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S PORT<br />
„Weiß ist zum Beispiel tödlich!“<br />
RUNDSCHAU-Interview mit Schanzen-Chef und Sprungrichter Wolfgang Perktold<br />
Wolfgang Perktold ist ein vielseitig beschäftigter Mensch. Einerseits ist<br />
er der einzige internationale Sprungrichter, den das Tiroler Oberland aufzubieten<br />
hat, andererseits war er bei der Nordischen WM in Seefeld der<br />
Schanzen-Chef. Nach der WM ging es gleich weiter nach Oslo und Lillehammer,<br />
wo er sowohl bei den Nordischen als auch bei den Spezialspringern<br />
einer von fünf Sprungrichtern war. Die RUNDSCHAU traf Perktold,<br />
der in seinem Brotberuf beim Baubezirksamt Imst arbeitet, daheim in Karrösten<br />
– und war beeindruckt von der großen Erfahrung des Imsters.<br />
Von Albert Unterpirker<br />
RUNDSCHAU: Wie kam es dazu, dass<br />
du Sprungrichter und Schanzen-Chef wurdest?<br />
Wolfgang Perktold: Eigentlich komme<br />
ich ja aus dem Bereich der alpinen Skifahrer,<br />
aber angefangen hat das alles vor rund<br />
16 Jahren beim Schiklub Imst, als ich beim<br />
dortigen Springen (auf der Putzen-Schanze,<br />
Anm.) mal als Sprungrichter eingesetzt<br />
war. In Folge machte ich das auch auf Landesebene<br />
– und bin dann sukzessive in<br />
den Nordischen Bereich reingekommen.<br />
In Seefeld wurde ich vom österreichischen<br />
Skiverband als Schanzen-Chef eingeteilt.<br />
Aber da war ich dann kein Offizieller, sondern<br />
nur Arbeitstier (lacht).<br />
RS: Wie lange läuft das auf Weltcup-Basis<br />
schon, dass du Sprungrichter bist?<br />
Perktold: Meinen ersten Spezial-<br />
Sprunglauf-Weltcup hatte ich 2013, mein<br />
erster Nordischer Weltcup als Sprungrichter<br />
war im Jahr 2009. Ich hab’ pro Jahr<br />
rund drei Weltcup-Einsätze bei den Spezialspringern<br />
– aber es werden von den Verbänden<br />
natürlich die unteren Ebenen auch<br />
beschickt, wie Kontinental-Cup, FIS-Cup,<br />
oder Alpencup.<br />
RS: Wie ist die WM in Seefeld als Schanzen-Chef<br />
rückblickend gelaufen?<br />
Perktold: Für mich persönlich war es ein<br />
absolutes Highlight! Aber manche Kollegen<br />
meinten, wenn sie zwischen Oslo und<br />
Seefeld wählen könnten, würden sie Oslo<br />
nehmen.<br />
RS: Warum das?<br />
Perktold: Weil Oslo einfach die Wiege<br />
des Nordischen Skisports ist, da sind an<br />
einem Weltcup-Tag soviel Leute, wie bei<br />
der WM in eineinhalb Wochen. Da wird<br />
gezeltet und gegrillt, das ist eine richtige<br />
Volksfeststimmung. Die haben dort an<br />
zwei Tagen zum Beispiel mehr Voluntäre,<br />
als Seefeld bei der gesamten WM hatte.<br />
Besonderheiten gab es aber in Seefeld<br />
auch, wie etwa das Spezialspringen auf der<br />
Normal-Schanze, weil das der schwierigste<br />
Bewerb von den äußeren Bedingungen<br />
her war. Da gab es Regen, Schneefall und<br />
Wind – das war eigentlich ein Chaos-Bewerb.<br />
Aber da haben alle super zusammengearbeitet,<br />
und so konnte der Bewerb im<br />
Rahmen der Möglichkeiten perfekt durchgeführt<br />
