Berliner Zeitung 17.04.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 90 · M ittwoch, 17. April 2019 11 *<br />
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Berlin<br />
Neuer Vorstoß zur Karl-Marx-Allee<br />
Landesregierung will nun alle umstrittenen Blöcke erwerben<br />
Mittwoch, 17.04.19 –Samstag, 20.04.19<br />
VonUlrich Paul<br />
Überraschende Wende im<br />
Streit um die Wohnungen<br />
in der Karl-Marx-Allee<br />
in Friedrichshain.<br />
Der Senat will jetzt sämtliche rund<br />
675 Wohnungen aus den drei Wohnblöcken<br />
C-Nord, C-Süd und D-Nord<br />
erwerben, um die seit Monaten ein<br />
harter Kampf mit der Deutsche<br />
Wohnen tobt. Darüber würden jetzt<br />
Gespräche geführt. Voraussetzung<br />
für einen kompletten Erwerb sei,<br />
dass der Preis stimmt, hieß es.<br />
Der Regierende Bürgermeister<br />
Michael Müller (SPD) sagte am<br />
Dienstag, die Senatsverwaltungen<br />
für Stadtentwicklung und Finanzen<br />
würden noch im April auf den Verkäufer<br />
der Wohnungen, die Predac,<br />
und die Deutsche Wohnen, die die<br />
Häuser erwerben wollte, zugehen,<br />
„um auszuloten in welcher Form<br />
man möglicherweise in die Verträge<br />
eintreten“ könne. Inder Senatssitzung<br />
hatte sich die Landesregierung<br />
zuvor unter dem Tagesordnungspunkt<br />
Verschiedenes auf dieses Vorgehen<br />
verständigt.<br />
Müller:Konflikte vermeiden<br />
DerVorstoß zielt darauf, die verworrene<br />
rechtliche Situation um die<br />
Wohnungen in der Karl-Marx-Allee<br />
zugunsten des Landes zu klären. Wie<br />
berichtet, wollte die Predac die Wohnungen<br />
an die Deutsche Wohnen<br />
verkaufen. Viele Mieter äußerten<br />
daraufhin aber die Sorge, dass die<br />
Mieten steigen und dass sie verdrängt<br />
werden. Um den Mietern zu<br />
helfen, entwickelte der Senat das<br />
Modell vom sogenannten gestreckten<br />
Erwerb, bei dem die Mieter ihr<br />
Vorkaufsrecht ausüben und die<br />
Wohnungen dann an die landeseigene<br />
Wohnungsbaugesellschaft Gewobag<br />
weitergeben. 377 Wohnungen<br />
sollen auf diese Weise in den Besitz<br />
der Gewobag gelangen. Einige<br />
Mieter wollen zudem ihr Vorkaufsrecht<br />
nutzen, um selbst Eigentümer<br />
zu werden. Nurinden übrigen Fällen<br />
könnte die Deutsche Wohnen neuer<br />
Besitzer der Wohnungen werden.<br />
DasProblem dabei: Es gibt keine einheitliche<br />
Eigentümerstruktur. Das<br />
kann zu Streit führen, wenn es um<br />
die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums<br />
geht. Verfahren ist die Situation<br />
ferner, weil es derzeit verschiedene<br />
Prozesse oder Rechtsstreitigkeiten<br />
zu den Verkäufen an<br />
die Deutsche Wohnen gibt.<br />
„Es wäre immer gut, wenn man<br />
eine Konfliktsituation vermeiden<br />
Protestplakat an der Fassade eines Hauses in der Karl-Marx-Allee.<br />
kann“, sagte der Regierende Bürgermeister<br />
am Dienstag. „Aber auch<br />
nicht zu allen Bedingungen.“ Die<br />
Stadt müsse sich den Erwerb der<br />
Wohnungen leisten können.<br />
Die Linke steht hinter dem jetzt<br />
verabredeten Vorgehen. „Wir begrüßen<br />
die Initiativedes Senats,über einen<br />
Gesamterwerb verhandeln zu<br />
wollen“, sagt Fraktionschefin Carola<br />
Bluhm. „Wir hatten von Anfang an<br />
ein großes Interesse an der Rekommunalisierung<br />
