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Das Grab Jesu<br />
des ursprünglichen Baus in vieler<br />
Hinsicht aufnimmt, stellt er nur einen<br />
schwachen Abglanz der einstigen Weite<br />
und Pracht des Bauwerks dar. Die Säulen<br />
sind zu wuchtig, der Raum um den<br />
Zentralraum herum fehlt. Die Mauern<br />
sind nackt, ohne jede Dekoration. Wenn<br />
man eine ungefähre Vorstellung vom<br />
einstigen Aussehen haben will, muss<br />
man zwei Bauwerke in Rom betrachten:<br />
Die heutige Kirche S. Costanza an der<br />
Via Nomentana im Norden Roms, die<br />
Konstantin als Grablege für seine Tochter<br />
Constantina errichten ließ. Der zeitlich<br />
nur wenig nach der Grabeskirche<br />
entstandene Bau zeigt das Motiv des<br />
kuppelgewölbten Rundbaus mit einem<br />
Umgang, allerdings kleiner als die Grabesrotunde<br />
in Jerusalem. Einige Mosaiken<br />
in den Gewölben geben immerhin<br />
einen Eindruck der sonst verblichenen<br />
Pracht. Was die Dekoration angeht, hat<br />
das Pantheon als einziges Gebäude der<br />
römischen Antike seine Marmorinkrustation<br />
bewahren können. Zwar ist das<br />
Pantheon 200 Jahre früher entstanden,<br />
aber für eine Vorstellung, wie römische<br />
Staatsbauten auch noch um 300 nC ausgestaltet<br />
wurden, passt es sehr gut.<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
© M. Biddle<br />
Die Weiterentwicklung<br />
der Grabkapelle<br />
Das heutige Grab und der heutige Rundbau<br />
vermögen zwar einen schwachen<br />
Eindruck der ursprünglichen Anlage zu<br />
geben, sind aber letztlich das Produkt<br />
vieler Veränderungen, und diese sind<br />
auch ein Spiegel der wechselvollen Geschichte,<br />
die hier kurz zu skizzieren ist.<br />
Interessanterweise fanden die Veränderungen<br />
am Grab und am Rundbau selten<br />
gleichzeitig statt.<br />
Das Grab ist der eigentliche Träger des<br />
Heiligtums, wobei das, was das Grab<br />
ausmacht, nach innen gewendet ist: der<br />
anstehende Fels. Er zeigt, dass es sich ursprünglich<br />
um ein Felsengrab durch und<br />
durch gehandelt hat. In der ersten Phase,<br />
also im 4. Jh., waren das Grab und die<br />
Vorkammer (die Engelskapelle; also wo<br />
der Engel der Osterbotschaft gesessen<br />
hat) architektonisch eingefasst und mit<br />
einem Kegeldach versehen worden. So<br />
blieb das Grab bis zur ersten massiven<br />
Zerstörung des ganzen Baukomplexes<br />
im Jahr 1009 bestehen, als Kalif al-Hakim<br />
die Zerstörung der christlichen Heiligtümer<br />
befahl. Das Grab muss jedenfalls zu<br />
großen Teilen zerstört worden sein. Als<br />
der Kalif bald darauf den Wiederaufbau<br />
der meisten christlichen Heiligtümer<br />
gestattete, war das Grab als kleine Baumaßnahme<br />
am schnellsten wieder in<br />
Takt zu bringen, als Ziel der Pilger war es<br />
außerdem von größter Bedeutung. Grabkapelle<br />
II behielt die Raumfolge bei, wie<br />
Die Entwicklung der Grabkapelle<br />
vom 4. Jh. bis heute:<br />
A Konstantins Ädikula (325–335),<br />
B byzantinische und mittelalterliche Ädikula (1012–40),<br />
C wiedererbaute Ädikula (1555),<br />
D wiedererbaute Ädikula (1809–10)<br />
auch Grab III und IV, jedoch wurde die<br />
architektonische Dekoration verändert<br />
und rückwärtig eine Kapelle angebaut,<br />
vermutlich, um verschiedenen Gruppen<br />
Zugang zum Grab zu gewähren. Jetzt<br />
erhielt die Grabkammer erstmals den<br />
typischen baldachinartigen Aufbau im<br />
Obergeschoss, der bei den späteren Grabkapellen<br />
übernommen wurde. Der Baldachin<br />
schützte die Grabkapelle, die in<br />
ihrem Gewölbe wegen der vielen Kerzen<br />
welt und umwelt der bibel 1/20<strong>19</strong> 31