Berliner Kurier 15.04.2019
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POLITIK<br />
MEINE<br />
Identität vorgetäuscht<br />
MEINUNG<br />
Wer weiterhin möchte,<br />
dass Deutschland ein<br />
weltoffenes Land ist, das politisch<br />
Verfolgte oder Kriegsflüchtlinge<br />
aufnimmt, wird sicherlich<br />
kein Freund von<br />
Horst Seehofer sein. Denn<br />
der Bundesinnenminister von<br />
der CSU hat mehr als einmal<br />
deutlich gemacht, dass er das<br />
deutsche Asylrecht am liebsten<br />
in die Tonne treten würde.<br />
Gleichwohl sollte man<br />
sich seine Pläne genau anschauen.<br />
Denn dort finden<br />
sich durchaus auch sinnvolle<br />
Vorhaben. Dasgilt etwa für<br />
alle Gesetzesänderungen, die<br />
auch im Sinneder Mehrheit<br />
der Asylbewerber sind. Denn<br />
zu oft gilt heute im Asylrecht<br />
der Grundsatz: „Der Ehrliche<br />
ist der Dumme.“<br />
Wer heute seinen Pass mit<br />
Absicht vernichtet und mit<br />
falschen Identitäten jongliert,<br />
um seine wahre Herkunft zu<br />
verschleiern, kann damit für<br />
lange Zeit die Verwaltung beschäftigen<br />
und so de facto den<br />
Aufenthalt erzwingen. Einigen<br />
gelingt es gar, sich mit<br />
den unwahren Angabendie<br />
Staatsbürgerschaft zu erschleichen.<br />
Gegenüber den<br />
Ehrlichen ist es daher nur<br />
fair, den Behörden eine deutlich<br />
längere Frist einzuräumen<br />
und Betrügern den Pass<br />
wieder abzunehmen.<br />
MANN DESTAGES<br />
Gianis Varoufakis<br />
Vor vier Jahren war Gianis<br />
Varoufakis noch griechischer<br />
Finanzminister in einer der<br />
schwierigsten Phasen des<br />
Landes. Bei<br />
der Europawahl<br />
tritt<br />
der 58-Jährige<br />
in<br />
Deutschland<br />
als<br />
Spitzenkandidat<br />
der<br />
Vereinigung<br />
Demokratie<br />
in Europa<br />
an –einem deutschen Ableger<br />
seiner europäischen Bewegung<br />
Democracy in Europe<br />
Movement 2025<br />
(Diem 25). Hauptgrund für<br />
seine Kandidatur sei, „dass<br />
Europa zu zerfallen droht“.<br />
Foto: Andrea Butti/dpa<br />
Von<br />
Timot<br />
Szent-Ivanyi<br />
Gebot der Fairnessden<br />
Ehrlichen gegenüber<br />
–deutscher Pass weg<br />
Werbei der Einbürgerung lügt,soll künftig zehn Jahrelang die neue Staatsbürgerschaft verlieren können<br />
Berlin – „Mutter der Probleme“<br />
nannte Bundesinnenminister<br />
Horst Seehofer<br />
(CSU) die Migration. Mit allen<br />
Mitteln die Zuwanderung<br />
zu begrenzen ist das<br />
Credo seiner Politik, was<br />
der SPD oft zu weit geht.<br />
Jetzt packt Seehofer das<br />
nächste Vorhaben an: Das<br />
Staatsbürgerschaftsrecht<br />
soll geändert werden.<br />
Washington –Vor drei Monaten<br />
war Pete Buttigieg<br />
nicht einmal den härtesten<br />
Politiknerds ein Begriff. Der<br />
37-Jährige wirkte als Bürgermeister<br />
der Kleinstadt South<br />
Bend im Rostgürtel von Indiana,<br />
wo 1963 die letzten<br />
Studebaker-Limousinen das<br />
Band verließen. Als sich der<br />
Harvard-Absolvent vor vier<br />
Jahren in der Lokalzeitung<br />