der Häuser in der<br />
IMAGO IMAGES<br />
Karl-Marx-Allee.“ Wenn ein Gesamterwerb<br />
gelänge, wäre es nicht nur<br />
wirtschaftlicher, soBluhm. „Es wäre<br />
auch ein politischer Erfolg, weil damit<br />
der Versuch, die Vorkaufsrechte<br />
der Mieter auszuhebeln, zum Scheiterngebracht<br />
würde.“ Bluhm:„Dafür<br />
haben wir nicht zuletzt den Mieterinnen<br />
und Mietern zudanken, die<br />
den Muthatten, sich mit dem Modell<br />
des gestreckten Erwerbs gegen den<br />
spekulativen Verkauf ihrer Wohnungen<br />
zu wehren.“Für den Komplett-<br />
Erwerb der Wohnungen durch das<br />
Land Berlin spräche,dass dann auch<br />
die Gewerbeflächen an der Allee in<br />
landeseigene Hand kämen. Der<br />
Kaufpreis würde sich damit relativieren,<br />
und damit der nötige Zuschuss<br />
aus dem Landeshaushalt.<br />
Insgesamt wollte die Predac fünf<br />
Wohnblöcke in der Karl-Marx-Allee<br />
an die Deutsche Wohnen verkaufen.<br />
Für den Wohnblock D-Süd mit 80<br />
Wohnungen, der im Milieuschutzgebiet<br />
Weberwiese liegt, hat allerdings<br />
bereits der Bezirk Friedrichshain-<br />
Kreuzberg sein Vorkaufsrecht zugunsten<br />
der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft<br />
Mitte (WBM)<br />
ausgeübt. Diese Wohnungen sind<br />
also bereits in landeseigenem Besitz.<br />
Angefochten werden kann die Entscheidung<br />
nicht mehr,weil die Deutsche<br />
Wohnen ihren zunächst erhobenen<br />
Widerspruch zwischenzeitlich<br />
zurückgezogen hat. Neben den<br />
675 Wohnungen in den drei Blöcken<br />
C-Nord, C-Süd und D-Nord streitet<br />
Berlin mit einer Tochter der landeseigenen<br />
Wohnungsbaugesellschaft<br />
Mitte (WBM)umrund150 Wohnungen<br />
eines fünften Blocks, F-Nord,<br />
den die Deutsche Wohnen ebenfalls<br />
von der Predac erwerben will. Hier<br />
ist ein Gerichtsverfahren anhängig.<br />
94-Jährige in Angst<br />
Sorgen um die Zukunft machen sich<br />
unterdessen auch die Mieter am<br />
Strausberger Platz, deren Wohnungen<br />
zum Ensemble an der Karl-<br />
Marx-Allee zählen, aber einem weiteren<br />
privaten Eigentümer gehören.<br />
„Ich wohne seit 1953 in dieser Wohnung,<br />
habe dafür in den Trümmerbergen<br />
von Berlin viele Steine abgeklopft“,<br />
berichtet eine 94-jährige<br />
Mieterin in einem Schreiben an den<br />
Vorsitzenden des Mieterbeirats. Die<br />
Entwicklung nach der Wende mit<br />
Verkauf und Weiterverkauf zeige,<br />
dass es „nur ums Geld“ gehe. Drei<br />
Wohnungsbesichtigungen habe sie<br />
zuletzt innerhalb eines Jahres dulden<br />
müssen. Unter den Interessenten<br />
seien ein Engländer und ein Italiener<br />
gewesen. „Jeder kam mit einem<br />
Gutachter, der die gesamte<br />
Wohnung fotografiert und vermessen<br />
hat“, so die Frau. „Man lebt hier<br />
nur noch in Angst, ob man sein Dach<br />
überm Kopf behalten und bezahlen<br />
kann, solange man noch lebt.“<br />
Ulrich Paul hofft, dass sich<br />
Vermieter ihrer sozialen Verantwortung<br />
bewusst sind.<br />
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„Irgendwann haben Normalbürger die Nase voll“<br />
Auf den zivilen Ungehorsam von Extinction Rebellion reagieren Parteien ganz unterschiedlich<br />
VonAnnika Leister<br />
AmMontag blockierten rund 200<br />
Aktivisten der Gruppe Extinction<br />
