Berliner Zeitung 11.04.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 85 · D onnerstag, 11. April 2019 – S eite 20 *<br />
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Sport<br />
Tormaschine mit<br />
Gerd-Müller-Bein<br />
Frankfurt tritt als letzter deutscher Klub im<br />
Europapokal an. Bei Benfica begegnet Luka<br />
Jovic einem düsteren Teil seiner Karriere<br />
VonFrank Hellmann, Frankfurta.M.<br />
Bremsspuren im Gras: Luka Jovic hat in der Bundesliga bisher 17 und in der Europa League sieben Treffer feiernkönnen.<br />
DPA/INA FASSBENDER<br />
Die Fußballwelt ist irgendwie<br />
doch argüberschaubar.<br />
In mitunter kurios<br />
anmutenden Konstellationen<br />
kreuzen sich oft die Wege von<br />
Spielernund Vereinen. Dass Luka Jovic<br />
im Europa-League-Viertelfinale<br />
mit Eintracht Frankfurt bei Benfica<br />
Lissabon antritt (Donnerstag 21<br />
Uhr), ist solch ein kitschiges Rührstück:<br />
Da kehrt einer auf einmal zu<br />
jenem Verein zurück, bei dem seine<br />
Karriere noch vor Kurzem wie in der<br />
Sackgasse steckte. „Ich war gerade<br />
mal 18 Jahre alt, als ich gewechselt<br />
bin, es war besonders am Anfang<br />
ziemlich hart. Aber ich bereue<br />
nichts, denn ich war Teil eines großen<br />
Klubs wie Benfica. Das war eine<br />
wichtige Erfahrung für mich“, erinnertsich<br />
der 21-Jährige in einem Interview<br />
auf der Klubhomepage.<br />
Der ebenso treffsichere wie öffentlichkeitsscheue<br />
Torgarant rückt<br />
beim Duell zwischen dem letzten<br />
deutschen Europapokalstarter und<br />
dem portugiesischen Renommierklub<br />
im Estadio da Luz, dem Stadion<br />
des Lichts, unweigerlich in den Fo-<br />
Strafe: Dem AC Mailand drohen<br />
harte Sanktionen wegen<br />
Verstößen gegendas Financial<br />
Fair Play(FFP). Laut Untersuchungskammer<br />
der<br />
Uefa seien von2016 bis<br />
2018 die Anforderungen<br />
nicht erfüllt worden.<br />
FINANCIAL FAIR PLAY<br />
Sperre: Da die Mailänder<br />
Wiederholungstäter sind,<br />
könnten sie vomEuropacup<br />
ausgeschlossen werden. Der<br />
Klub war im Dezember wegenVerstößen<br />
gegendas FFP<br />
im Zeitraum von2015 bis<br />
2017 sanktioniertworden.<br />
Stand: Neben einer Geldbuße<br />
vonzwölf Millionen<br />
Euro wurde ein Europacup-<br />
Ausschluss auf Bewährung<br />
ausgesprochen. Mailand hat<br />
Einspruch eingelegt, der Fall<br />
liegt beim Internationalen<br />
Sportgerichtshof (Cas).<br />
kus. Die Erinnerungen an die eher<br />
unglücklichen 17 Monate in Lissabon<br />
werden zwangsläufig lebendig.<br />
„Das ist ein besonderes Gefühl.<br />
Nicht, weil ich mich rächen will oder<br />
so etwas, sondern weil es mich einfach<br />
freut, im Luz gegen ehemalige<br />
Kollegen zu spielen.“ Mit dem seit<br />
2013 für Benfica auflaufenden Nationalmannschaftskollegen<br />
Ljubomir<br />
Fejsa „gab es zuletzt schon einige<br />
amüsante Sticheleien“. DieChancen<br />
für den Halbfinaleinzug – Gegner<br />
wäreder FC Chelsea oder Slavia Prag<br />
–schätzt Jovic artig „bei 50:50“ ein.<br />
Davorallerdings ist die Hürde gegen<br />
Benfica Lissabon zu nehmen.<br />
Der portugiesische Rekordmeister<br />
ist bekannt dafür, Talente aller Herren<br />
Ländern mit dem Schleppnetz<br />
einzusammeln – und aus einigen<br />
werden später dicke Fische. Der<br />
junge Mann mit den massigen Gerd-<br />
Müller-Oberschenkeln, den sie in<br />
Serbien bereits mit dem kolumbianischen<br />
Weltstar Radamel Falcao verglichen,<br />
schien indes rasch durchs<br />
