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Berliner Zeitung 06.03.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 55 · M ittwoch, 6. März 2019 – S eite 9 *<br />

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Berlin<br />

Undurchsichtige<br />

Geschäfte:<br />

die Shisha-Bars<br />

Seite 14<br />

Proben auf dem RAW-Gelände: Das House auf Music öffnet bald Seite 11<br />

Feiern in der 26. Etage: Rot-Rot-Grün verpatzt Halbzeitbilanz Seite 10<br />

Filterblase im<br />

Supermarkt<br />

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V.i.S.d.P.:CDU-Fraktion, 10117 Berlin<br />

Stadtbild<br />

Torsten Landsberg<br />

trägt an der Kasse keine<br />

Kopfhörer.<br />

Der Supermarkt in der Nachbarschaft<br />

hat den Bäcker im Eingangsbereich<br />

abgeschafft. Na gut,<br />

Bäcker ist übertrieben, schließlich<br />

wurden hier nur Teiglinge aufgebacken,<br />

wie fast überall. Werhätte früher<br />

gedacht, dass die Bezeichnung<br />

selbst backender Bäcker einmal<br />

nicht redundant sein, sondern ein<br />

Qualitätsmerkmal beschreiben<br />

würde.<br />

Das Prinzip des Aufbackens erinnert<br />

andie Kindheit und diese runden<br />

blauen Packungen, die nur gekauft<br />

wurden, weil sie an der Küchentischkante<br />

zerschlagen werden<br />

mussten, was ziemlichen Lärm gemacht<br />

hat, aber eben auch großen<br />

Spaß, denn selten war Lärm soerlaubt<br />

wie bei dieser Betätigung. Das<br />

Ergebnis, ein fertiges Sonntagsbrötchen,<br />

war hingegen relativ egal.<br />

Gegenüber dem Gemüsebereich<br />

stand im Supermarkt übrigens<br />

schon immer ein großer Glaskasten<br />

mit Brot, Brötchen und Baguette,ein<br />

Angebot also,das exakt dem des Verkaufstands<br />

am Eingang glich –<br />

schließlich stammte das Sortiment<br />

von der gleichen Großbäckerei, die<br />

zudem ein Tochterunternehmen der<br />

Supermarktkette ist. Weder Angebot<br />

noch Qualität werden also unter der<br />

Änderung leiden, die trotzdem bedauerlich<br />

ist, weil sie die Interaktion<br />

mit anderen Menschen im Alltag<br />

weiter reduziert. Die Filterblase<br />

schwappt aus dem Internet ins<br />

wahreLeben.<br />

Wenn ein Freund aus Hamburg<br />

zu Besuch war, erzählte er nach einem<br />

Einkauf im Supermarkt immer<br />

von der aufgeregten Verkäuferin am<br />

Backstand, die stets drängelte und<br />

ihm nie Zeit ließ, sich vorder Bestellung<br />

in Ruhe einen Überblick über<br />

die unterschiedlichen Brotsorten zu<br />

verschaffen. Er war danach fix und<br />

fertig. Solche Episoden werden künftig<br />

rar.<br />

Dass vermutlich nicht jeder Supermarktbesucher<br />

Wert auf Kommunikation<br />

legt und den wegrationalisierten<br />

Backstand vermissen<br />

wird, zeigt sich am Laufband der<br />

Kasse.Dortlässt ein Kunde seine geschlossenen<br />

Kopfhörer auf den Ohrenund<br />

blockt damit vonvornherein<br />

jeden sich potenziell anbahnenden<br />

Austausch mit der Außenwelt ab, in<br />

diesem Moment verkörpert durch<br />

die Kassiererin.<br />

Die verzichtet routiniert auf jede<br />

verbale Kontaktaufnahme mit dem<br />

Kopfhörerträger und kassiert ihn<br />

wortlos ab. Erst am Ende zwingt die<br />

Pflicht sie,ihn nach seinem Interesse<br />

am Kassenbon zu fragen. Er sieht<br />

wohl, dass sie spricht und antwortet<br />

ausdruckslos: „Danke,gleichfalls.“<br />

An allgemeinbildenden <strong>Berliner</strong> Schulen dürfen Lehrerinnen kein Kopftuch tragen. Ob das so bleibt, ist strittig.<br />