Rebellion zwei Stunden lang die<br />
Oberbaumbrücke und legten den<br />
Verkehr lahm. Es war die erste Aktion<br />
der in Deutschland noch sehr jungen<br />
Gruppe. Doch sie wirft schon<br />
jetzt die Frage auf: Wiewill die Politik<br />
damit umgehen? Denn Extinction<br />
Rebellion hat angekündigt, dass weitere<br />
Blockaden folgen sollen. Und<br />
ein Blick ins Ausland verrät, welche<br />
Schlagkraft diese Gruppe entwickeln<br />
könnte: In London blockierten am<br />
Montag 2000 Demonstranten mit<br />
der Waterloo Bridge die längste Brücke<br />
der britischen Hauptstadt –und<br />
das rund zwei Tage lang. 55 Busrouten<br />
mussten laut BBC umgeleitet<br />
werden, 500 000 Reisende waren betroffen,<br />
bis zum Dienstagnachmittag<br />
gab es rund 120 Verhaftungen.<br />
In Berlin waren 400 Polizisten im<br />
Einsatz. Fünf Personen wurden vorübergehend<br />
festgenommen und<br />
überprüft, teilte die Polizei am<br />
Dienstag mit. Sechs Strafermittlungsverfahren<br />
wurden eingeleitet,<br />
Aktivisten bei der Sitzblockade auf der Oberbaumbrücke.<br />
unter anderem wegen Verstoßes gegen<br />
das Versammlungsgesetz und<br />
Widerstands gegen einen Polizeibeamten.<br />
Marcel Luthe, innenpolitischer<br />
Sprecher der FDP, kritisiertdie<br />
Aktion der Klimaaktivisten massiv:<br />
Sie hätten „erhebliche volkswirtschaftliche<br />
Schäden angerichtet und<br />
Menschenleben gefährdet“, weil von<br />
den von ihnen verursachten Staus<br />
auch Polizei und Feuerwehr betroffen<br />
gewesen seien. DerInnensenator<br />
DPA/CHRISTOPH SOEDER<br />
müsse dafür sorgen, solche Blockaden<br />
in Zukunft mit allen Mitteln zu<br />
unterbinden.<br />
Auch Georg Pazderski, Fraktionschef<br />
der AfD, findet, dass die Polizei<br />
die Demonstranten zu lange habe<br />
auf der Fahrbahn sitzen lassen. „Da<br />
muss der Staat mit aller Konsequenz<br />
einschreiten – und zwar deutlich<br />
schneller als am Montag.“ Die Öffentlichkeit<br />
dürfe nicht in „Geiselhaft“<br />
genommen werden von eini-<br />
gen wenigen. Kurt Wansner von der<br />
CDU hält die Proteste schlicht für<br />
überflüssig: Umwelt sei ohnehin<br />
Hauptthema in der Politik. Aktivisten<br />
wie Extinction Rebellion wollten<br />
sich profilieren, und das am liebsten<br />
immer in seinem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.<br />
„Aber irgendwann<br />
hat der Normalbürger die Nase voll.“<br />
Die rot-rot-grünen Regierungsparteien<br />
schätzen den zivilen Ungehorsam<br />
der Aktivisten gänzlich anders<br />
ein. Die Grenze sei erreicht,<br />
wenn es zu Straftaten komme, sagte<br />
Benedikt Lux (Grüne). Dazu aber<br />
zählt er die Sitzblockade noch nicht:<br />
„Kurzzeitige Blockaden, die einen<br />
thematischen Bezug haben, dürften<br />
noch legal sein.“ Ähnlich sieht es MichaelEflervon<br />
der Linken: „Solange<br />
eine Gefährdung vonMenschen ausgeschlossen<br />
ist und keine Gewalt<br />
ausgeübt wird, sind radikalere Proteste<br />
für den Klimawandel durchaus<br />
in Ordnung.“ Auch der Regierende<br />
Bürgermeister Michael Müller äußerte<br />
sich am Dienstag: Er habe großesVerständnis<br />
für die Ungeduld der<br />
Aktivisten, hoffe aber, dass sich Blockaden<br />
nicht als Mittel durchsetzen.<br />
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