als homosexuell outete, fand<br />
das keinen Widerhall.<br />
Doch inzwischen hat Buttigieg<br />
fast 800 000 Follower bei<br />
Twitter. Das halbe Land<br />
kennt seinen fürsorglichen<br />
Ehemann Chasten und seine<br />
knuffigen Hunde Truman<br />
und Buddy. Late-Night-Talker<br />
Trevor Noah hat für seine<br />
„Daily Show“ die Stottereien<br />
von Reportern bei der Aussprache<br />
des Nachnamens zusammengeschnitten<br />
– samt<br />
Empfehlung des Politikers:<br />
„Nennt mich einfach Bürgermeister<br />
Pete!“ In den ersten<br />
drei Monaten haben 159000<br />
Kleinspender 7 Millionen<br />
Dollar auf Buttigiegs Kampagnenkonto<br />
überwiesen,<br />
und der Mann mit dem jungenhaften<br />
Lächeln hat gute<br />
Chancen, im Herbst 2020<br />
gegen Donald Trump anzutreten.<br />
Der Gegen-Trump<br />
Liberal, jung,schwul: Pete Buttigieg willPräsidentwerden<br />
Der sagenhafte Aufstieg<br />
des schwulen Sympathieträgers<br />
aus dem Mittleren Westen<br />
ist die jüngste Episode<br />
einer beispiellosen Castingshow:<br />
der Kür des demokratischenKandidaten<br />
für die US-<br />
Präsidentschaftswahlen.<br />
Noch ist die Bewerbungsfrist<br />
nicht abgelaufen.<br />
Doch schon jetzt haben<br />
18 Interessenten ihren<br />
Hut inden Ring geworfen:Prominenteund<br />
Nobodys,<br />
Junge und Alte,<br />
Frauen und Männer,<br />
Weiße und Schwarze,<br />
Linke und Gemäßigte.<br />
„Die demokratischen<br />
Vorwahlen werdendie<br />
wildesten in einerganzen<br />
Generation“, sagt<br />
das Magazin „Time“<br />
voraus.<br />
Zwar ist es bis zum<br />
Urnengang am 3. November<br />
2020 noch eine<br />
Weile hin. Doch das komplizierte<br />
System unterschiedlicher<br />
Vorwahlen in<br />
50 Staaten hat das Schaulaufen<br />
schon jetzt in<br />
Gang gesetzt. Im<br />
Februar 2020 beginnt<br />
traditionsgemäß<br />
in Iowa<br />
der Vorwahlreigen.<br />
Darum geht es: Wer über seine<br />
Herkunft gelogen hat, soll künftig<br />
bis zu zehn Jahre nach der<br />
Einbürgerung seinen deutschen<br />
Pass verlieren können.<br />
Einen entsprechenden Entwurf<br />
für eine Reform des<br />
Staatsangehörigkeitsrechts<br />
will das Bundesinnenministerium<br />
spätestens im Frühherbst<br />
vorlegen. Damit komme die Regierung<br />
auch einem dringenden<br />
Wunsch der Länder nach,<br />
sagte Innenstaatssekretär Helmut<br />
Teichmann am Wochenende<br />
der Deutschen Presse-<br />
Agentur.<br />
Für sogenannte Identitätstäuscher<br />
gilt bislang eine Fünfjahresfrist:<br />
Wer nach diesem<br />
Zeitraum auffliegt, verliert seine<br />
deutsche Staatsangehörigkeit<br />
nicht. Das Bundesinnenministerium<br />
hatte im vergangenen<br />
Jahr bei den Ländern nachgefragt,<br />
wie viele Verdachtsfälle<br />
bei ihnen erst nach Ablauf der<br />
Fünfjahresfrist aufgefallen seien.<br />
Laut Teichmann wurden<br />
daraufhin mehr als 250 Fälle<br />
gemeldet. Allerdings kamen<br />
den Angaben zufolge nicht aus<br />
allen Ländern Rückmeldungen.<br />
Gerichte hatten<br />
sich in den vergangenen<br />
20 Jah-