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Berliner Kurier 05.03.2019

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*<br />

HINTERGRUND<br />

30 Jahrenach<br />

der Wende<br />

Dasärgert: 30 Jahrenach<br />

Maueröffnung hinken die<br />

Wirtschaft und die Löhne<br />

im Osten noch immer hinter<br />

dem Westen her.Bislang<br />

wurde zum Beispiel<br />

der Mangel an Firmenzentralen<br />

im Osten für die<br />

niedrigereProduktivität<br />

und die im Schnitt niedrigeren<br />

Löhne verantwortlich<br />

gemacht.Jetzt gibt es<br />

einen neuen Aspekt: Subventionen<br />

haben nicht benötigte<br />

Jobs erhalten.<br />

Fotos: Imago/<br />

Förderung soll künftig<br />

eher ins prosperierende<br />

Potsdam statt in<br />

schrumpfende Orte wie<br />

Letschin fließen.<br />

Forscher: Milliarden wurden<br />

zum Osten rausgeworfen<br />

Wirtschaftsexperten machen Subventionen für schlechtereEntwicklung in neuen Ländern verantwortlich<br />

Zwischen „blühenden<br />

Landschaften“ und<br />

Strukturproblemen: 30<br />

Jahre nach dem Mauerfall gibt<br />

es nach wie vor deutliche Ost-<br />

West-Unterschiede bei Wirtschaftsleistung,<br />

Löhnen und<br />

Fachkräften, wie eine Untersuchung<br />

des Leibniz-Institutsfür<br />

Wirtschaftsforschung Halle<br />

(IWH) zeigt.<br />

Als einen zentralen Befund<br />

nennen die Experten die immer<br />

noch geringere Produktivität in<br />

Ostdeutschland. Diese lag 2017<br />

in den neuen Ländern einschließlich<br />

Berlin bei durchschnittlich<br />

82 Prozent des<br />

Westniveaus. Kein ostdeutsches<br />

Flächenland reicht bislang<br />

an das westdeutsche<br />

Schlusslicht, das Saarland, heran.<br />

Dies liegt aus Sicht des IWH<br />

nicht nur an fehlenden Konzernzentralen.<br />

Nur 36 der 500<br />

größten deutschen Unternehmen<br />

haben ihren Sitz im Osten.<br />

Ostdeutsche Betriebe haben<br />

allerdings in jeder Größenklasse<br />

eine mindestens 20 Prozent<br />

niedrigere Produktivität. Die<br />

Experten bringen dies mit<br />

staatlichen Subventionen in<br />

Verbindung –seit 1991 sind 42<br />

Milliarden Euro in die Ostfirmen<br />

geflossen. Seien diese an<br />

die Bedingung geknüpft, Arbeitsplätze<br />

zu erhalten oder zu<br />

schaffen, könne das einer Erhöhung<br />

der Arbeitsproduktivität<br />

im Weg stehen, weil Jobs<br />

bestehen bleiben, die eigentlich<br />

nicht mehr gebraucht würden.<br />

Die „Bruchkante der wirtschaftlichen<br />

Entwicklung“ verlaufe<br />

allerdings nicht nur entlang<br />

der ehemaligen Grenze, es<br />

gebe auch ein Süd-Nord- und<br />

ein Stadt-Land-Gefälle. In Ingolstadt<br />

etwa liegt der mittlere<br />

Lohn bei 144,4 Prozent des<br />

Bundesschnitts –inCloppenburg<br />

bei 81,3 Prozent.<br />

Wenn sich die Wirtschaftskraft<br />

in Ost und West annähern<br />

soll, müssen laut IWH-Präsident<br />

Reint Gropp die Städte gestärkt<br />

werden. Dort entstünden<br />

hochwertige Dienstleistungen,<br />

die die Wirtschaft zusehends<br />

Bruttowertschöpfung<br />

pro Kopf nach Betriebsgröße, in Tausend Euro<br />

Westdeutschland<br />

1bis 49<br />

Beschäftigte<br />

50 bis 249<br />

Beschäftigte<br />

über 250<br />

Beschäftigte<br />

Ostdeutschland<br />

bestimmten.<br />

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident<br />

Reiner Haseloff<br />

(CDU) widerspricht und sagt,<br />

man könne nicht die Mehrheit<br />

der Menschen und Regionen<br />

ausklammern. „Das ist undemokratisch,<br />

unsozial und politisch<br />

unhaltbar.“<br />

50,5<br />

45,3<br />

55,6<br />

74,8<br />

74,9<br />

Auch der Ostbeauftragte der<br />

Bundesregierung, Christian<br />

Hirte (CDU), warnt davor,<br />

wirtschaftlich schwache Gebiete<br />

im Osten aufzugeben.<br />

Dies sei „ökonomisch falsch<br />

und politisch völlig inakzeptabel“,<br />

sagt er dem Redaktions-<br />

Netzwerk Deutschland (RND).<br />

Wie aus der Studie weiter hervorgeht,<br />

verschärft sich der<br />

Fachkräftemangel im Osten.<br />

So hatte der Osten bis Anfang<br />

der 2000er-Jahre noch einen<br />

größeren Anteil hoch qualifizierter<br />

Beschäftigter. Dieser<br />

Vorsprung ging mittlerweile<br />

fast überall verloren. Zudem<br />

schrumpft die Zahl der Menschen<br />

im erwerbsfähigen Alter<br />

künftig schneller, und die<br />

Schulabbrecherquoten im Osten<br />

sind höher. Nicht zuletzt<br />

91,6<br />

ziehen hoch qualifizierte EU-<br />

Zuwanderer viel eher in westals<br />

in ostdeutsche Regionen.

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