-flip_joker_2019-05
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8 KULTUR JOKER INTERVIEW<br />
wichtig, dass wir in dieser jungen<br />
Stadt die jungen Stimmen<br />
in der Kommunalpolitik hörbar<br />
machen.<br />
Kultur Joker: Zum Stadtjubiläum<br />
„900 Jahre Freiburg“: Was<br />
bietet das Jubiläum den FreiburgerInnen<br />
heute? Man könnte das<br />
ja leicht als bemüht-historisches<br />
Event abwinken.<br />
Martin Horn: Wir feiern ja<br />
nicht bloß die historische Entstehung<br />
Freiburgs vor 900 Jahren,<br />
sondern den Zeitraum von 900<br />
Jahren bis in die Gegenwart. Wir<br />
wollen auch nicht nur zurück,<br />
sondern auch nach vorne blicken.<br />
Das Jubiläum bietet hier viele<br />
Chancen. Wir haben auch noch<br />
nie einen runden Geburtstag gefeiert,<br />
den die nachkommenden<br />
Generationen noch in Bild und<br />
Ton nachvollziehen können.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg vor<br />
100 Jahren wurde gar nicht gefeiert,<br />
vor 200 Jahren und früher gab<br />
es keine Bild- und Tonaufnahmen.<br />
Das Jubiläum ist somit ein<br />
historisches Ereignis. Im Rahmen<br />
der Vorbereitungen gab es viel<br />
Wirbel und auch im Gemeinderat<br />
und in der Verwaltung gab es<br />
viel Diskussion. Jetzt aber steht<br />
unser Konzept. Wir wollen die<br />
Identität unserer Stadt schärfen.<br />
Das Gestern, Heute und Morgen<br />
gehören da zusammen. Es wird<br />
200 Aktionen im Jubiläumsjahr<br />
2020 geben, das sind große und<br />
kleine Aktionen, von Vereinen,<br />
Einzelpersonen und Institutionen<br />
– gemeinsam wollen wir unsere<br />
Stadt feiern.<br />
Kultur Joker: Was für Aktionen<br />
sind beispielsweise angedacht.<br />
Martin Horn: Wir wollen eine<br />
Nacht mit mehreren Clubbesuchen<br />
zum Einheitspreis von<br />
9€Euro, hochkarätige Konzerte<br />
klassischer Musik und Bühnen<br />
für Popmusik – hier ist gerade<br />
das bundesweite Format „Jugend<br />
musiziert“ zu nennen, das seit<br />
2006 erstmals wieder nach Freiburg<br />
kommt. Da musizieren tausende<br />
Musiker. Dann gibt es eine<br />
Ausstellung zu Handschriften im<br />
Mittelalter, eine spektakuläre Illumination<br />
des Münsters. Bei einer<br />
900 Meter langen Tafel sind alle<br />
FreiburgerInnen eingeladen, miteinander<br />
zu essen, zu reden und<br />
sich kennenzulernen. Da wollen<br />
wir kreativ, humorvoll, aber auch<br />
vielfältig kulturell feiern. Darauf<br />
freue ich mich schon sehr.<br />
Kultur Joker: Wichtig scheint Ihnen<br />
eine offene Begegnung aller<br />
BürgerInnen Freiburgs.<br />
Martin Horn: Wenn ich in verschiedene<br />
nahe Ortschaften und<br />
Stadtteile komme, erlebe ich<br />
viele eigene Identitäten. So etwas<br />
wollen wir im Jubiläumsjahr<br />
zusammenführen und gemeinsam<br />
feiern. Genauso sollten wir aber<br />
vorausblicken und uns fragen:<br />
Was wollen wir gemeinsam für<br />
Freiburg erreichen? Wie wollen<br />
wir uns ändern? Wie wollen wir<br />
wachsen? Wo wollen wir unsere<br />
Akzente setzen? Für mich ist das<br />
Besondere am Jubiläum, dass<br />
alles nicht an einem Wochenende<br />
abgehandelt wird, sondern<br />
über 12 Monate im Blickpunkt<br />
steht. Wir beginnen mit einem<br />
Jubiläumsempfang auf der Messe,<br />
mit Tanz, Musik und Kultur.<br />
Über das Jahr gibt es dann viele<br />
kleinere Events, die reichen von<br />
