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Berliner Zeitung 06.03.2019

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6* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 55 · M ittwoch, 6. März 2019<br />

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Politik<br />

NACHRICHTEN<br />

Briefbomben in London<br />

entdeckt<br />

Mehrerekleine Briefbomben sind<br />

am Dienstag an verschiedenen Orten<br />

in London entdeckt worden. Die<br />

Anti-Terror-Einheit ermittelt. Einem<br />

Medienbericht zufolge trugen zwei<br />

der Umschläge Briefmarken aus Irland.<br />

Dieirische Polizei bestätigte<br />

am Abend, dass sie die Ermittlungen<br />

unterstützt. Festnahmen gab es zunächst<br />

nicht. DieUmschläge wurden<br />

in Nähe des London City Airports,<br />

des Flughafens Heathrow und am<br />

Bahnhof Waterloo gefunden. (dpa.)<br />

Ostdeutsche Frauen häufiger<br />

in Führungspositionen<br />

Frauen aus dem Osten Deutschlands<br />

bekleiden häufiger Führungspositionen<br />

als Frauen aus den alten Bundesländern.<br />

Dasgeht aus einer Studie<br />

vonMDR, RBB und der Universität<br />

Leipzig hervor. Demnach ist der<br />

Frauenanteil unter aus Ostdeutschland<br />

stammenden Führungskräften<br />

höher als bei Führungskräften aus<br />

dem Westen. Allgemein sind Menschen<br />

aus Ostdeutschland in Führungspositionen<br />

aber nach wie vor<br />

starkunterrepräsentiert. (dpa)<br />

EU will Qualität des<br />

Trinkwassersverbessern<br />

DieEU-Umweltminister haben sich<br />

auf besseres und leichter verfügbares<br />

Trinkwasser in Europa verständigt.<br />

Nach ihrer Einigung am Dienstag in<br />

Brüssel muss nun mit dem Europaparlament<br />

noch eine Übereinkunft<br />

gefunden werden. In Deutschland ist<br />

die Qualität des Leitungswassers nach<br />

Angaben der EU-Kommission überwiegend<br />

sehr gut. Nach Schätzungen<br />

der BürgerinitiativeRight2Water haben<br />

in Europa jedoch sechs bis acht<br />

Millionen Menschen keinen gesicherten<br />

Zugang zu Trinkwasser. (dpa)<br />

Nach Anti-Europa-Kurs:<br />

Ultimatum für Viktor Orbán<br />

Vordem EVP-Rauswurf: Ministerpräsident<br />

Viktor Orbán beim EU-Gipfel.<br />

DPA<br />

Jetzt wirdeseng für den ungarischen<br />

Regierungschef Viktor Orbán. Wegen<br />

ihrer anti-europäischen Kampagnen<br />

steht seine Fidesz-Partei kurzvor<br />

dem Rauswurfaus der konservativenEuropäischen<br />

Volkspartei (EVP).<br />

Schon am 20. Märzkönnte es dazu<br />

kommen. Manfred Weber (CSU),<br />

Spitzenkandidat der EVPfür das Amt<br />

des nächsten EU-Kommissionspräsidenten<br />

stellte dem ungarischen<br />

Ministerpräsidenten jetzt in einem<br />

Brief, der dem Redaktionsnetzwerk<br />

Deutschland (RND) vorliegt, ein Ultimatum<br />

und formulierte drei Bedingungen,<br />

die Orbán erfüllen<br />

müsse,umeinen Rausschmiss aus<br />

der europäischen Parteienfamilie<br />

EVPnoch abzuwenden. In Parteikreisen<br />

hieß es am Dienstagabend in<br />

Brüssel jedoch, man rechne damit,<br />

dass Orbán das Ultimatum verstreichen<br />

lassen werde. (fra.)<br />

Weitere Ministerin verlässt<br />

Kabinett Trudeau<br />

DieRegierungskrise in Kanada um<br />

Vorwürfe einer Einmischung in die<br />

