Der Betriebsleiter 5/2019
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WAS HABEN TEXTILIEN MIT<br />
UMWELTTECHNIK ZU TUN?<br />
UMWELTTECHNIK<br />
Feinstaub, Stickoxide, Coli-Bakterien oder<br />
Nitrate: Textile Filter sorgen am Ende<br />
industrieller Prozesse seit jeher für saubere Luft<br />
und sauberes Wasser. Neuartige Filtermedien für<br />
das „Textile Mining“ sollen dem rohstoffarmen<br />
Standort Deutschland neue Perspektiven<br />
eröffnen. Die Rede ist unter anderem von<br />
Textilfiltern für Wertmetalle, die auf der<br />
Techtextil vom 14. bis 17. Mai in Frankfurt als<br />
eine von zahlreichen faserbasierten<br />
Innovationen mit besonderem Potenzial für<br />
Umweltschutz, Recycling und Entsorgung<br />
gezeigt werden.<br />
Dr. Klaus Opwis vom Deutschen Textilforschungszentrum<br />
Nord-West etwa stellt auf der Weltleitmesse für technische<br />
Textilien und Vliesstoffe Adsorber-Textilien zur Rückgewinnung<br />
von Edelmetallen aus Prozessabwässern vor.<br />
Sie können heute schon kostengünstig beispielsweise Palladium<br />
aus schwach konzentrierten Galvanik-Abwässern zurückholen. Das<br />
seltene, silberweiße Element gehört zur Gruppe der Platinmetalle<br />
und steckt in Abgaskatalysatoren, Brennstoffzellen und Leiterplattenbeschichtungen.<br />
Für das patentierte Verfahren, das selektiv<br />
auch Substanzen wie Platin, Gold, Silber, aber auch Ammoniak und<br />
Arsen binden kann, kommen Polyester und Polyvinylamin als<br />
preiswerte Grundmaterialien zum Einsatz. Bevor die Zeichen auf<br />
Kommerzialisierung gestellt werden können, laufen in zwei Unternehmen<br />
noch entsprechende Praxisversuche.<br />
Einen ähnlichen Ansatz, allerdings nur für die Goldrückgewinnung<br />
und auf der Grundlage von Nanofasern, verfolgen Forscher<br />
Autor: Hans-Werner Oertel, Technologiejournalist,<br />
InnoMedia, Berlin<br />
aus Aachen und Bayreuth. Projektleiterin Dr. Helga Thomas vom<br />
Leibniz-Institut DWI sagt, dass sich pro Kilogramm eingesetztem<br />
Fasermaterial bis zu 23 g Edelmetall gewinnen lassen. Das Prinzip<br />
nach dem In-situ-Verfahren sei auch für die Quecksilber-Rückgewinnung<br />
interessant.<br />
NACHHALTIGKEIT UND INNOVATION<br />
„Die Zeichen in der gesamten textilen Kette stehen auf Nachhaltigkeit<br />
und Innovation. Beispiel Smart Textiles: Diese elektrisch leitenden<br />
Gewebe müssen ebenfalls recyclingfähig werden – eine große<br />
Herausforderung für Forschung und Entwicklung weltweit. Ähnliches<br />
gilt für den Abrieb von Vliesstoffen als Teil der Mikroplastik-<br />
Problematik in den Weltmeeren“, berichtet Michael Jänecke, Director<br />
Brand Management Technical Textiles & Textile Processing bei der<br />
Messe Frankfurt.<br />
Eine ganz andere Art der Wiederverwertung im Sinne des Prinzips<br />
„Cradle to Cradle“ wird von Techtextil-Ausstellern wie dem<br />
Faser- und Garnhersteller Carl Weiske GmbH & Co. KG (Hof) favorisiert.<br />
Seine „GreenCycle“-Initiative beginnt mit dem Recycling<br />
von gebrauchten PET-Flaschen. Die Idee dahinter: Polyester soll<br />
künftig gar nicht erst in die Umwelt gelangen. Das Material, das sich<br />
bekanntlich durch Feuchtigkeit, hohe Temperaturen oder UV-<br />
Strahlung relativ schnell zu Mikroplastik zersetzt, schadet Mensch<br />
und Tier gleichermaßen. In einem weiteren Schritt stellt das oberfränkische<br />
Unternehmen aus schadstoffarmen Flaschenpolymeren<br />
Filamente und Stapelfasergarne her. Nachfolgend werden daraus<br />
mit Endkunden recycelbare Materialien für Autositzbezüge, Matratzen,<br />
Arbeitskleidung oder Möbelstoffe entwickelt.<br />
Diese Endprodukte sind – und das ist neu – so konzipiert, dass die<br />
Textilien nach dem Produktlebenszyklus erneut dem Stoffkreislauf<br />
zugeführt werden können. Carl Weiske arbeitet inzwischen an<br />
einem Recyclingverfahren, das den Kreislauf von PET-Ausgangsstoffen<br />
dauerhaft möglich machen soll. Das bedeutet, dass die<br />
Textilien in Zukunft beliebig oft recycelt werden können – sodass<br />
der Ur-Ur-Enkel einer heutigen PET-Flasche wieder als Materialkomponente<br />
für Textilien eingesetzt werden kann. Jetzt sucht das<br />
Unternehmen sowohl Netzwerkpartner für den Kreislauf Greencycle<br />
als auch B2B-Endkunden, die ausreichende Mengen gebrauchter<br />
Textilien in den Kreislauf zurückführen können.<br />
Foto: Messe Frankfurt, Jean-Luc Valentin<br />
www.messefrankfurt.com<br />
S4 SUPPLEMENT 1/<strong>2019</strong>