Kopftuch kommt nach Karlsruhe<br />

Berlin geht gegen Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes in Revision –und erzwingt Grundsatzentscheidung<br />

VonMartin Klesmann<br />

In Berlin dürfen muslimische<br />

Lehrerinnen womöglich bald<br />

im Unterricht Kopftuch tragen.<br />

Denn die Bildungsverwaltung<br />

hat in Sachen Neutralitätsgesetz ihre<br />

Strategie geändert. Monatelang<br />

hatte sich der Senat geweigert, das<br />

Gesetz höchstrichterlich überprüfen<br />

zu lassen. Dieses Gesetz verbietet<br />

das Tragen sämtlicher religiöser Zeichen<br />

im Unterricht. Bisher gibt es<br />

nur Einzelfallentscheidungen, die<br />

meisten fielen zugunsten der kopftuchtragenden<br />

Frauen aus.Die Richter<br />

sahen eine Diskriminierung, den<br />

Frauen wurde ein Anspruch auf Entschädigung<br />

zugesprochen. Eine<br />

grundsätzliche Entscheidung über<br />

das Neutralitätsgesetz gab es allerdings<br />

nicht. Bisher.<br />

Jetzt aber lässt die Bildungsverwaltung<br />

das umstrittene Gesetz vor<br />

dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt<br />

überprüfen: Siegeht dafür gegen das<br />

jüngste Urteil des Landesarbeitsgerichtes<br />

(LAG) inRevision –und erzwingt<br />

somit die längst überfällige<br />

Grundsatzentscheidung über das<br />

Neutralitätsgesetz. Bisher wollte<br />

Berlin diesen Schritt nicht gehen.<br />

Gutachten verzögertsich<br />

Gesetz: Seit 2005 gilt in<br />

Berlin das Neutralitätsgesetz.<br />

Damit reagierte Berlin<br />

wie andere Bundesländer<br />

auf die Klageder badenwürttembergischen<br />

Lehrerin<br />

Fehreshta Ludin vordem<br />

Bundesverfassungsgericht.<br />

Sie durfte wegenihres Kopftuches<br />

nicht unterrichten.<br />

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V.i.S.d.P.:CDU-Fraktion, 10117 Berlin<br />