Justiz hat sich verschärft. Haushaltsministerin<br />

Jane Philpott erklärte am<br />

Montag wegen der Korruptionsaffäreumden<br />

BaukonzernSNC-Lavalin<br />

ihren Rücktritt. Siehabe ihr Vertrauen<br />

in die Regierung im Umgang<br />

mit dem Fall verloren, schrieb die<br />

Ministerin auf Twitter. (AFP)<br />

VonTanja Kinkel<br />

Das letzte Mal sah ich ihn<br />

im November. Ich hatte<br />

eine Lesung in Siegburg,<br />

und da er im nahe gelegenen<br />

St. Augustin wohnte, nutzte<br />

ich die Gelegenheit zu einem Besuch<br />

bei ihm und seiner Frau Uschi. Es<br />

war ein herzhaftes Frühstück, mit<br />

Debatten über alles von der wahrscheinlichen<br />

CDU-Nachfolge bis<br />

zum längeren Reisen als Hundebesitzer<br />

(Jago war sein Ein und Alles).<br />

Anschließend brachte er mich zum<br />

Zug und wartete, bis ich tatsächlich<br />

darin saß; seitdem ich einmal erkältet<br />

bei ihm aufgekreuzt war und er<br />

besorgt meine Eltern angerufen<br />

hatte, noch während ich mich auf<br />

dem Rückweg befand, schien er sich<br />

verantwortlich für mich zu fühlen.<br />

Dabei, und wir hatten immer<br />

Spaß daran, es dementieren zu müssen,<br />

waren wir wirklich nicht miteinander<br />

verwandt.<br />

Klaus Kinkel war Schwabe aus<br />

Metzingen –sein Vater und der Vater<br />

seines späteren Gegenspielers Markus<br />

„Mischa“ Wolf waren zur gleichen<br />

Zeit in Hechingen tätig, was die<br />

Romanschreiberin in mir faszinierte.<br />

Rudolf Augstein, erzählte er mir<br />

amüsiert, hätte ihm einst einen<br />

Deutschkurs angeboten, um den Akzent<br />

loszuwerden: „Sonst werden Sie<br />

nie etwas.“ Er brachte es bis zum<br />

Außenminister und Vizekanzler,wobei<br />

ich immer den Eindruck hatte,<br />

dass er,wenigstens im Rückblick, im<br />

Justizministerium am glücklichsten<br />

gewesen war.<br />

Angefangen hatte seine politische<br />

Karriere, als ihn Genscher 1970 zu<br />

sich ins Innenministerium holte und<br />

ihn zum Chef des Ministerbüros<br />

machte. Damals war er 34, Jurist,<br />

und einer, für den Loyalität zum Berufsethos<br />

gehörte –und zur Freundschaft.<br />

Genscher wurde ein lebenslanger<br />

Mentor; nach dessen Todmit<br />

der Witwe befreundet zu bleiben,<br />

statt, wie das nicht nur nach dem<br />

Ableben prominenter Männer geschieht,<br />

sich nicht mehr zu rühren,<br />

das war für einen wie Klaus Kinkel<br />

selbstverständlich.<br />

GeheimeVerhandlungen mit der RAF<br />

Dabei legte er gleichzeitig durchaus<br />

auf die Formalität wert, die einem<br />

die deutsche Sprache gewährt. Im<br />

Kabinett Kohl hätten sich zum<br />

Schluss fast alle Minister geduzt,<br />

meinte er, bis auf ihn, der das angetragene<br />

Du ausschlug. Er gehörte zu<br />

den wenigen, die bis zum Schluss<br />

noch zum alten Kohl vorgelassen<br />

wurden, obwohl er durchaus nicht<br />

immer mit ihm einer Meinung war.<br />

Seine riskanteste politische Handlung,<br />

die „Kinkel-Initiative“, mit der<br />

Der große Versöhner<br />

Zum Todvon Klaus Kinkel: Die Schriftstellerin Tanja Kinkel erinnert sich<br />

Klaus Kinkel (hier mit Hans-Dietrich Genscher) starb am Montag im Alter von 82 Jahren. DPA<br />