werden. Überhaupt waren die Bedingungen<br />
in Seefeld generell schwierig,<br />
weil es rund zehn bis 15 Grad zu warm war.<br />
Da hat man auf der Schanze viel arbeiten<br />
müssen. Nach dem Bewerb ist jedem ein<br />
Stein vom Herzen gefallen.<br />
24./25. April 2019<br />
Wolfgang Perktold: Oberlands einziger<br />
internationaler Sprungrichter.<br />
RS: Aber dennoch war die WM in Seefeld<br />
gut, oder?<br />
Perktold: Ja, klar! Die WM war toll<br />
organisiert und die Fans waren ebenfalls<br />
super. Die sind auch dann noch stehen<br />
geblieben, bis der Letzte im Ziel war – und<br />
sie haben für alle Sportler gejubelt. Eigentlich<br />
sind wir in Österreich ja eher nationalistisch<br />
eingestellt – aber oben in Seefeld<br />
war das von den Fans her vorbildlich.<br />
RS: Was sind eigentlich die Aufgaben<br />
eines Schanzen-Chefs?<br />
Perktold: Man ist für zum Beispiel<br />
für die gesamte Koordination zuständig,<br />
sorgt mit dem Team für eine möglichst<br />
gute Präparierung der Schanze, schaut auf<br />
die Bläser-Mannschaft (die den Schnee<br />
aus dem Auslauf rausschafft, Anm.),<br />
oder achtet darauf, dass an den Banden<br />
alles geregelt ist. Eigentlich ist man für<br />
alles zuständig. Schanzen-Chef klingt so<br />
hochtrabend – eigentlich ist man Mädchen<br />
für alles.<br />
RS: Gibt es Dinge, die man unter Umständen<br />
tunlichst unterlassen soll?<br />
Perktold: Die gibt es natürlich. Etwa<br />
bei diversen Bedingungen mit Salz arbeiten,<br />
damit der Aufsprung hart wird. Das<br />
kann man nicht immer machen. Es kann<br />
funktionieren, aber wenn ich weiß, dass<br />
es zu warm oder der Schnee zu trocken<br />
ist, dann funktioniert es nicht – oder nur<br />
bis zu einem gewissen Maße.<br />
RS: Also braucht es sehr viel Fingerspitzengefühl?<br />
Perktold: Definitiv! Die Jury entscheidet<br />
dann letztendlich gemeinsam mit<br />
dem Schanzen-Chef, was zu tun ist.<br />
Früht übt sich, wer ein Meister werden will: Kilian (2) hebt im heimischen Wohnzimmer<br />
zu Papa Wolfgang sprungmäßig ab. <br />
RS-Fotos: Unterpirker<br />
RS: Was mag ein Schanzen-Chef gar<br />
nicht? Gibt’s manchmal schlaflose Nächte?<br />
Perktold: Ja, das gibt’s. Da muss ich<br />
wieder auf Seefeld zurückkommen.<br />
Wenn die Wettervorhersage sehr schlechtes<br />
Wetter meldet und es kommt dann<br />
auch so, wie es gemeldet wurde – da<br />
macht man sich schon seine Gedanken.<br />
RS: Nochmal zum Thema Sprungrichter.<br />
Gibt es Highlights, die du dein Leben<br />
lang nicht vergessen wirst – als internationaler<br />
Sprungrichter?<br />
Perktold: Was ich nie vergessen werde<br />
war Sapporo (2013), die haben dort<br />
Unmengen an Schnee. Da hatte es jeden<br />
Tag in der Früh 30 bis 40 Zentimeter<br />
Neuschnee, jeden Tag! Bei meiner Anreise<br />
habe ich nur Schnee-Lkw’s gesehen,<br />
die Schnee wegtransportiert haben. In<br />
Sapporo fahren zu solchen Zeiten jede<br />
Nacht 4500 Lkws nur Schnee wegräumen.<br />
Noch ein Beispiel: Am Schanzengelände<br />
gibt es einen normalen Sessellift,<br />
