Berliner Kurier 07.03.2019
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BERLIN 21<br />
Rolf Richter mit Ehefrau<br />
Brita(58). DasPaar<br />
versorgt Schwiegermutter<br />
und Mutter Rita jetzt bei sich<br />
zu Hause. DasErnst von<br />
Bergmann Klinikum (re.).<br />
Foto:<br />
seine Familie habe deshalb<br />
einschreiten müssen.<br />
Das ist passiert: Rita Protz<br />
war vor fünfTagenmit einem<br />
Notarztwagen ins Ernst von<br />
Bergmann Klinikum eingeliefert<br />
worden, weil sie einen<br />
Schlaganfall erlitten hatte.<br />
Zwei Tage später, als es ihr<br />
schon besser ging, habe die<br />
Familie einen völlig verstörten<br />
Anruf der Schwiegermutter<br />
erhalten. „Sie sagte uns,<br />
dass sie ihr Zimmer jetzt mit<br />
einem Mann teilen muss.“<br />
Er habe sich gar nicht vorstellen<br />
können, dass die Klinik<br />
nicht nach Geschlecht<br />
trennt und sofort auf der Station<br />
angerufen. Dort habe<br />
man ihm gesagt, dass „das so<br />
üblich ist.“ Nach einem weiteren<br />
Gespräch mit der Klinikleitung<br />
sei er mit seiner Frau<br />
nach Potsdam gefahren, um<br />
sich von den Geschehnissen<br />
vor Ort persönlich zu überzeugen.<br />
Noch auf dem Weg<br />
dorthin habe sich die Schwiegermutter<br />
ein weiteres Mal<br />
„ganz aufgeregt“ gemeldet.<br />
„In meinem Zimmer liegt ein<br />
Häftling, der an den Füßen<br />
gefesselt ist und von drei Vollzugsbeamten<br />
überwacht<br />
wird.“<br />
Die Situation sei außergewöhnlich<br />
gewesen, habe aber<br />
insgesamtnur 30 Minuten angedauert,<br />
bestätigt auch die<br />
Klinik selbst. Der Häftling sei<br />
auch nicht in Begleitung von<br />
drei, sondern von zwei Vollzugsbeamten<br />
gewesen. Nach<br />
einem persönlichenGespräch<br />
sei im Einvernehmen mit der<br />
Patientin ein männlicher<br />
Häftling in das Überwachungszimmer<br />
der Schlaganfallspezialeinheit<br />
mit aufgenommen<br />
worden. Zeitgleich<br />
sei der Patientin die Verlegung<br />
in ein anderes Zimmer<br />
in Aussicht gestellt worden.<br />
„Unabhängig von Geschlecht<br />
und sozialer Herkunft wollen<br />
wir unseren Patienten eine<br />
bestmögliche Notfallversorgung<br />
bieten. Das sehen wir als<br />
unsere Aufgabe“, betonte der<br />
Chefarzt der Neurologie am<br />
Ernst von Bergmann Klinikum,<br />
woauch Rita Protz behandelt<br />
wurde, Professor Dr.<br />
Martin Südmeyer ,gegenüber<br />
dem KURIER.<br />
Für die Familiebleibtdie Situation<br />
trotz allem unbefriedigend.<br />
„Meine Schwiegermutter<br />
ist erst, als wir im<br />
Krankenhaus eintrafen, verlegt<br />
worden. Ich frage mich,<br />
was gewesen wäre, wenn sie<br />
ganz allein auf sich gestellt<br />
gewesenwäre.“ Siehätten die<br />
Schwiegermutter nicht mehr<br />
mit gutem Gefühl dagelassen<br />
und sie deshalb kurzerhand<br />
mit nach Hause genommen,<br />
wo sie jetzt von ihrem Hausarzt<br />
weiterversorgt werde. Er<br />
habe den Eindruck gewonnen,<br />
dass „das Personal inder<br />
Klinik sehr unter Druck<br />
steht“. Inzwischen habe sich<br />
auch die stellvertretende<br />
Pflegedirektorin telefonisch<br />
gemeldet und sich bei ihnen<br />
entschuldigt. Dennoch wird<br />
seine Schwiegermutter diesen<br />
Vorfall so schnell nicht<br />
vergessen. „Sie hat gesagt,<br />
dass sie nie wieder in dieses<br />
Krankenhaus gehen will.“<br />
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