts), und das<br />

Grab als Ort der Auferstehung (links). So „illustriert“<br />

das Portal gleichzeitig die christliche Lehre<br />

von den „zwei Wegen“, von denen einer zum<br />

Tod, einer zum Leben führt.<br />

Dazu passen auch die Darstellungen auf den<br />

Friesen über den Türen, die <strong>19</strong>27 nach einem<br />

Erdbeben abgenommen wurden und sich heute<br />

im Rockefeller-Museum befinden: Auf dem<br />

rechten Fries, d. h. über der Tür, die zu Golgota<br />

führte, sind zahlreiche Ranken dargestellt,<br />

in denen Menschen verschlungen sind – vermutlich<br />

ein Bild für die Menschen, die in den<br />

Fängen der Sünde gefangen sind (wobei eine<br />

„doppeldeutige“ Aussage nicht unmöglich ist:<br />

Der „Baum des Kreuzes“ wird durch Jesu Tod<br />

zum „Baum des Lebens“). Und das linke Bild<br />

zeigt Szenen aus den letzten Tagen des Lebens<br />

Jesu – sozusagen die Vorgeschichte dessen, was<br />

in der Kirche erinnert wird: Auferweckung des<br />

Lazarus, Einzug in Jerusalem und Abendmahl.<br />

Besonders die beiden rahmenden Szenen haben<br />

einen direkten Bezug zu Tod und Auferstehung<br />

Jesu (wobei auch bei diesem Fries eine weitere<br />

Ebene mitschwingen mag: Betanien, der Ölberg<br />

und der Zionsberg werden ebenfalls von Augustiner-Chorherren<br />

betreut, die kurz nach der<br />

Eroberung mit dem Dienst an der Grabeskirche<br />

betraut wurden und für die östlich der Kirche ein<br />

Kreuzgang mit Kloster errichtet wurde, dessen<br />

Überreste auf dem Dach der Helenakapelle noch<br />

sichtbar sind).<br />

Die späteren Veränderungen, die am Bau der<br />

Kreuzfahrer vorgenommen wurden, sind auf<br />

den ersten Blick erheblich, v. a. weil sie die Aufmerksamkeit<br />

auf sich ziehen. Das gilt besonders<br />

für den Salbungsstein im Eingangsbereich. Er<br />

wurde von den Franziskanern dort platziert,<br />

besonders, weil der gesamte Bereich von Golgota<br />

bis zum 15. Jh. von den Griechen betreut<br />

wurde. Die 1588 von Frederico Medici gestifteten<br />

Schranken mit bronzenen Reliefbildern, die ihn<br />

umgeben sollten, konnten angesichts der Art,<br />

wie man im Orient solch ein Heiligtum verehrt,<br />

nie angebracht werden – sie zieren nun den Altar<br />

in der lateinischen Kapelle auf Golgota. Und<br />

hinter dem Salbungsstein befindet sich heute<br />

eine Mauer, die das einst offene Hauptschiff der<br />

Griechen abschließt – immerhin illustrieren die<br />

neobyzantinischen Mosaiken genau die Stationen<br />

„zwischen“ Golgota und Grab: Kreuzabnahme,<br />

Salbung und Grablegung. Bei genauerem<br />

Hinsehen entdeckt man jedoch in der Kirche<br />

nicht nur, dass der Grundriss des Kreuzfahrerbaus<br />

unverändert ist, sondern auch weitere interessante<br />

Spuren der mittelalterlichen Anlage. So<br />

zeigt z. B. eines der wenigen figürlich gestalteten<br />

Kapitelle im nördlichen Seitenschiff vermutlich<br />

König Salomo.<br />

Interessanter aber erscheint die Tatsache,<br />

dass die Kreuzfahrer, die (wie nicht zuletzt mittelalterliche<br />

Bilder zeigen) glaubten, dass Christus<br />

ihnen als Heerführer voranzieht, einen Bau<br />

errichteten, der – als Endpunkt der ebenfalls<br />

von ihnen geschaffenen Via Dolorosa – ganz<br />

dem Leiden Christi gewidmet ist. So sehr man<br />

die Idee des „heiligen Krieges“, die die Kreuzfahrer<br />

ins Heilige Land getrieben hat, ablehnen<br />

muss, so ist doch „ihre“ Grabeskirche auch ein<br />

Zeugnis tiefgründiger Theologie. Und vor allem<br />

hat – Ironie der Geschichte – diese Entdeckung<br />

des leidenden Jesus durch die Kreuzfahrer und<br />

die Pilger ihrer Zeit die Frömmigkeit des Abendlandes<br />

in Richtung auf „compassio“ und Mit-<br />

Leid hin grundlegend verändert. W<br />

Die Türstürze der<br />

kreuzfahrerzeitlichen<br />

Grabeskirche waren<br />

mit kunstvollen Reliefs<br />

verziert. Hier eine<br />

Darstellung des letzten<br />

Abendmahls. 12. Jh.,<br />

Rockefellermuseum,<br />

Jerusalem.<br />

Dr. Georg Röwekamp,<br />

Theologe mit Schwerpunkt<br />

Alte Kirchengeschichte und<br />

Repräsentant des „Deutschen<br />

Vereins vom Heiligen<br />

Lande“ in Jerusalem.<br />

welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong> 45

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