da haben sie unten die Spuren für<br />
den Liftbetrieb ausschöpfen müssen.<br />
Ich hab’ mir dann gedacht: Das geht ja<br />
nicht, dass die Schanze in zwei Stunden<br />
sprungbereit ist – aber das Faszinierende<br />
für mich war, dass die das trotzdem hinbekommen.<br />
Da sind unsere Schneemengen<br />
gar nichts dagegen.<br />
RS: Was ist schwieriger: Als Sprungrichter<br />
oder als Schanzen-Chef die Entscheidungen<br />
zu treffen?<br />
Perktold: Schwieriger ist es als<br />
Sprungrichter. Als Schanzen-Chef hole<br />
ich mir immer die Meinung von der Jury<br />
ein, aber als Sprungrichter bin ich immer<br />
allein mit meiner Entscheidung. Ich<br />
bin bei der Notenvergabe bei den Sprüngen<br />
grundsätzlich streng, aber ich gebe<br />
schon auch gute Noten – wenn es ein<br />
guter Sprung war. Außerdem kommt es<br />
drauf an, wo man als Sprungrichter ist,<br />
ob man A oder E ist. Nicht alle Sprungrichter<br />
haben das gleiche Gesichtsfeld,<br />
weil sie weiter auseinander sind. Ein Kriterium<br />
kann auch die Farbe des Anzugs<br />
vom Springer sein. Weiß ist zum Beispiel<br />
tödlich zum Bewerten! Weil du den einfach<br />
schlecht siehst. Außerdem sind es<br />
Moment-Entscheidungen, denn drei Sekunden,<br />
nachdem der Springer über die<br />
Sturzlinie ist, muss ich gewertet haben.<br />
Ansonsten fängt der Computer an zu<br />
schreien, dann piepst es wie im Auto,<br />
wenn man nicht angeschnallt ist.<br />
RS: Hast du von Betreuern schon mal<br />
Kritik wegen deiner Notenvergabe einstecken<br />
müssen?<br />
Perktold: Durchaus! Da sind die Österreicher<br />
ziemlich emotional. Bei mir<br />
war es noch nicht so schlimm, ich weiß<br />
mich zu wehren. Ich sag’ dann schon<br />
meine Meinung. Aber ich kenne einen<br />
Fall, da hat ein österreichischer Sprungrichter<br />
nach dem Flug von Japan retour<br />
gesagt: Er wertet nie wieder einen Weltcup<br />
– so ist man ihn angegangen!<br />
RS: Kann man als Sprungrichter auch<br />
gesperrt werden?<br />
Perktold: Ja, zum Beispiel wenn man<br />
für einen Springer aus dem eigenen Land<br />
unter Umständen zu viel Punkte gibt.<br />
Aber welche Nation das auch ist: Wenn<br />
der Sprung für mich ein 20er (höchste<br />
Punkteanzahl) ist, dann ist es für mich<br />
ein 20er! Andererseits frage ich ich auch<br />
manchmal: Was war bei diesem Sprung<br />
jetzt ein 20er? Vielleicht werd’ ich ja<br />
demnächst mal gesperrt (schmunzelt).<br />
RS: Ist Sprungrichter sein anstrengend?<br />
Perktold: Im Weltcup geht’s, da sind<br />
nicht so viele Springer. Aber beim Alpencup<br />
zum Beispiel kann es sein, dass<br />
800 Springer sind. Das ist dann wirklich<br />
anstrengend!<br />
RS: Wie schaut’s für nächste Saison<br />
aus, terminlich?<br />
Perktold: Jetzt kommt mal das Sommerspringen<br />
beim Schiclub Imst – das<br />
startet, sobald alles schneefrei ist. Dann<br />
wird es wohl zwei, drei (nationale) Einsätze<br />
im Sommer geben. Die Winter-Termine<br />
erhalte ich diesmal voraussichtlich<br />
erst im September.<br />
RUNDSCHAU Seite 55