Berliner Kurier 15.04.2019
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*<br />
BERLIN<br />
DER<br />
ROTE<br />
TEPPICH<br />
Ehre, wemEhregebührt!<br />
Lars<br />
Lachmann,<br />
43 Jahre<br />
alt,ist<br />
Biologe<br />
und Vogelkundler.<br />
Jugendweihe<br />
mit Blumen im<br />
Friedrichstadt-Palast:<br />
320 Jugendliche<br />
nahmen teil.<br />
Fragen?<br />
Wünsche?<br />
Tipps?<br />
Redaktion: Tel. 030/63 33 11 456<br />
(Mo.–Fr. 10–18 Uhr)<br />
10969 Berlin, Alte Jakobstraße 105<br />
E-Mail: leser-bk@dumont.de<br />
Abo-Service: Tel. 030/232777<br />
Foto: NABU<br />
Alle Vögel sind schon da.<br />
So beginnt ein Kinderlied,<br />
das aber zu veralten<br />
droht. Denn von „alle“ kann<br />
immer weniger die Rede<br />
sein, denn die Zahl der Vögel<br />
geht zurück. Einer, der<br />
sich darüber besondere<br />
Sorgen macht, ist Lars<br />
Lachmann, Vogelschutzexperte<br />
beim in Berlin ansässigen<br />
Naturschutzbund<br />
Nabu. Schon seit Jahren<br />
schwindet der Bestand auf<br />
dem Land, seit 1980 ist laut<br />
Nabu jeder zweite Feldvogel<br />
in der EU verschwunden,<br />
unter anderem wegen<br />
der großflächigen Monokulturen<br />
und dem Insektenschwund.<br />
In der Stadt<br />
dagegen blieb die Zahl der<br />
Vögel einigermaßen konstant.<br />
Doch mittlerweile<br />
scheint sich auch das zu ändern.<br />
Vor allem Vögel wie<br />
Mauersegler und Mehlschwalben<br />
werden rar.<br />
Lachmann: „Sie finden<br />
durch das Insektensterben<br />
immer weniger Nahrung<br />
und durch Gebäudesanierungen<br />
immer weniger<br />
Wohnraum.“ Der Nabu<br />
bereitet jetzt die 15. „Stunde<br />
der Gartenvögel“ vor, an<br />
der 2018 fast 60 000 Menschen<br />
teilnahmen. In Berlin<br />
und bundesweit sollen die<br />
Menschen vom 10. bis 12.<br />
Mai jeweils eine Stunde<br />
lang Vögel beobachten,<br />
zählen und melden.<br />
https://bit.ly/1F5w3WI GL<br />
Jugendweihe in Berlin<br />
Überraschend: Immer mehr Schüler dabei, deren Eltern aus dem Westen stammen<br />
Von<br />
TORSTEN HARMSEN<br />
Berlin – Die meisten stehen<br />
zum ersten Mal im Rampenlicht.<br />
Begleitet von Musik<br />
und Spots ziehen etwa 170<br />
Jugendliche in den Saal des<br />
Friedrichstadt-Palasts ein.<br />
Ihre bereits im Saal sitzenden<br />
Eltern, Geschwister und<br />
Großeltern verfolgen sie auf-<br />
geregt mit den Augen. Es ist<br />
Jugendweihe.<br />
„Viele haben plötzlich die Erja<br />
un-<br />
kenntnis: Mensch, das ist<br />
ser Kind, das auf einmal so<br />
groß<br />
geworden ist! Da sieht<br />
man<br />
schon manche Träne“, sagt An-<br />
na Paterok. Sie leitet das<br />
Pro-<br />
Hu-<br />
jekt Jugendfeier Berlin des<br />
manistischen Verbandes (HV).<br />
Insgesamt 320 Jugendliche<br />
nahmen im Friedrichstadt-Pa-<br />
last an zwei Auftakt-Veran-<br />
Jugendfeiern des HV Ber-<br />
lin-Brandenburg teil. Bun-<br />
desfamilienministerin<br />
staltungen der diesjährigen<br />
Franziska Giffey (SPD)<br />
hielt eine der Festreden.<br />
Für ein religionsfreies<br />
Ritual des Erwachsenwerdens<br />
meldeten sich<br />
2019 in Berlin und Branden-<br />
burg etwa 10000 junge Mennutzen<br />
das Angebot des Humanisti-<br />
schen Verbandes Berlin-Brandenburg,<br />
davon 2500 in Berlin.<br />