historischen Begegnungen bis zu<br />
verschiedenen Partys.<br />
Kultur Joker: Wenn man über<br />
das Vorausblicken spricht, spricht<br />
man im Falle Freiburgs schnell<br />
von der Wohnungspolitik. Dem<br />
Club sterben eng verwandt ist die<br />
Wohnungsnot in Freiburg. Dietenbach<br />
ist in Planung, aber noch<br />
nicht gebaut und greifbare Lösungen<br />
fehlen zunächst. Die Proteste<br />
deshalb scheinen lauter zu<br />
werden. Ein Beispiel dafür sind<br />
die Hausbesetzungen. Wie stehen<br />
Sie zu solchen Protestformen?<br />
Martin Horn: Ich habe Verständnis<br />
dafür, wenn Menschen<br />
ihren Unmut äußern und auch<br />
ein klares Zeichen setzen wollen.<br />
Gleichzeitig will und werde ich<br />
Hausbesetzungen als legitimes<br />
Protestmittel nicht gutheißen.<br />
In vielen Bereichen sind wir<br />
viel aktiver als dies von Kritikern<br />
wahrgenommen wird. Wir<br />
haben mit der Freiburger Stadtbau<br />
GmbH ein 15-monatiges<br />
Mietmoratorium für mehr bezahlbares<br />
Wohnen in Freiburg<br />
beschlossen, wir arbeiten an<br />
einem Leerstandskataster, wir<br />
haben ein Referat für bezahlbares<br />
Wohnen, das Leerstand<br />
eindämmen und auch verhindern<br />
soll. Das letzte Haus, das besetzt<br />
wurde, war die Stadt selbst bereit<br />
zu kaufen. Wir wollen Zweckentfremdung<br />
auch stärker sanktionieren.<br />
Wenn in Zeiten von<br />
Wohnungsnot jemand sein Haus<br />
oder seine Wohnung dauerhaft<br />
leer stehen lässt, dann müssen<br />
wir Bußgelder aussprechen können.<br />
Ich bin auch bereit, das letzte<br />
Mittel der Enteignung zu prüfen.<br />
Ich habe aber kein Verständnis<br />
dafür, wenn Häuser besetzt und<br />
beschädigt werden, Privateigentum<br />
und Privatrechte missachtet<br />
werden. Ich würde mich freuen,<br />
wenn wir diese Energie vielmehr<br />
konstruktiv nutzen könnten. Ich<br />
habe der Hausbesetzerszene deshalb<br />
ein Gesprächsangebot unterbreitet.<br />
Mir geht es auch darum,<br />
Wohnraum zurückzugewinnen.<br />
Kultur Joker: Zwischen der Stadt<br />
und den BürgerInnen gibt es also<br />
viele gemeinsame Anliegen. Kann<br />
es sein, dass lediglich die Kommunikation<br />
nicht richtig funktioniert?<br />
Martin Horn: Nein, das würde<br />
ich so pauschal nicht sagen. Die<br />
Hausbesetzerszene tritt in vielen<br />
Bereichen auch sehr kooperativ<br />
auf. Es gab ja auch keine direkten<br />
Konfrontationen, auch nicht mit<br />
Sicherheitskräften, wofür ich<br />
sehr dankbar bin. Das politische<br />
Statement wurde sehr erfolgreich<br />
und sichtbar gesetzt. Bei der ersten<br />
Hausbesetzung war unser<br />
Finanz- und damit letztlich auch<br />
Wohnungsbürgermeister Stefan<br />
Breiter vor Ort. Unsere Referatsleiterin<br />
für bezahlbares Wohnen<br />
ist in diesem Bereich sehr aktiv.<br />
Es ist natürlich klar, dass wir bei<br />
so vielen Aktivitäten nicht alles<br />
kommunizieren können, gerade<br />
im Bereich Leerstand. Das SPD-<br />
Magazin Stühlinger hat eine<br />
Leerstandskartei, die wir komplett<br />
überprüft haben, wir haben<br />
Adressen von Ferienwohnungen<br />
überprüft. Gerade im Fall von<br />
Privateigentum gilt aber auch der<br />
Schutz von Privatssphäre. Im Mai<br />
wollen wir auf einer Pressekonferenz<br />
das Thema Leerstand auch<br />
noch einmal neu präsentieren.<br />
Kultur Joker: Sehr deutlich<br />
kommunizieren Sie über Social<br />