Rüttelsieb zu rauschen. „Ich war<br />
noch unerfahren, habe dementsprechend<br />
Fehler gemacht und habe vor<br />
allem kaum gespielt. Es war eher ein<br />
mentales Problem“, erzählt Luka Jovic.<br />
Ihn plagte Heimweh. „Klar,<br />
meine Eltern haben mich besucht.<br />
Auch meine Freundin war da, aber<br />
immer nur für drei Monate.Ich muss<br />
ehrlich sagen: Als ich Roter Sternverlassen<br />
habe, habe ich drei Tage geweint.“<br />
In Benficas Profiteam durfte er<br />
ganze 15 Minuten mitkicken, ansonsten<br />
fand er sich in der zweiten<br />
Mannschaft wieder, wo übrigens<br />
auch Benficas Toptalent Joao Felix<br />
kickte. Die Gelegenheit für Frankfurts<br />
Sportvorstand Fredi Bobic, Jovic<br />
für läppische 200 000 Euro Leihgebühr<br />
loszueisen und gleich noch<br />
eine Kaufoption über sieben Millionen<br />
Euro zu vereinbaren, die in diesen<br />
Wochen fällig werden soll.<br />
Rückblickend gilt das als<br />
Schnäppchen, denn der vielseitige<br />
Angreifer hat inzwischen eine fast<br />
märchenhafte Entwicklung genommen<br />
und steht derzeit bei 17 Torenin<br />
der Bundesliga und sieben im Europapokal,<br />
wobei der Siegtreffer im<br />
SanSiroimAchtelfinal-Rückspiel bei<br />
Inter Mailand für ihn selbst „das<br />
wichtigste Tor“ seiner jungen Karriereist.<br />
Seine Taten auch auf internationaler<br />
Bühne – kürzlich erzielte er<br />
auch gegen Deutschland sein erstes<br />
Länderspieltor –haben das Interesse<br />
der ganz großen Klubs geweckt. Der<br />
FC Barcelona und Real Madrid umwerben<br />
das Juwel Jovic bereits massiv.<br />
Für Trainer Adi Hütter die logische<br />
Folge der sprunghaften Leistungsentwicklung:<br />
„Er ist eine Tormaschine.<br />
Klar, dass Topklubs wie<br />
Real, Barcelona, Bayern oder Manchester<br />
City die Angel nach ihm ausgeworfen<br />
haben.“<br />
Mittlerweile ist sich der Eintracht-Vorstand<br />
einig, den wohl<br />
komplettesten Bundesligastürmer<br />
nach Robert Lewandowski (FC Bayern<br />
München), der mit rechts und<br />
links, per Kopf und Elfmeter traumwandlerisch<br />
sicher trifft, rund 80<br />
Millionen Euro Ablöse aufzurufen.<br />
Bobic kann gut mit dem Jovic-Berater<br />
Fali Ramadani, der auch die restliche<br />
Balkan-Connection mit Filip<br />
Kostic,Mijat Gacinovic und Ante Rebic<br />
vertritt.<br />
Sollten sich die in der Liga auf<br />
Platz vier gelisteten Hessen für die<br />
Champions League qualifizieren, ist<br />
nicht mal undenkbar, dass Jovic gegen<br />
eine kräftige Gehaltsaufstockung<br />
und ein entsprechendes<br />
Handgeld für eine weitere Saison in<br />
Frankfurt geparkt wird, schließlich<br />
ist der Jungstar gerade Vater geworden<br />
und fühlt sich inmitten seiner<br />
Landsleute pudelwohl. UndFlausen<br />
hat er schon deswegen nicht im<br />
Kopf, weil er früh die Schattenseite<br />
des internationalen Transfergeschäfts<br />
kennenlernte. Eigentlich<br />
wollte er nämlich gleich nach seinem<br />
18. Geburtstag noch gar nicht<br />
weg aus seiner Heimat. „Das ist eine<br />
lange Geschichte“, sagte Luka Jovic<br />
einmal:„Nur so viel: In Serbien leben<br />
die Vereine von dem Verkauf der<br />
Spieler.“<br />
Volle Kontrolle<br />
Der FC Barcelona gewinnt im Champions-League-Hinspiel bei Manchester United mit 1:0, weil der Gastgeber vor allem durch Einfallslosigkeit glänzt<br />
VonHendrik Buchheister,Manchester<br />
Mitte der ersten Halbzeit waren<br />
diese Rufe zu hören im Old<br />
Trafford.„Olé! Olé! Olé!“, klang es von<br />
