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Das Heilige Grab<br />

in der Cyriakuskirche<br />

von Gernrode<br />

mit der Darstellung<br />

von Maria Magdalena<br />

an einer<br />

Außenwand ist wohl<br />

der älteste „Nachbau“<br />

des Grabes<br />

Jesu in Deutschland.<br />

© public domain, wikimedia, RomkeHoekstra - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0<br />

Zeit um 1260 steht in der sogenannten<br />

Mauritius rotunde, die die Anastasis<br />

nachahmt – und schon vorher, um<br />

940, hatte darin eine Kopie des Grabes<br />

„ähnlich dem in Jerusalem“ gestanden<br />

(sepulchrum Domini in similitudine illius<br />

Ierusalemitani), welches der Bischof<br />

Konrad von Altdorf nach der Rückkehr<br />

von seiner zweiten Pilgerreise nach Rom<br />

hatte errichten lassen.<br />

Eine künstlerische Kostbarkeit stellt<br />

auch das von Giovanni Rucellai in einer<br />

Seitenkapelle der Florentiner Kirche<br />

S. Pancrazio errichtete Grab (um 1460)<br />

dar: Er hatte damit einen der angesehensten<br />

Architekten seiner Zeit, Leon<br />

Battista Alberti, beauftragt. Der Bau<br />

zeigt zwar einige „orientalische“ Details<br />

(besonders ein Ziborium mit gedrehtem<br />

Kegel) und – als echter Renaissancebau<br />

– antike Stilelemente, ist aber ansonsten<br />

keine Imitation des Jerusalemer Baus.<br />

Eine umlaufende Inschrift, anknüpfend<br />

an römische Tradition, enthält die Botschaft<br />

der Engel: YHESUM QUERITIS<br />

NON EST HIC („Ihr sucht Jesus; er ist<br />

nicht hier …“).<br />

Und doch gibt es auch die „echten“<br />

Nachbauten/Nachahmungen der Grabädikula.<br />

Ein frühes Beispiel befindet<br />

sich im Dom von Aquileia aus dem<br />

11. Jh. Die Rundform mit dem kegelförmigen<br />

Dach passt gut zu den ersten<br />

Pilgerberichten der Kreuzfahrerzeit: Da<br />

ist von einer Überdachung des ganzen<br />

Grabes die Rede (die später durch das<br />

Ziborium ersetzt wurde).<br />

Die vielleicht getreueste Kopie des<br />

Grabes, das die Kreuzfahrer bald neu<br />

gestalteten, ist jene, welche sich heute<br />

in der Kapuzinerkirche in Eichstätt<br />

befindet. Sie entstand nach dem<br />

2. Kreuzzug um 1150/60 in der runden<br />

Heiligkreuzkirche der Iroschotten und<br />

wurde später verlegt. Vor einer ovalen<br />

Grabkammer befindet sich die rechteckige<br />

Engelkapelle, in die neben dem<br />

ursprünglichen Eingang von vorn zwei<br />

weitere Eingänge rechts und links eingelassen<br />

sind: Anders als heute war so<br />

ein „Einbahnverkehr“ durch die Kapelle<br />

möglich. Auch die drei Löcher in<br />

der Bank, auf die der Leichnam gelegt<br />

wurde, mit deren Hilfe die Pilger die<br />

Felsreste berühren konnten, die nach<br />

der Zerstörung des ursprünglichen Grabes<br />

durch den Kalifen al-Hakim übrig<br />

geblieben und nun durch Marmorplatten<br />

weitgehend verdeckt waren, sind<br />

nachgebaut. Dieses Modell prägte die<br />

Vorstellung vom echten Grab so sehr,<br />

dass der Pilger Hans Tucher im 15. Jh.<br />

bemerkte, das Grab in Jerusalem sei<br />

dem in Eystett sehr ähnlich …<br />

Der Aufbau aus Geländer und Ziborium<br />

stammt in Eichstätt allerdings aus<br />

dem <strong>19</strong> Jh. und wurde nach alten Bildern<br />

ergänzt – u. a. nach dem im Bericht<br />

des Bernhard yon Breydenbach, der<br />

eigens den Maler Erhard Reuwich mit<br />

auf die Reise genommen hatte. Dessen<br />

Darstellung hat möglicherweise auch<br />

dem zweiten berühmten Heiligen Grab<br />

im deutschen Sprachraum als Vorlage<br />

gedient, das von dem Görlitzer Bürger<br />

Georg Emmerich zwischen 1481–1504 errichtet<br />

wurde, nachdem er 1465 eine Pilgerreise<br />

unternommen hatte, bei der er<br />

in der Grabeskirche zum Ritter geschlagen<br />

worden war. Die Besonderheit des<br />

Grabes liegt u. a. darin, dass es Teil einer<br />

größeren Gedächtnislandschaft ist:<br />

Neben dem Grab – maßstäblich korrekt,<br />

aber kleiner als das Original – finden<br />

sich u. a. Jüngerwiese, Kidrontal und Ölberg<br />

sowie eine zweistöckige Kalvarienbergkapelle<br />

und eine Salbungskapelle.<br />

Damit steht das Heilige Grab von Görlitz<br />

mit am Anfang einer Entwicklung,<br />

bei der immer größere Teile des Heiligen<br />

Landes nachgebildet oder ganze fromme<br />

„Erlebniswelten“ errichtet wurden,<br />

in denen dann die Ähnlichkeit der Einzelbauten<br />

nur noch eine untergeordnete<br />

Rolle spielte. Das konnte im „Kleinformat“<br />

geschehen, indem man in einem<br />

Bau die wichtigsten Orte zusammenfasste.<br />

Beispiele hierfür sind zum Beispiel<br />

die Jerusalemkirche von Brügge, wo<br />

welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong> 59

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