In dem konkreten Fall geht es um eine<br />

Informatikerin muslimischen Glaubens,<br />

deren Bewerbung für den<br />

Schuldienst erfolglos geblieben war.<br />

DasLAG hatte deshalb im November<br />

2018 festgestellt, dass die Frau diskriminiert<br />

worden sei und ihr eine Entschädigung<br />

von eineinhalb Monatsgehälternzuzahlen<br />

sei. DieRichterin<br />

hatte sich dabei auf die jüngste Entscheidung<br />

des Bundesverfassungsgerichts<br />

berufen, an die sie sich gebunden<br />

sehe.Bekanntlich hatten sich die<br />

Karlsruher Richter im Jahr 2015 gegen<br />

ein pauschales Kopftuchverbot ausgesprochen.<br />

EinVerbot könne es nur<br />

geben, wenn konkret der Schulfrieden<br />

gefährdet sei.<br />

Das <strong>Berliner</strong> Neutralitätsgesetz<br />

verbietet Lehrern, Polizisten und<br />

Justizbediensteten, im Dienst religiöse<br />

Symbole offen zu tragen. Betroffen<br />

sind sowohl Kopftuch als<br />

auch Kreuz und Kippa. Ausgenommen<br />

sind Berufsschulen.<br />

Im konkreten Fall geht Bildungssenatorin<br />

SandraScheeres (SPD) davonaus,dass<br />

das Erfurter Bundesarbeitsgericht<br />

umgehend die Karlsruher<br />

Verfassungsrichter anrufen<br />

dürfte,umdas <strong>Berliner</strong> Neutralitätsgesetz<br />

zu überprüfen. Sollte die Klägerin<br />

verlieren, könnte die Frau<br />

selbst das Bundesverfassungsgericht<br />

anrufen. In der Folge müsste dann<br />

womöglich das <strong>Berliner</strong> Neutralitätsgesetz<br />

verändertwerden.<br />

Dass Berlin bei den bisherigen<br />

Kopftuch-Klagen wieder und wieder<br />

wegen Diskriminierung Entschädigungen<br />

zahlen müsse, sei ein unhaltbarer<br />

Zustand, finden zum Beispiel<br />

Justizsenator Dirk Behrendt<br />

BERLINER NEUTRALITÄTSGESETZ<br />

Berlin: Da Bildung Ländersache<br />

ist, musste die<br />

Rechtslageauf Länderebene<br />

angepasst werden. In Berlin<br />

ist seither geregelt, dass<br />

Lehrer,Polizisten und Justizbedienstete<br />

im Dienst keine<br />

religiösen Symbole offen tragendürfen.<br />

Weder Kopftuch,<br />

noch Kreuz oder Kippa.<br />

Ausnahmen: Allerdings dürfen<br />

in Berlin Lehrerinnen<br />

auch mit Kopftuch an den<br />

Berufsschulen und Oberstufenzentren<br />

unterrichten. Dort<br />

seien die Schüler meist<br />

schon volljährig und dadurch<br />

wenigerbeeinflussbar,hieß<br />

es. Andere Bundesländer<br />

haben andere Gesetze.<br />

und Kultursenator Klaus Lederer<br />

(Linke). Behrendt hatte nach dem<br />

jüngsten Urteil des LAGsogar gesagt,<br />

dass der Konflikt um das Neutralitätsgesetz<br />

nicht länger auf dem Rücken<br />

der kopftuchtragenden Frauen<br />

ausgetragen werden dürfe. Als das<br />

Land im Februar 2017 erstmals in einem<br />

anderen Fall eine Niederlage<br />

vor dem LAG kassierte, ließ Bildungssenatorin<br />

Scheeres die Frist<br />

für eine Revision bewusst verstreichen.<br />

Sie wollte das Problem aussitzen.<br />

Nunwirdesernst.<br />

Nach Informationen der <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Zeitung</strong> ging die schriftliche Urteilsbegründung<br />

des jüngsten LAG-Urteils<br />

bei der Bildungsverwaltung am<br />

19. Februar ein. In der schriftlichen<br />

Urteilsbegründung geht die Vorsitzende<br />

Richterin sehr kritisch mit der<br />

<strong>Berliner</strong> Rechtslage um. „Dem Vortrag<br />

des beklagten Landes mangelt<br />

es insgesamt an der erforderlichen<br />

Einzelfallbezogenheit im Hinblick<br />

auf eine konkrete Gefahr“, heißt es<br />

dort ausdrücklich. Die Gefahr, die<br />

voneiner Lehrerin mit Kopftuch angeblich<br />

ausgehe, sei nicht konkret<br />

belegt worden.<br />

Angesichts dieser schriftlichen<br />

Urteilsbegründung entschloss man<br />

sich in der Bildungsverwaltung umgehend<br />

dazu, in Berufung zu gehen.<br />

Dabei steht noch dass Gutachten des<br />

Rechtswissenschaftlers Wolfgang<br />

Bock aus, der für etwa 25 000 Euro<br />

ZURIJETA<br />

im Auftrag der Bildungsverwaltung<br />

prüfen sollte, obdas Neutralitätsgesetz<br />

mit dem Grundgesetz vereinbar<br />

ist. Um den Autor hatte die Bildungsverwaltung<br />

bisher ein Geheimnis gemacht.<br />

Selbst in der Antwortauf eine<br />

parlamentarische Anfrage der Grünen<br />

nannte man den Autor jüngst<br />

nur abgekürzt „Prof. Dr.W.B.“. Bock<br />

hat zum Beispiel zum islamischen<br />

Religionsunterricht in Deutschland<br />

geforscht. Zu welchem Ergebnis er<br />

kommt, ist noch offen. Anders bei<br />

dem früheren Innensenator Ehrhart<br />

Körting (SPD).<br />

Körting würde das 2005 von ihm<br />

selbst verantwortete Gesetz heute<br />

anders formulieren und gelassener<br />

an das Thema rangehen, hatte er erst<br />

vor kurzem der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> gesagt.<br />

