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8 KULTUR JOKER INTERVIEW<br />

wichtig, dass wir in dieser jungen<br />

Stadt die jungen Stimmen<br />

in der Kommunalpolitik hörbar<br />

machen.<br />

Kultur Joker: Zum Stadtjubiläum<br />

„900 Jahre Freiburg“: Was<br />

bietet das Jubiläum den FreiburgerInnen<br />

heute? Man könnte das<br />

ja leicht als bemüht-historisches<br />

Event abwinken.<br />

Martin Horn: Wir feiern ja<br />

nicht bloß die historische Entstehung<br />

Freiburgs vor 900 Jahren,<br />

sondern den Zeitraum von 900<br />

Jahren bis in die Gegenwart. Wir<br />

wollen auch nicht nur zurück,<br />

sondern auch nach vorne blicken.<br />

Das Jubiläum bietet hier viele<br />

Chancen. Wir haben auch noch<br />

nie einen runden Geburtstag gefeiert,<br />

den die nachkommenden<br />

Generationen noch in Bild und<br />

Ton nachvollziehen können.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg vor<br />

100 Jahren wurde gar nicht gefeiert,<br />

vor 200 Jahren und früher gab<br />

es keine Bild- und Tonaufnahmen.<br />

Das Jubiläum ist somit ein<br />

historisches Ereignis. Im Rahmen<br />

der Vorbereitungen gab es viel<br />

Wirbel und auch im Gemeinderat<br />

und in der Verwaltung gab es<br />

viel Diskussion. Jetzt aber steht<br />

unser Konzept. Wir wollen die<br />

Identität unserer Stadt schärfen.<br />

Das Gestern, Heute und Morgen<br />

gehören da zusammen. Es wird<br />

200 Aktionen im Jubiläumsjahr<br />

2020 geben, das sind große und<br />

kleine Aktionen, von Vereinen,<br />

Einzelpersonen und Institutionen<br />

– gemeinsam wollen wir unsere<br />

Stadt feiern.<br />

Kultur Joker: Was für Aktionen<br />

sind beispielsweise angedacht.<br />

Martin Horn: Wir wollen eine<br />

Nacht mit mehreren Clubbesuchen<br />

zum Einheitspreis von<br />

9€Euro, hochkarätige Konzerte<br />

klassischer Musik und Bühnen<br />

für Popmusik – hier ist gerade<br />

das bundesweite Format „Jugend<br />

musiziert“ zu nennen, das seit<br />

2006 erstmals wieder nach Freiburg<br />

kommt. Da musizieren tausende<br />

Musiker. Dann gibt es eine<br />

Ausstellung zu Handschriften im<br />

Mittelalter, eine spektakuläre Illumination<br />

des Münsters. Bei einer<br />

900 Meter langen Tafel sind alle<br />

FreiburgerInnen eingeladen, miteinander<br />

zu essen, zu reden und<br />

sich kennenzulernen. Da wollen<br />

wir kreativ, humorvoll, aber auch<br />

vielfältig kulturell feiern. Darauf<br />

freue ich mich schon sehr.<br />

Kultur Joker: Wichtig scheint Ihnen<br />

eine offene Begegnung aller<br />

BürgerInnen Freiburgs.<br />

Martin Horn: Wenn ich in verschiedene<br />

nahe Ortschaften und<br />

Stadtteile komme, erlebe ich<br />

viele eigene Identitäten. So etwas<br />

wollen wir im Jubiläumsjahr<br />

zusammenführen und gemeinsam<br />

feiern. Genauso sollten wir aber<br />

vorausblicken und uns fragen:<br />

Was wollen wir gemeinsam für<br />

Freiburg erreichen? Wie wollen<br />

wir uns ändern? Wie wollen wir<br />

wachsen? Wo wollen wir unsere<br />

Akzente setzen? Für mich ist das<br />

Besondere am Jubiläum, dass<br />

alles nicht an einem Wochenende<br />

abgehandelt wird, sondern<br />

über 12 Monate im Blickpunkt<br />

steht. Wir beginnen mit einem<br />

Jubiläumsempfang auf der Messe,<br />

mit Tanz, Musik und Kultur.<br />

Über das Jahr gibt es dann viele<br />

kleinere Events, die reichen von<br />

historischen Begegnungen bis zu<br />