den Rängen. Damit war allerdings<br />
nicht Manchester Uniteds Trainer<br />
Ole Gunnar Solskjaer gemeint, der<br />
dem Verein frisches Leben eingehaucht<br />
hat, nachdem er im Dezember<br />
das Amt von José Mourinho<br />
übernommen hat. Mitden Rufen begleiteten<br />
die Fans des FC Barcelona<br />
die ungestörten Pass-Stafetten ihrer<br />
Mannschaft in diesem Viertelfinal-<br />
Hinspiel der Champions League. 1:0<br />
führten die Gäste aus Spanien zu<br />
diesem Zeitpunkt –solautete auch<br />
bei Schlusspfiff das Ergebnis.<br />
DieGastgeber eröffneten die Partie<br />
im Old Trafford mit einem Freistoß<br />
aus guter Position. Marcus<br />
Rashford setzte den Ball mit Wucht<br />
neben das Tor, die Zuschauer brüllten<br />
auf. Das war doch ein vielversprechender<br />
Start. Allerdings war<br />
das für längere Zeit die letzte Halbchance<br />
für United. Die inTextmarker-Gelb<br />
spielenden Gäste übernahmen<br />
die Kontrolle und gingen in der<br />
13. Minute in Führung. Die Umstände<br />
dafür waren allerdings undurchsichtig.<br />
Nach einem Kopfball des beim<br />
United-Publikum verhassten ehemaligen<br />
Liverpool-Profis Luis Suárez<br />
sprang der Ball über die Linie. Dem<br />
Torwurde wegen Abseits zunächst<br />
die Anerkennung verweigert, doch<br />
nach Zuhilfenahme des Videoschiedsrichters<br />
gab Referee Gianluca<br />
Rocchi den Treffer doch. Er wurde als<br />
Luis Suárez lässt sich feiern, obwohl der Siegtreffer durch ein Eigentor fällt.<br />
AP/SUPER<br />
riet kaum in Gefahr. Die Gastgeber<br />
glänzten durch eine erstaunliche<br />
Einfallslosigkeit. Ein Freistoß von<br />
Fredblieb in der Mauer hängen, eine<br />
Flanke vonKapitän Ashley Young se-<br />
Eigentor von Verteidiger Luke Shaw<br />
gewertet.<br />
Barcelona kontrollierte das Spiel,<br />
hatte in der ersten Halbzeit zwischen<br />
70 und 80 Prozent Ballbesitz und gegelte<br />
ins Aus, ein Fernschuss von<br />
Rashford flog deutlich über das Ziel<br />
und landete im Ballfangzaun.<br />
Nach einer halben Stunde musste<br />
Lionel Messi nach einer harten Attacke<br />
von Chris Smalling länger behandelt<br />
werden. Er blutete im Gesicht,<br />
sein Auge war blau. Als er für<br />
einen Moment das Feld verließ, feierte<br />
das Publikum seinen Erzrivalen,<br />
der einst bei United angestellt war:<br />
„Viva Ronaldo!“, hallte es durch die<br />
Sportstätte.<br />
Barcelonas deutscher Torwart<br />
Marc-André ter Stegen stand kurz<br />
vor der Pause zum ersten Mal im<br />
Blickpunkt, und das gleich doppelt.<br />
Zuerst zögerte er bei einer Flanke<br />
und gestattete Uniteds Außenverteidiger<br />
Diogo Dalot einen Kopfball aus<br />
kurzerDistanz, den dieser allerdings<br />
nicht aufs Ziel brachte. Kurz danach<br />
warf sich TerStegen nach einer Hereingabe<br />
von Dalot ins Getümmel<br />
und beförderte den Ball mit beiden<br />
Fäusten aus der Gefahrenzone.<br />
In der zweiten Halbzeit war United<br />
sichtlich entschlossen, den deutschen<br />
Keeper mehr zu beschäftigen.<br />
Die Mannschaft kam mit viel Wucht<br />
aus der Kabine. Zählbaren Erfolg<br />
brachte Uniteds Drangphase allerdings<br />
nicht. Stattdessen hatte Suárez<br />
in der 65. Minute Barcelonas nächste<br />
Chance. Nach einem durchgesteckten<br />
Pass von Nélson Semedo<br />
klatschte sein Schuss aus spitzem<br />
Winkel ans Außennetz. Die Gäste<br />
waren vor dem Tordeutlich zielstrebiger<br />
und wirkten bei jedem Angriff<br />
gefährlich. Mehr als das eine, frühe<br />
Torsprangallerdings nicht heraus.