„Eine Lehrerin sollte Kopftuch<br />

tragen können, solange es dadurch<br />

zu keiner Gefährdung des Schulfriedens<br />

kommt“, so Körting. Für den<br />

Fall aber,dass Kinder voneiner Lehrerin<br />

religiös indoktriniert würden,<br />

sollte der Gesetzestext regeln, dass<br />

diejenige disziplinarrechtlich belangt<br />

oder gar aus dem Dienst entfernt<br />

werden könne. Eine ähnliche<br />

Regelung gilt im Neutralitätsgesetz<br />

von 2005 bereits für Erzieherinnen<br />

im Kita-Bereich.<br />

Einige Schulleiter warnen<br />

An Schulen in sozialen Brennpunkten<br />

warnen allerdings Schulleiter davor,<br />

dasNeutralitätsgesetz aufzuweichen.<br />

Schon jetzt würden Schülerinnen<br />

von Mitschülern unter Druck<br />

gesetzt, wenn sie sich nicht an religiöse<br />

Vorgaben halten. Mädchen<br />

würden kritisiert, wenn sie kein<br />

Kopftuch tragen, sich stattdessen<br />

freizügiger kleideten, berichten<br />

Schulleiter wie Detlef Pawollek von<br />

der Neuköllner Röntgen-Schule.<br />

Selbst eine türkischstämmige Sozialarbeiterin<br />

sei schon von Eltern gefragt<br />

worden, wieso sie kein Kopftuch<br />

trage. So würden sich womöglich<br />

weniger Mädchen trauen, sich<br />

vonden strikten religiösen Vorgaben<br />

aus dem Elternhaus zu lösen.<br />

Was immer Karlsruhe entscheidet,<br />

es wirdfür neuen Streit sorgen.<br />

NACHRICHTEN<br />

Zwei Bahnstrecken<br />

zeitweise gesperrt<br />

DieKollision eines Eurocitys mit Teilen<br />

eines vomSturmabgedeckten<br />

Lagerhallen-Dachs bei Golßen<br />

(Dahme-Spreewald) hat in der Nacht<br />

zu Dienstag für eineVollsperrung der<br />

Strecke Berlin–Dresden gesorgt.<br />

Rund 200 Reisende seien unverletzt<br />

aus dem Zuggebracht worden, so<br />

ein Bahnsprecher.Die Strecke wurde<br />

am Dienstagvormittag zunächst in<br />

einer Richtung wieder freigegeben.<br />

Ebenfalls am Dienstag musste die<br />

Bahnstrecke zwischen Leipzig und<br />

Berlin zwischen Trebbin und Ludwigsfelde<br />

(Teltow-Fläming) wegen<br />

eines Notarzteinsatzes für knapp<br />

drei Stunden gesperrtwerden. (dpa)<br />

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Familie der getöteten Keira<br />

organisiertGedenkminute<br />

EinJahr ist es her,dass die 14-jährige<br />

Keiraaus Alt-Hohenschönhausen<br />

voneinem Mitschüler ermordet<br />

wurde.Am7.März, ihrem Todestag,<br />

findet gegen 18 Uhrvor der Eisschnelllaufhalle<br />

im Sportforum, in<br />

der das Mädchen oft trainierte,eine<br />

Gedenkminute statt. „Wir möchten<br />

mit allen betroffenen Menschen einen<br />

gemeinsamen Moment der Erinnerung<br />

und Trauer verbringen“,<br />

heißt es in einer Pressemitteilung,<br />

die Keiras Mutter über ihren Anwalt<br />

veröffentlichen ließ. Keiras Mörder,<br />

ein 15-jähriger Mitschüler,hatte das<br />

Mädchen 2018 bei einer Hausaufgaben-Verabredung<br />

erstochen. (dpa)<br />

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Busse und Bahnen fahren<br />

im Feiertags-Takt<br />

Derneue Feiertag an diesem Freitag<br />

hat auch Auswirkungen auf die Fahrpläne<br />

vonBus und Bahn. Darauf wies<br />

derVerkehrsverbund Berlin-BrandenburgamDienstag<br />

hin. S-Bahn<br />

und BVGverkehrtenamFrauentag<br />

weitgehend nach Samstagsfahrplan.<br />

Beider S-Bahn gebe es aber vorallem<br />

am StadtrandAbweichungen. Zudem<br />

fahren einige Tramlinien nach Sonntagsfahrplan<br />

oder fallen aus.Viele<br />

Busse fahren lautVBB gewohnt nach<br />

Freitagsfahrplan, vereinzelt fallen Linien<br />

aus. (dpa)

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