verschiedenen Partys.<br />

Kultur Joker: Wenn man über<br />

das Vorausblicken spricht, spricht<br />

man im Falle Freiburgs schnell<br />

von der Wohnungspolitik. Dem<br />

Club sterben eng verwandt ist die<br />

Wohnungsnot in Freiburg. Dietenbach<br />

ist in Planung, aber noch<br />

nicht gebaut und greifbare Lösungen<br />

fehlen zunächst. Die Proteste<br />

deshalb scheinen lauter zu<br />

werden. Ein Beispiel dafür sind<br />

die Hausbesetzungen. Wie stehen<br />

Sie zu solchen Protestformen?<br />

Martin Horn: Ich habe Verständnis<br />

dafür, wenn Menschen<br />

ihren Unmut äußern und auch<br />

ein klares Zeichen setzen wollen.<br />

Gleichzeitig will und werde ich<br />

Hausbesetzungen als legitimes<br />

Protestmittel nicht gutheißen.<br />

In vielen Bereichen sind wir<br />

viel aktiver als dies von Kritikern<br />

wahrgenommen wird. Wir<br />

haben mit der Freiburger Stadtbau<br />

GmbH ein 15-monatiges<br />

Mietmoratorium für mehr bezahlbares<br />

Wohnen in Freiburg<br />

beschlossen, wir arbeiten an<br />

einem Leerstandskataster, wir<br />

haben ein Referat für bezahlbares<br />

Wohnen, das Leerstand<br />

eindämmen und auch verhindern<br />

soll. Das letzte Haus, das besetzt<br />

wurde, war die Stadt selbst bereit<br />

zu kaufen. Wir wollen Zweckentfremdung<br />

auch stärker sanktionieren.<br />

Wenn in Zeiten von<br />

Wohnungsnot jemand sein Haus<br />

oder seine Wohnung dauerhaft<br />

leer stehen lässt, dann müssen<br />

wir Bußgelder aussprechen können.<br />

Ich bin auch bereit, das letzte<br />

Mittel der Enteignung zu prüfen.<br />

Ich habe aber kein Verständnis<br />

dafür, wenn Häuser besetzt und<br />

beschädigt werden, Privateigentum<br />

und Privatrechte missachtet<br />

werden. Ich würde mich freuen,<br />

wenn wir diese Energie vielmehr<br />

konstruktiv nutzen könnten. Ich<br />

habe der Hausbesetzerszene deshalb<br />

ein Gesprächsangebot unterbreitet.<br />

Mir geht es auch darum,<br />

Wohnraum zurückzugewinnen.<br />

Kultur Joker: Zwischen der Stadt<br />

und den BürgerInnen gibt es also<br />

viele gemeinsame Anliegen. Kann<br />

es sein, dass lediglich die Kommunikation<br />

nicht richtig funktioniert?<br />

Martin Horn: Nein, das würde<br />

ich so pauschal nicht sagen. Die<br />

Hausbesetzerszene tritt in vielen<br />

Bereichen auch sehr kooperativ<br />

auf. Es gab ja auch keine direkten<br />

Konfrontationen, auch nicht mit<br />

Sicherheitskräften, wofür ich<br />

sehr dankbar bin. Das politische<br />

Statement wurde sehr erfolgreich<br />

und sichtbar gesetzt. Bei der ersten<br />

Hausbesetzung war unser<br />

Finanz- und damit letztlich auch<br />

Wohnungsbürgermeister Stefan<br />

Breiter vor Ort. Unsere Referatsleiterin<br />

für bezahlbares Wohnen<br />

ist in diesem Bereich sehr aktiv.<br />

Es ist natürlich klar, dass wir bei<br />

so vielen Aktivitäten nicht alles<br />

kommunizieren können, gerade<br />

im Bereich Leerstand. Das SPD-<br />

Magazin Stühlinger hat eine<br />

Leerstandskartei, die wir komplett<br />

überprüft haben, wir haben<br />

Adressen von Ferienwohnungen<br />

überprüft. Gerade im Fall von<br />

Privateigentum gilt aber auch der<br />

Schutz von Privatssphäre. Im Mai<br />

wollen wir auf einer Pressekonferenz<br />

das Thema Leerstand auch<br />

noch einmal neu präsentieren.<br />

Kultur Joker: Sehr deutlich<br />

kommunizieren Sie über Social<br />

Media. Auf Instagram pflegen Sie<br />

