Berliner Kurier 15.04.2019
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10 BERLIN BERLINER KURIER, Montag, 15. April 2019<br />
Trotz Stasi-<br />
Abfuhr bekam<br />
Glatzeder die<br />
Hauptrolle in<br />
„Die Legende<br />
vonPaul und<br />
Paula“ (Szene<br />
mit Heidemarie<br />
Wenzel).<br />
WinfriedGlatzeder<br />
So spielte er die<br />
Stasi an die Wand<br />
Ost-Star sollte IM werden. Er verhinderte<br />
das mit einem gewagten Theater-Auftritt<br />
Glatzeder als<br />
Ermittler in<br />
„Für Mord kein<br />
Beweis“, einem<br />
seiner letzten<br />
Defa-Filme vor<br />
der Ausreise.<br />
Winfried Glatzeder und Angelica Domröse in „Die Legende vonPaul und Paula“. Erich<br />
Honecker entschied angeblich persönlich, dassder Film 1973 in die DDR-Kinos kam.<br />
Fotos: imago images/United Archives, ddp, Interfoto, zVg<br />
Von<br />
NORBERT KOCH-KLAUCKE<br />
Berlin – Er glänzte im Defa-<br />
Kultfilm „Die Legende von<br />
Paul und Paula“, begeisterte<br />
auf der Bühne unter anderem<br />
als „Jedermann“. Doch die<br />
wahre Glanzrolle seines Lebens<br />
führte Winfried Glatzeder<br />
(73) in der Volksbühne<br />
auf –ohne großes Publikum.<br />
Im TV verriet der Star erstmals,<br />
wie er die Stasi dort erfolgreich<br />
an die Wand spielte.<br />
Glatzeder gehört zu den prominenten<br />
Zeitzeugen der sonnabendlichen<br />
RBB-Serie „Berlin<br />
–Schicksalsjahre einer Stadt“.<br />
Als es jetzt in einer Folge um<br />
das Jahr 1971 ging, berichtete<br />
der Schauspieler, wie ihn die<br />
Stasi in jenem Jahr zum Inoffiziellen<br />
Mitarbeiter (IM) machen<br />
wollte.<br />
Zur Erinnerung: 1971 wurde<br />
in der DDR Staatschef Walter<br />
Ulbricht von Erich Honecker<br />
entmachtet. Der Machtwechsel<br />
versprach positive Veränderungen<br />
im Arbeiter-und-Bauern-Staat,<br />
eine neue Offenheit.<br />
Wie viele Künstler hoffte auch<br />
Glatzeder, der damals mit dem<br />
Film „Zeit der Störche“ als<br />
„Belmondo des Ostens“ gefeiert<br />
wurde, „dass eine Phase da ist,<br />
in der wir uns endlich was trauen<br />
konnten“.<br />
Die Realität sah anders aus,<br />
die alten Machtstrukturen existierten<br />
weiter. „Man spürte,<br />
dass es weiter eine Parallelgesellschaft<br />
gab, die einen auskundschaften<br />
wollte“, sagt der<br />
Star. „So bekam ich 1971 Besuch<br />
von der Stasi, die mich als IM<br />
anwerben wollte.“<br />
Und so musste Glatzeder eine<br />
Rolle spielen, um aus der Spitzel-Nummer<br />
herauszukommen.<br />
Er wählte die Volksbühnen-Kantine<br />
als Auftrittsort,<br />
trank sich vorher mit „Nordhäuser<br />
Doppelkorn“ Mut an.<br />
„Ich ging von Tisch zu Tisch,<br />
erzählte, was passiert war“,<br />
sagt Glatzeder. „Danach ging<br />
ich hoch zum stellvertretenden<br />
Intendanten, von dem ich ahnte,<br />
dass er einen guten Draht<br />
zur Stasi hatte. Ich sagte ihm,<br />
jetzt wollen mich diese Leute<br />
fertigmachen.“<br />
Glatzeder hatte mit diesem<br />
„Auftritt“ Erfolg. „Später las ich<br />
in meiner Stasi-Akte: ,Glatzeder<br />
hat sich an die vereinbarte<br />
Konspiration nicht gehalten.’<br />
Damit war ich für die Stasi verbrannt“,<br />
sagt der Schauspieler.<br />
Aber nur als IM. Denn die<br />
Stasi ließ Glatzeder observieren.<br />
Sein Telefon wurde abgehört,<br />
die Post geöffnet, wie der<br />
Schauspieler einmal in einem<br />
Interview berichtete. Sogar als<br />
er und seine Familie 1982 in den<br />
Westen ausreiste, ließ die Stasi<br />
den Star nicht in Ruhe. Bis 1989<br />
wurde Glatzeder vom MfS<br />
überwacht.