Weraus dem Amt war, sosein<br />

professionelles Verständnis,<br />

sollte den Nachfolgern keine ungebetenen<br />

Ratschläge erteilen.<br />

er Begnadigungen für die inhaftierten<br />

RAF-Terroristen vorschlug, hatte<br />

er sogar ohne Kohls Wissen vorgenommen.<br />

Nicht um ihn zu hintergehen,<br />

sondern eben aus Loyalität:<br />

Wenn sie statt der gewaltlosen<br />

Selbstauflösung der RAF eine neue<br />

blutige Anschlagswelle als Resultat<br />

gehabt hätte, dann, so Klaus Kinkel,<br />

wäre nur er, und nicht der Kanzler,<br />

dafür verantwortlich gewesen und<br />

selbstverständlich zurückgetreten.<br />

Dabei sah er die RAF nicht durch<br />

eine rosarote Brille. Erhatte in den<br />

70er-Jahren zum gefährdeten Personenkreis<br />

gehörtund den „deutschen<br />

Herbst“ an vorderster Front miterlebt.<br />

In den 80ernwar er es,der während<br />

der Hungerstreiks mit der inhaftierten<br />

Brigitte Mohnhaupt und<br />

weiteren Mitgliedern der zweiten<br />

und dritten Terroristen-Generation<br />

verhandelte. Ihre Ideologie, ihr Fanatismus<br />

waren ihm fremd. „Aber es<br />

konnte doch so nicht weitergehen.<br />

Manmußte doch etwas Neues versuchen.<br />

Und ich habe absichtlich den<br />

Begriff ,Versöhnung‘ gewählt.“<br />

Er hatte sich die Fähigkeit zum<br />

Entsetzen bewahrt. „Was ich in Ruanda<br />

gesehen habe, das können Sie<br />

sich gar nicht vorstellen“, sagte er<br />

einmal. Dabei war er sich auch seiner<br />

eigenen blinden Flecke bewusst.<br />

Nachdem er den Film „Der Staat gegen<br />

Fritz Bauer“ gesehen hatte, der<br />

ihn beeindruckte und verstörte,<br />

habe er mit Genscher telefoniert,<br />

Die Macht der Emotionen auf 20 Plakaten<br />

sagte er mir, und sie hätten darüber<br />

gesprochen, dass sie ja all die ehemaligen<br />

Nationalsozialisten in der<br />

Justiz der 60er-Jahre gekannt hätten<br />

–gekannt, doch nie infrage gestellt:<br />

„Ich hab’s damals wohl nicht wissen<br />

wollen.“<br />

Mit dem Ende seiner politischen<br />

Laufbahn hörte sein Interesse am<br />

Weltgeschehen nicht auf, im Gegenteil,<br />

aber er verzichtete darauf, über<br />

die Medien die Tagespolitik zu kommentieren.<br />

Weraus dem Amt war,so<br />

sein professionelles Verständnis,<br />

sollte den Nachfolgern keine ungebetenen<br />

Ratschläge erteilen, zumindest<br />

nicht in der Öffentlichkeit.<br />

Wenn er privat kommentierte, dann<br />

teilweise durchaus heftig, aber eben:<br />

privat.<br />

Er liebte Bücher. Als ich zum ersten<br />

Mal bei ihm zu Besuch war,<br />

sprangen mir sofort die übervollen<br />

Regale seiner sich durch das ganze<br />

Haus ziehenden Bibliothek ins Auge,<br />

die nichts Steriles, Dekoratives hatten;<br />

nein, die Bücher, die dort standen,<br />

waren gelesen und teilweise abgegriffen.<br />

Gleichzeitig hatte er eine<br />

fürchterliche Schrift; bei seinen<br />

Weihnachtskarten war immer meine<br />

gesamte Familie damit beschäftigt<br />

zu versuchen, sie zu entziffern. (Andere<br />

Politiker lassen ihre Sekretärinnen<br />

solche Nachrichten schreiben;<br />

für Klaus Kinkel kam nur das Persönliche<br />

infrage.)<br />

Seiner Bücherliebe habe ich es<br />

wohl auch zu verdanken, dass wir<br />

uns Mitte der 90er-Jahre kennenlernten,<br />

doch es war seine Freundlichkeit<br />

und Hilfsbereitschaft, die<br />

aus dieser Bekanntschaft eine<br />

Freundschaft machte, nachdem ich<br />

ihn zuerst bei meinem Roman „Götterdämmerung“<br />

um Hilfe bei der Recherche<br />

gebeten hatte. Später, bei<br />

„Schlaf derVernunft“, wurde er sogar<br />

zu einer der wichtigsten Quellen und<br />

zum Unterstützer, und das, obwohl<br />

ihn Henry Kissinger seinerzeit nach<br />

dem Gespräch für „Götterdämmerung“<br />

grollend gefragt hatte: „Wen<br />

haben Siemir denn da geschickt?“<br />

DieZeit schien sich lange vonihm<br />

fernzuhalten – er fuhr gerne Ski,<br />

spielte Tennis, wirkte mit 80 noch<br />

wie allerhöchstens 70, und wenn er<br />

mit Jago spazieren ging, dann wäre<br />

den beiden manch Jüngerer nur hinterhergekeucht.<br />

Aber von all den<br />

Mächtigen, denen er im Lauf seines<br />

Lebens begegnet ist, ist sie die einzige,<br />

die sich nicht auf ihn einließ.<br />

Nunhat sie ihn doch noch eingeholt.<br />

Ichwerde ihn sehr vermissen.<br />

Tanja Kinkel,Schriftstellerin („Die<br />

Puppenspieler“), war seit den 90er-<br />

Jahren mit Klaus Kinkel befreundet.<br />

Eine Ausstellung widmet sich der Gefühlspolitik in der deutschen Geschichte der vergangenen 100 Jahre<br />