Media. Auf Instagram pflegen Sie<br />
einen lebendigen Austausch über<br />
Ihre privaten wie politischen Erlebnisse.<br />
Was bedeuten die sozialen<br />
Medien für Sie?<br />
Martin Horn: Die sozialen Medien<br />
sind für mich nicht bloß<br />
eine Selbstdarstellungsplattform,<br />
sondern vor allem eine Kommunikationsplattform.<br />
Ich lasse<br />
Freiburger und Freiburgerinnen<br />
an meinen Aufgaben teilhaben.<br />
Wir müssen, gerade in der jüngsten<br />
Stadt Deutschlands, auch eine<br />
Generation mitnehmen, die keine<br />
Tageszeitung mehr liest. Kommunalpolitik<br />
ist die direkteste Politikform<br />
für Menschen vor Ort,<br />
gleichzeitig wirkt sie so bürokratisch,<br />
langweilig und verstaubt.<br />
Ich will zeigen, dass Kommunalpolitik<br />
zentrale, unmittelbare Bedeutung<br />
für den Alltag von allen<br />
hat. Social Media kann hier eine<br />
Brücke schlagen und Inhalte vermitteln.<br />
Dafür muss Social Media<br />
aber auch authentisch betrieben<br />
werden. Als humorvoller, junger<br />
Mensch gelingt mir das, denke<br />
ich, ganz gut. Ich habe sehr viel<br />
positives Feedback dazu bekommen.<br />
Social Media kann aber<br />
ZUKUNFT<br />
Für:<br />
Jugendliche und<br />
Erwachsene mit<br />
Zukunftsfragen<br />
AUSBLICK VON HEUTE - RÜCKBLICK VON MORGEN<br />
PERFORMANCE<br />
Was:<br />
Musik-Tanz-<br />
Schauspiel-<br />
Objektkunst-<br />
Philosophie-<br />
Wissenschaft<br />
Wann:<br />
ab .Sept.<br />
auch nur eine, wenn auch sinnvolle<br />
Ergänzung zu unserer klassischen<br />
Pressearbeit sein.<br />
Kultur Joker: Kann Social Media<br />
eine Unmittelbarkeit schaffen, die<br />
politikverdrossene WählerInnen<br />
der Politik sonst ja oft absprechen?<br />
Kann man solche WählerInnen<br />
so abholen?<br />
Martin Horn: Die AfD ist die<br />
Partei mit den meisten Facebook-Likes<br />
in Deutschland. Aber<br />
das darf nicht sein. Wir dürfen<br />
die sozialen Medien nicht den<br />
Rechtspopulisten überlassen. Daher<br />
müssen wir klar gegen solche<br />
Positionen argumentieren. Wir<br />
müssen die Menschen aber auch<br />
mitnehmen und begeistern, damit<br />
sie innerhalb dieser Demokratie<br />
auch mitgestalten wollen. Und<br />
dass sie die Möglichkeit haben,<br />
etwas zu sagen, das auch gehört<br />
wird. Ich würde die sozialen Medien<br />
nicht überbewerten. Ich habe<br />
den Wahlkampf nicht wegen Social<br />
Media gewonnen, sondern<br />
weil ich rausgegangen bin, den<br />
Menschen zugehört habe und<br />
mit meinen Antworten überzeugt<br />
habe.<br />
Kultur Joker: Wie viel Ihrer Persönlichkeit<br />
steckt in ihren Auftritten,<br />
gerade im Internet?<br />
Martin Horn: Auch Monate<br />
nach meinem Amtsantritt haben<br />
einige geäußert, dass ich immer<br />
noch im Wahlkampfmodus sei.<br />
Die haben nicht verstanden, dass<br />
das einfach meine Art ist. Die<br />
Trennung zwischen dem Politiker<br />
und dem Mensch Martin Horn<br />
gibt es nur zum Teil. Ich will<br />
Sachen positiv verändern, das<br />
ist einfach meine Art. Für Social<br />
Media habe ich keine Strategieberatung<br />
hinter mir, die eine Marke<br />
Martin Horn entwickelt, dort<br />
gibt es einfach den Menschen<br />
und Politiker Martin Horn.<br />
Kultur Joker: Herr Horn, vielen<br />
Dank für das Gespräch!<br />
Wo:<br />
Freiburg im Breisgau<br />
TAGUNG<br />
Infos:<br />
www.take-part.info