05.02.2019 Aufrufe

WUB_1_19_Homepage

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Rotunde<br />

Saint-Sépulchre<br />

in Angers stellt eine<br />

maßstabsgetreue<br />

Nachbildung des<br />

Heiligen Grabes dar<br />

(<strong>19</strong>31-35).<br />

die Gestaltung des Haram asch-Scharif<br />

mit al-Aqsa-Moschee und Felsendom<br />

inspiriert hatte, und macht gleichzeitig<br />

den genannten Bezug der Taufe zu Tod<br />

und Auferstehung Jesu überdeutlich!<br />

Unsicher ist, ob die frühgotische Liebfrauenkirche<br />

in Trier, ebenfalls ein eindrucksvoller<br />

Zentralbau, Bezüge nach<br />

Jerusalem aufweist oder ob der Grundriss<br />

lediglich durch die Vorgängerbauten<br />

vorgegeben war. Andererseits besaß und<br />

besitzt der benachbarte Trierer Dom mit<br />

dem „Heiligen Rock“ eine der wichtigsten<br />

Reliquien, die mit der Passion Jesu<br />

in Zusammenhang stehen, und auch die<br />

Liebfrauenkirche besaß einst – wie ab<br />

1300 immer mehr Kirchen – eine spätmittelalterliche<br />

Darstellung der Grablegung.<br />

Aus den zahllosen Bauten, die auf<br />

die Grabeskirche zumindest anspielen,<br />

seien noch zwei hervorgehoben: Im russischen<br />

Istra, 60 km westlich von Moskau,<br />

entstand im 17. Jh. ein kompletter<br />

Nachbau der kreuzfahrerzeitlichen Grabeskirche:<br />

Die Auferstehungskathedrale<br />

des Klosters „Neu-Jerusalem“, die seinerzeit<br />

auch dazu diente, die Machtansprüche<br />

des Patriarchen Nikon zu untermauern,<br />

wurde im 2. Weltkrieg zerstört,<br />

aber inzwischen prachtvoll restauriert.<br />

Selbst das 20. Jahrhundert kennt noch<br />

Nachbauten der Grabeskirche: <strong>19</strong>35<br />

errichtete ein Privatmann im französischen<br />

Angers eine Rotunde mit Kuppel<br />

und maßstabsgetreuer Nachbildung des<br />

Grabes: Die Kupferlampen darin stammen<br />

genauso aus dem Heiligen Land wie<br />

die Zedern, die den Weg dorthin säumen.<br />

Und anders als in Jerusalem ist die eigentliche<br />

Grabkammer als Raum für die<br />

persönliche Andacht hergerichtet.<br />

Nachbauten von Grab und Ädikula<br />

Dass sie für die religiöse Praxis brauchbar<br />

sein sollten, bestimmte auch die<br />

frühen Nachbauten des eigentlichen<br />

Grabes bzw. der Ädikula – dies scheint<br />

sogar wichtiger gewesen zu sein als exakte<br />

Nachahmung oder Maßstabstreue:<br />

Für die Rekonstruktion des ursprünglichen<br />

Aussehens sind Werke der Kleinkunst<br />

wie die Pilgerampullen von Monza<br />

(Abb. S. 24) hilfreicher.<br />

Besonders deutlich wird das beim<br />

ältesten erhaltenen „Heiligen Grab“ im<br />

deutschen Sprachraum in der Stiftskirche<br />

von Gernrode (um 1060/80).<br />

Die Wände dieses Baus sind mit Reliefdarstellungen<br />

von österlichen Szenen<br />

geschmückt, die vermutlich von frühchristlichen<br />

Elfenbeinschnitzereien inspiriert<br />

sind und u. a. die Begegnung des<br />

Auferstandenen mit Maria Magdalena<br />

abbilden. Tatsächlich diente das Grab<br />

auch als „Kulisse“ für szenische Darstellungen<br />

der Ostereignisse – der Text des<br />

Osterspiels von Gernrode aus dem Jahr<br />

1130 ist erhalten.<br />

Eine Kurzform dieser gespielten Dialoge<br />

zwischen Maria und einem Chor<br />

findet sich auch in der lateinischen Ostersequenz<br />

„Victimae paschali laudes“.<br />

Dort heißt es u. a.:<br />

„Sag uns, Maria, was hast du gesehen<br />

auf dem Wege?<br />

Das Grab Christi, der lebt, hab ich gesehen<br />

und seine Herrlichkeit, da er auferstanden<br />

ist, und Engelszeugen, das<br />

Schweißtuch und die Leinentücher.<br />

Auferstanden ist Christus, meine Hoffnung.<br />

Vorangehen wird er den Seinen<br />

nach Galiläa.“<br />

Möglicherweise war sogar das in<br />

der Kreuzfahrerzeit in Jerusalem aufgeführte<br />

Osterspiel die Inspiration für<br />

die abendländischen Fassungen, auch<br />

wenn manches dafür spricht, dass<br />

schon die Westchöre karolingischer Kirchen<br />

für solche Spiele genutzt wurden<br />

(immerhin entspricht die Lage dieser<br />

Chöre im Westen der Kirche der Situation<br />

in Jerusalem, und z. B. für das Essener<br />

Münster ist solch ein Brauch sicher<br />

bezeugt).<br />

Freie Nachbildungen der Ädikula<br />

sind auch das Heilige Grab im Magdeburger<br />

Dom und jenes im Münster von<br />

Konstanz. Der zwölfeckige Bau aus der<br />

© Par Sémhur (talk) — Travail personnel., CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12171129<br />

58<br />

welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!