VonHarry Nutt<br />

Vierzig Prozent der Deutschen<br />

finden es ekelhaft, wenn sich<br />

schwule Männer in der Öffentlichkeit<br />

küssen. MitEkel reagieren Menschen<br />

auf das,was sie vorgeblich beschmutzt<br />

und vergiftet.“ So steht es<br />

auf einem der 20 Plakate, mit denen<br />

die Ausstellung „Die Macht der Gefühle“<br />

auf die vielfältige Erscheinung<br />

von Emotionen in Politik, Gesellschaft<br />

und Geschichte verweist. Illustriertist<br />

die Tafel zum Thema Ekel mit<br />

einem Bild aus dem Dschungelcamp,<br />

mit dem der Privatsender RTLJahr für<br />

Jahr die Hervorbringung menschlicher<br />

Ekelgefühle zum Showevent stilisiert<br />

und damit zum Ausdruck<br />

bringt, dass Ekel auch eine anziehende<br />

Seite zu haben scheint.<br />

Damit ist die Bandbreite des Ekels<br />

keineswegs vollständig erfasst. Im<br />

Erläuterungstext ist ferner von der<br />

despektierlichen Bezeichnung von<br />

Menschengruppen als Parasiten und<br />

Volksschädlingen die Rede. Erinnert<br />

wird auch an das Begriffspaar von<br />

den Ratten und Schmeißfliegen, mit<br />

dem der CSU-Chef Franz Josef<br />

Strauß 1978 kritische Schriftsteller<br />

schmähte.<br />

Vertiefung im Schulunterricht<br />

Die sehr unterschiedlichen Konnotationen<br />

zu Begriffen wie Angst, Begeisterung,<br />

Trauer, Wut, Hass und<br />

Zuneigung kennzeichnen das Konzept<br />

dieser Plakatausstellung, das<br />

die Stiftung Aufarbeitung und die<br />

Stiftung Erinnerung, Verantwortung,<br />

Zukunft gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen<br />

Ute und Bettina<br />

Frevert erarbeitet haben. Die plakative<br />

Herangehensweise ist Programm,<br />

die Ausstellung dient gewissermaßen<br />

als Blickfang für eine weitergehende<br />

Vertiefung in Diskussionen,<br />

Unterrichtseinheiten und<br />

Weiterbildungen. „Die Macht der<br />

Gefühle“ ist als eine ArtWanderausstellung<br />

konzipiert, die zunächst in<br />

3000 Exemplaren produziert wurde<br />

und insbesondere von Schulen und<br />

Bildungseinrichtungen angefordert<br />

werden kann.<br />

Die Historikern Ute Frevert, die<br />

seit 2008 am <strong>Berliner</strong> Max-Planck-<br />

Institut den Forschungsbereich „Geschichte<br />

der Gefühle“ leitet, hat mit<br />

der Ausstellung unter der Mitarbeit<br />

ihrer Tochter, der historischen Bildnerin<br />

Bettina Frevert, eine Art Rucksackversion<br />

ihrer wissenschaftlichen<br />

Forschungen zusammengepackt.<br />

Anstelle vonFußnoten und Fachliteratur<br />

können die Erkenntnisse auf<br />

elektronischem Weg mit der Hilfe<br />

von erläuternden Filmen und Zeitzeugeninterviews<br />

vertieft werden.<br />

Spricht aus den Kuschelbildern,<br />

die anlässlich der Gedenkfeier zum<br />

Ende des Ersten Weltkriegs vor 100<br />

Jahren von Angela Merkel und Emmanuel<br />

Macron aufgenommen wur-<br />

den, tatsächlich so etwas wie Zuneigung?<br />

Oder ist die Szene im vollen<br />

Bewusstsein ihrer medialenWirkung<br />

entstanden?<br />

Uteund Bettina Frevert lassen derlei<br />

Fragen absichtsvoll unbeantwortet.<br />

Vielmehr geht es ihnen um die<br />

Vielschichtigkeit von Gefühlen im<br />

historischen und politischen Raum.<br />

Gefühle haben eine Geschichte, und<br />

im Verlauf der Zeit hat das Verhältnis<br />

zu Liebe,Neid, Vertrauen und Scham<br />

mehrfach verändert. Nicht minder<br />

wichtig ist den Ausstellungsmacherinnen<br />

die Erkenntnis, dass Gefühle<br />

Geschichte machen. Emotionen, so<br />

Ute Frevert, sind eine Ressource des<br />

sozialen Handelns, die fälschlicherweise<br />

oft als Kehrseite der rationalen<br />

Vernunft verstanden wird.<br />

Die Ausstellung, die in acht Sprachen<br />