einen lebendigen Austausch über<br />

Ihre privaten wie politischen Erlebnisse.<br />

Was bedeuten die sozialen<br />

Medien für Sie?<br />

Martin Horn: Die sozialen Medien<br />

sind für mich nicht bloß<br />

eine Selbstdarstellungsplattform,<br />

sondern vor allem eine Kommunikationsplattform.<br />

Ich lasse<br />

Freiburger und Freiburgerinnen<br />

an meinen Aufgaben teilhaben.<br />

Wir müssen, gerade in der jüngsten<br />

Stadt Deutschlands, auch eine<br />

Generation mitnehmen, die keine<br />

Tageszeitung mehr liest. Kommunalpolitik<br />

ist die direkteste Politikform<br />

für Menschen vor Ort,<br />

gleichzeitig wirkt sie so bürokratisch,<br />

langweilig und verstaubt.<br />

Ich will zeigen, dass Kommunalpolitik<br />

zentrale, unmittelbare Bedeutung<br />

für den Alltag von allen<br />

hat. Social Media kann hier eine<br />

Brücke schlagen und Inhalte vermitteln.<br />

Dafür muss Social Media<br />

aber auch authentisch betrieben<br />

werden. Als humorvoller, junger<br />

Mensch gelingt mir das, denke<br />

ich, ganz gut. Ich habe sehr viel<br />

positives Feedback dazu bekommen.<br />

Social Media kann aber<br />

ZUKUNFT<br />

Für:<br />

Jugendliche und<br />

Erwachsene mit<br />

Zukunftsfragen<br />

AUSBLICK VON HEUTE - RÜCKBLICK VON MORGEN<br />

PERFORMANCE<br />

Was:<br />

Musik-Tanz-<br />

Schauspiel-<br />

Objektkunst-<br />

Philosophie-<br />

Wissenschaft<br />

Wann:<br />

ab .Sept.<br />

auch nur eine, wenn auch sinnvolle<br />

Ergänzung zu unserer klassischen<br />

Pressearbeit sein.<br />

Kultur Joker: Kann Social Media<br />

eine Unmittelbarkeit schaffen, die<br />

politikverdrossene WählerInnen<br />

der Politik sonst ja oft absprechen?<br />

Kann man solche WählerInnen<br />

so abholen?<br />

Martin Horn: Die AfD ist die<br />

Partei mit den meisten Facebook-Likes<br />

in Deutschland. Aber<br />

das darf nicht sein. Wir dürfen<br />

die sozialen Medien nicht den<br />

Rechtspopulisten überlassen. Daher<br />

müssen wir klar gegen solche<br />

Positionen argumentieren. Wir<br />

müssen die Menschen aber auch<br />

mitnehmen und begeistern, damit<br />

sie innerhalb dieser Demokratie<br />

auch mitgestalten wollen. Und<br />

dass sie die Möglichkeit haben,<br />

etwas zu sagen, das auch gehört<br />

wird. Ich würde die sozialen Medien<br />

nicht überbewerten. Ich habe<br />

den Wahlkampf nicht wegen Social<br />

Media gewonnen, sondern<br />

weil ich rausgegangen bin, den<br />

Menschen zugehört habe und<br />

mit meinen Antworten überzeugt<br />

habe.<br />

Kultur Joker: Wie viel Ihrer Persönlichkeit<br />

steckt in ihren Auftritten,<br />

gerade im Internet?<br />

Martin Horn: Auch Monate<br />

nach meinem Amtsantritt haben<br />

einige geäußert, dass ich immer<br />

noch im Wahlkampfmodus sei.<br />

Die haben nicht verstanden, dass<br />

das einfach meine Art ist. Die<br />

Trennung zwischen dem Politiker<br />

und dem Mensch Martin Horn<br />

gibt es nur zum Teil. Ich will<br />

Sachen positiv verändern, das<br />

ist einfach meine Art. Für Social<br />

Media habe ich keine Strategieberatung<br />

hinter mir, die eine Marke<br />

Martin Horn entwickelt, dort<br />

gibt es einfach den Menschen<br />

und Politiker Martin Horn.<br />

Kultur Joker: Herr Horn, vielen<br />

Dank für das Gespräch!<br />

Wo:<br />

Freiburg im Breisgau<br />

TAGUNG<br />

Infos:<br />

www.take-part.info

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