Allein im Friedrichstadt-Palasgibt<br />
es bis zum 1. Juni 14<br />
Fest-<br />
schen an. Rund 6500<br />
veranstaltungen. Damit feier-<br />
ten mehr als neun Prozent der<br />
<strong>Berliner</strong> Schüler der achten<br />
Klassen mit dem HV den Übergang<br />
ins Erwachsenenleben,<br />
befassten sich „mit humanistischen<br />
Werten wie Toleranz,<br />
Solidarität und Selbstbestimmung“,<br />
erklärt der Verband.<br />
Um diese Werte zu verdeutlichen,<br />
haben Schauspieler und<br />
Jugendliche für die Feier im<br />
Friedrichstadt-Palast Theaterszenen<br />
erarbeitet, in denen<br />
es um wichtige ihtig Lebensthemen<br />
geht. „In diesem<br />
Jahr geht<br />
es um Mut“,<br />
sagt Anna Pa-<br />
Familienministerin<br />
Franziska Giffey.<br />
gewöhnliche Wege zu gehen<br />
und sich für Dinge einzusetzen<br />
–auch wenn es zunächst aussichtslos<br />
erscheint.“<br />
Die Region Berlin-Brandenburg<br />
ist Teil einer florierenden<br />
Jugendweihe-Bewegung, vor<br />
allem im Osten Deutschlands.<br />
Hier stagniert die Zahl der Jugendlichen,<br />
die eine Konfirmation<br />
erhalten. Etwa 15700 Konfirmanden<br />
sind es 2019 in allen<br />
terok. „Und<br />
zwar um den<br />
Mut, zu sich<br />
selbst zu stehen,<br />
un-<br />
ötli östlichen Bundesländern. d Dagegen<br />
feiern schätzungsweise<br />
43 000 Jugendliche Jugendweihe.<br />
Neben dem HV bieten<br />
auch der Verein Jugendweihe<br />
und das Jugendbildungswerk<br />
Feiern an.<br />
Seit 2017 leitet Anna Paterok<br />
das <strong>Berliner</strong> Projekt. Sie ist<br />
Jahrgang 1978 und stammt aus<br />
dem Westen. „Wo ich herkomme,<br />
gab es einfach<br />
keine nicht-religiösen<br />
Feiern fürs Erwachsenwerden“,<br />
sagt<br />
sie. „Als<br />
ich<br />
hörte, dasshier solche Angebote<br />
existieren, hat mich das sofort interessiert.“<br />
Ihr sind Werte und<br />
Ideen wichtig, die hier vermittelt<br />
würden.„IchbinüberzeugteHumanistin“,<br />
sagt sie. Alle Menschen<br />
sollten „verantwortungsbewusst,<br />
selbstbestimmt und tolerantdurchs<br />
Leben gehen“.<br />
„Jugend ist eine ganz besondersprägendeLebensphase“,<br />
erklärte<br />
Giffey den Jugendlichen.<br />
„Es geht darum, selbstständig zu<br />
werden und seinen Platz in der<br />
Gesellschaft zu finden.“<br />
Nach dem Ende<br />
der DDR hatte<br />
es zunächst Vorbehalte gegeben,<br />
die Feiern fortzuführen, die obliwaren<br />
und mit<br />
gatorisch für alle<br />
einem sozialistis chen Gelöbnis<br />
endeten. Doch bald erlebte die<br />
Jugendweihe einee Renaissance–<br />
als vertrautes weltliches Über-<br />
aber<br />
gangsritual,<br />
unter neuen Vorzeichen.<br />
Der HV knüpft<br />
dabei an<br />
die eigene,<br />
130-jährige Tradition<br />
an. Denn in Berlin<br />
hatte 1889 die erste<br />
proletarischhumanistische<br />
Jugendweihe-<br />
feier<br />
stattgefunden.<br />
Die Motive, an der<br />
Jugendweihe teilzunehmen,<br />
wandeln sich. „Esgibt zwar ein<br />
bleibendes Interesse an der Fei-<br />
er. Aber die Selbstverständlich-<br />
verblasst“,<br />
keit der Teilnahme<br />
sagt Paterok. Dafür kämen an-<br />
für sich neu<br />
dere, die das Ritual<br />
entdeckten. Viele davon seien<br />
Kinder von Zugezogenen aus<br />
dem Westen.