vorliegt, ist bereits mehr als<br />

2000-mal vorbestellt worden. Weitere<br />

Informationen sind erhältlich<br />

unter: www.machtdergefuehle.de<br />

Der Druck auf<br />

US-Präsident<br />

Trump steigt<br />

Untersuchung zu<br />

Amtsmissbrauch eingeleitet<br />

VonKarlDoemens, Washington<br />

Die Demokraten seien verrückt, schießt<br />

Trump gegen den politischen Gegner. AFF<br />

Der Kommentar des Polterers fiel<br />

dieses Mal denkbar knapp aus.<br />

„Belästigung des Präsidenten“, twitterte<br />

Donald Trump in Anspielung<br />

an den strafbaren Tatbestand der sexuellen<br />

Nötigung. „Die Demokraten<br />

sind vollkommen verrückt geworden“,<br />

schickte er später hinterher.<br />

Tatsächlich nimmt der Kongress<br />

den amerikanischen Präsidenten<br />

nun von mehreren Seiten in die<br />

Zange. Und dafür sind keineswegs<br />

nur die Demokraten verantwortlich.<br />

Der Justizausschuss des von ihnen<br />

mehrheitlich beherrschten Repräsentantenhauses<br />

stieß am Montag<br />

eine weitreichende Untersuchung<br />

gegen Trump wegen des Verdachts<br />

des Amtsmissbrauchs und der Behinderung<br />

der Justiz an. Kurz darauf<br />

erklärte Mitch McConnell, der Mehrheitsführer<br />

des republikanischen Senats,<br />

dass die Kammer die Ausrufung<br />

des nationalen Notstands zur<br />

Finanzierung der Grenzmauer anfechten<br />

werde.<br />

Die Untersuchung, für die der<br />

Ausschuss Dokumente von zahlreichen<br />

Personen in Trumps Umfeld<br />

angeforderthat, dürfte in den nächsten<br />

Monaten immer wieder für Negativschlagzeilen<br />

sorgen und könnte<br />

die Grundlage für ein Amtsenthebungsverfahren<br />

werden. DerMauer-<br />

Beschluss des Senats würde zusammen<br />

mit einem Votum des Repräsentantenhauses<br />

den Notstand beenden.<br />

Allerdings kann Trump die<br />

Herausgabe heikler Unterlagen mit<br />

einem Vertraulichkeits-Dekret verhindern<br />

und die Anti-Mauer-Resolution<br />

durch sein Veto niederbügeln.<br />

„Wir üben nur unsere Kontrollpflicht<br />

aus“, wies der demokratische<br />

Vorsitzende des Justizausschusses,<br />

Jerrold Nadler,den vonTrump erhobenen<br />

Belästigungsvorwurf zurück.<br />

Das Gremium hat insgesamt 81 Personen<br />

und Institutionen von den<br />

Trump-Söhnen Donald Jr. und Eric<br />

über den Ex-Chefstrategen Steve<br />

Bannon und den Anwalt des Weißen<br />

Hauses bis zur WaffenlobbyNRA angeschrieben<br />

und um Unterlagen gebeten.<br />

Die Betroffenen müssen bis<br />

zum 18. Märzantworten, dann kann<br />

der Ausschuss sie vorladen. Die Fragen<br />

beziehen sich auf die ganze Palette<br />

fragwürdiger Handlungen des<br />

Präsidenten – von den Schweigegeldzahlungen<br />

an Ex-Sexpartnerinnen<br />

über die Entlassung vonFBI-Direktor<br />

James Comey bis zur möglichen<br />

Verquickung geschäftlicher<br />

und politischer Interessen.<br />

Damit reicht das Interesse des<br />

Kongresses weit über die vermutete<br />

Zusammenarbeit mit Russland im<br />

Präsidentschaftswahlkampf hinaus,<br />

die Auslöser der Untersuchungen<br />

von Sonderermittler Robert Mueller<br />

war. Gleichwohl befragt der Ausschuss<br />

viele Personen, die bereits<br />

von Mueller interviewt worden waren.<br />

Offenbar wollen die Demokraten<br />

sicherstellen, dass die zahlreichen<br />

anderen Verdachtsmomente<br />

weiterverfolgt werden. Zugleich<br />

dürfte die Opposition die Regierung<br />

mit einer Anfrageflut in die Defensive<br />

zudrängen versuchen. Die bei<br />

der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse<br />

könnten das Material für<br />

ein mögliches Impeachment-Verfahren<br />

liefern.

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